+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Hersteller H verkauft an Supermarktbetreiberin S fünf Paletten Softdrinks. H will einen Kredit bei Bank B aufnehmen, um seine Produktionskapazitäten zu erweitern. Zur Sicherung des Kredits tritt H die Kaufpreisforderung an B ab. Nun verlangt B von S Zahlung.
In S‘ AGB steht: „Gegen S gerichtete Kaufpreisforderungen sind ohne Zustimmung nicht abtretbar.“

Einordnung des Falls

Grundfall 1: Abtretung trotz Abtretungsverbot wirksam (§ 354a HGB)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Eine Abtretung kann durch vertragliche Vereinbarung grundsätzlich ausgeschlossen werden (§ 399 Alt. 2 BGB).

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Ja!

Es gibt Fälle, in denen eine Abtretung ausgeschlossen ist. Am relevantesten ist hier § 399 Alt. 2 BGB. Hiernach kann eine Abtretung von den Vertragsparteien vertraglich ausgeschlossen werden.

2. Ein Abtretungsverbot durch vertragliche Vereinbarung ist stets unwirksam, wenn beide Parteien der abzutretenden Forderung Kaufleute sind (§ 354a Abs. 1 S. 1 HGB).

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Nein, das ist nicht der Fall!

Auch im Handelsrecht sind Abtretungsverbote grundsätzlich zu beachten. § 354a HGB weicht hier aber in bestimmten Fällen ab. Demnach kann ein Kaufmann trotz entgegenstehender vertraglicher Vereinbarung eine Forderung abtreten, wenn (1) für beide Parteien (Gläubiger und Schuldner der Forderung) ein Handelsgeschäft vorliegt. Dies setzt voraus, dass beide Parteien Kaufleute sind und ein Geschäft mit Bezug zu ihrem jeweiligen Handelsgewerbe tätigen (§ 343 Abs. 1 HGB). (2) Außerdem muss es sich bei der Abtretung um eine Geldforderung handeln. Hierbei handelt es sich aber nur um Geldforderungen, nicht um jegliche Forderungen.Lediglich Geldforderungen aus beidseitigen Handelsgeschäften können somit abgetreten werden. Bezüglich sonstiger Forderungen gilt ein vereinbartes Abtretungsverbot weiterhin.

3. Ist § 354a HGB auf den vorliegenden Fall anzuwenden?

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Ja, in der Tat!

Ein Kaufmann kann grundsätzlich trotz entgegenstehender vertraglicher Vereinbarung eine Forderung abtreten, wenn (1) für beide Parteien (Gläubiger und Schuldner der Forderung) ein Handelsgeschäft vorliegt. (2) Es muss sich bei der Abtretung um eine Geldforderung handeln. H und S sind Kaufleute. Mit dem Kauf, bzw. Verkauf der Softdrinks tätigten sie ein Geschäft im Rahmen ihres Handelsgewerbes. Es liegt eine Abtretung einer Geldforderung vor. Auf die entgegenstehende Vereinbarung durch S‘ AGB könnte sich S nach § 354a Abs. 1 S. 1 HGB nicht berufen. In einer Klausur müsstest Du sämtliche Voraussetzungen einer wirksamen Abtretung prüfen, nicht nur das Abtretungsverbot. Hier kannst Du Dich aber kurz fassen, wenn der Sachverhalt - wie hier - keine Probleme aufwirft.

4. Greift hier aber die Ausnahmevorschrift des § 354a Abs. 2 HGB, sodass die Abtretung doch unwirksam ist?

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Nein!

Die Umgehung eines vertraglich vereinbarten Abtretungsverbotes ist auch im Handelsrecht ausgeschlossen, wenn es (1) um die Abtretung einer Forderung aus einem Darlehensvertrag geht und (2) Gläubiger der Forderung ein Kreditinstitut des Kreditwesensgesetzes (vgl. § 1 KWG) ist.Bei der abgetretenen Forderung handelt es sich bereits nicht um eine Darlehens-, sondern eine Kaufpreisforderung. Auch ist H als Gläubiger kein Kreditinstitut, sondern tritt die Forderung nur an ein solches ab. Die Vorschrift ist also nicht einschlägig. Hintergrund dieser Ausnahmevorschrift ist, dass im Zuge der Finanzkrise (um 2008) Finanzinvestoren gezielt Forderungen abkauften und die Schuldner unter wirtschaftlichen Druck setzen. So wollten sie die Aufnahme in den Gesellschafterkreis des Unternehmens erzwingen. Dies sollte durch die Vorschrift unterbunden werden.

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