Muss die Vortat vollendet sein?

18. April 2025

8 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K hat sich bei ihrem Nachbar N einen Rasenmäher ausgeliehen. Sie verkauft und übergibt ihn an die in alles eingeweihte E.

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Einordnung des Falls

Muss die Vortat vollendet sein?

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K hat sich wegen Unterschlagung strafbar gemacht, indem sie E den Rasenmäher übergeben hat (§ 246 Abs. 1 StGB).

Ja!

Objektive Tatbestandsvoraussetzungen für die Unterschlagung sind: (1) Tatobjekt: fremde bewegliche Sache (2) Tathandlung: Sich oder einem Dritten zueignen (3) Rechtswidrigkeit der Zueignung K müsste zudem vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft gehandelt haben. Ggf. ist ein Strafantrag erforderlich, §§ 247, 248a StGB und die Unterschlagung greift nur subsidiär ein („wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist“, § 246 Abs. 1 StGB a.E.). Für die Zueignung genügt nach neuerer Rspr. (BGH, 6 StR 191/23) nicht – wie bisher – der Zueignungswille (sog. Manifestationstheorie). Vielmehr müsse eine Zueignung auch tatsächlich eigetreten sein, etwa dadurch, dass sich der Täter als Eigentümer geriert. Ns Rasenmäher ist eine für K fremde, bewegliche Sache. Durch die Übereignung an E hat K sich als Eigentümerin geriert (= Zueignung). Die Zueignung war objektiv rechtswidrig, K handelte vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft. Mangels Geringwertigkeit ist kein Strafantrag nach § 248a StGB erforderlich. Alle Inhalte zur Unterschlagung kannst Du hier wiederholen.
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2. E könnte sich wegen Hehlerei strafbar gemacht haben, indem sie den Rasenmäher von K annahm (§ 259 Abs. 1 StGB).

Genau, so ist das!

Objektive Voraussetzungen des § 259 Abs. 1 StGB sind: (1) Rechtswidrige, gegen fremdes Vermögen gerichtete Vortat eines anderen (2) durch die der Vortäter die Sache erlangt hat (3) Tathandlung: Ankaufen oder die Sache sich oder einem Dritten auf andere Weise verschaffen oder sie absetzen oder beim Absetzen helfen E müsste subjektiv vorsätzlich und mit eigen- oder fremdnütziger Bereicherungsabsicht gehandelt haben. Zudem müsste E die Tat rechtswidrig und schuldhaft begangen haben.

3. War die Unterschlagung der K vollendet, bevor sie E den Rasenmäher übergab?

Nein, das trifft nicht zu!

Eine Tat ist vollendet, wenn alle objektiven Tatbestandsmerkmale erfüllt sind.Bevor K den Rasenmäher an E übergab, hatte sich ihr Zueignungswille noch nicht einmal in einem äußerlich erkennbaren Akt manifestiert (sog. Manifestationstheorie). K hatte sich den Rasenmäher noch nicht zugeeignet (neuere Rspr.). K vollendete die Unterschlagung erst in dem Moment, in dem sie E den Rasenmäher übergab.

4. Es ist strittig, ob auch die unvollendete Tat eine taugliche Vortat des § 259 StGB sein kann. Dafür spricht, dass es sonst zu zufälligen Ergebnissen kommen könnte.

Ja!

Nach einer Mindermeinung handelt es sich auch dann um eine taugliche Vortat, wenn sie erst in dem Moment vollendet wird, in dem die Sache übergeben wird. Damit würde vermieden, dass eine Strafbarkeit vom (teils) zufälligen Moment der Übertragung der Sache abhinge. Zudem spreche auch der Telos des § 259 StGB für eine Strafbarkeit in diesen Fällen: auch wenn die Vortat erst durch die Übertragung vollendet werde, halte der Täter eine rechtswidrige Besitzlage aufrecht.Nach dieser Ansicht läge in der Unterschlagung des K eine taugliche Vortat für eine Hehlerei. E hat die Sache auch in Bereicherungsabsicht angekauft. Sie hätte sich demnach gem. § 259 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.

5. Nach der h.M. muss die Hehlerei der Vortat zeitlich nachfolgen. Dafür spricht der Wortlaut des § 259 StGB.

Genau, so ist das!

Der Wortlaut des § 259 StGB verlangt, dass der Vortäter die Sache „erlangt hat”. Damit werde zum Ausdruck gebracht, dass das Erwerben der Sache durch den Vortäter zeitlich vor der Hehlerei liegen müsse. Zudem sei ein Aufrechterhalten einer rechtswidrigen Vermögenslage nur möglich, wenn diese zuvor geschaffen worden sei.Nach der h.M. kann eine Tat nur dann eine für den § 259 StGB taugliche Vortat sein, wenn sie bereits vor der Hehlereihandlung vollendet ist. Das ist hier nicht der Fall. E hätte sich demnach nicht wegen § 259 StGB strafbar gemacht.

6. Wenn man mit der h.M. annimmt, dass die Vortat zeitlich vor der Hehlerei liegen muss, bleibt E straffrei.

Nein, das trifft nicht zu!

E hat K bei deren Unterschlagung Hilfe geleistet. Sie hat sich wegen Beihilfe zur Unterschlagung strafbar gemacht, §§ 246, 27 StGB.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Juraddicted

Juraddicted

21.10.2024, 20:59:49

woran würde die

versuchte Hehlerei

scheitern? vielen Dank :)

BenKenobi

BenKenobi

20.1.2025, 09:49:15

Die

versuchte Hehlerei

scheitert daran, dass auch nach dem Vorstellungsbild der E (Sichverschaffen einer entliehenen Sache) keine Verwirklichung des objektiven Tatbestands der Hehlerei vorliegt. Das Vorstellungsbild der Täterin deckt sich hier mit den tatsächlichen Umständen, nach denen die Unterschlagung nicht vor der möglichen Hehlerei vollendet wurde. Anders wäre es z.B., wenn E davon ausgehen würde, dass der Vortäter die Sache gestohlen hätte. Dann läge ein

untauglicher Versuch

vor.

Thorben

Thorben

23.1.2025, 19:05:52

Moin zusammen, warum macht sich E "nur" wegen §§ 246, 27 strafbar, nicht aber wegen vollendetem § 246, indem sie sich den Rasenmäher Zueignet und das ja in dem Wissen, das dieser gestohlen wurde? Ich würde prüfen: I. TB 1. Frebesa + 2.

Zueignung

a.

Zueignung

swille aa. Aneignungswille + (E will sich den Rasenmäher einverleiben) bb. Enteignungswille + (E weiß das sie den wahren Inhaber N dauerhaft verdrängt und will das auch) b. Manifestationshandlung (Ankaufen und behalten) 3.

Rechtswidrigkeit der Zueignung

Meiner M + (ich fände es unbillig wenn der Kaufvertrag hier obwohl in dem Wissen geschlossen, das K die Sache sich

rechtswidrig

zugeignet hat als Rechtfertigungsgrund dienen würde) 4.

Vorsatz

+ Demnach käme ich auf einen vollendeten § 246 Danke und beste Grüße

Simon

Simon

6.3.2025, 16:47:40

Eine in der Tat interessante Frage! Früher setzte § 246 I StGB voraus, dass der Täter die Sache in B

esi

tz oder Gewahrsam hat, sodass für E tatsächlich nur §§ 246 I, 27 StGB in Frage käme (zudem war die Dritt

zueignung

nicht strafbar, sodass man hier auch ein Sich-Zueignen durch K konstruieren müsste). Nachdem diese Voraussetzung gemäß dem aktuellen Gesetzeswortlaut ausscheidet, muss die Abgrenzung Täterschaft - Teilnahme nach den allgemeinen Grundsätzen erfolgen. Nach der h.L. (

Tatherrschaftslehre

) ist demnach zu fragen, wer das tatbestandmäßige Geschehen planvoll lenkend in den Händen hält, sich als Zentralgestalt des Geschehens darstellt und die Tat nach seinem Willen ablaufen lassen oder hemmen kann. Insofern kommt es m.E. stark auf die Einzelfallumstände an, ob eine täterschaftliche Unterschlagung oder nur eine Teilnahme an einer fremden Unterschlagung vorliegt. Ang

esi

chts der neueren Rechtsprechung, die einen Unterschlagungserfolg fordert, dürfte § 246 I StGB hier erst mit Übergabe des Rasenmähers an E vollendet sein. Da diese Übergabe einverständlich zwischen K und E erfolgte, hielten beide das tatbestandsmäßige Geschehen planvoll lenkend in den Händen: Eine erfolgreiche Unterschlagung war nämlich sowohl davon abhängig, dass K den Rasenmäher übergab, als auch davon, dass E ihn annahm. M.M.n. kann man daher von einer mittäterschaftlichen Unterschlagung ausgehen (zu dieser Möglichkeit auch Wittig, in: BeckOK-StGB, 64. Ed. Stand: 01.02.2025, § 246 Rn. 15; und Schmidt, in: Matt/Renzikowski, StGB, 2. Aufl. 2020, § 246 Rn. 11). P.S.: "Frebesa" als Akronym für "fremde bewegliche Sache" war mir bislang nicht bekannt, finde ich aber durchaus witzig :)

LAULAUA

LaulauAC

17.2.2025, 15:46:23

Hier liegt eine taugliche Vortat für die Hehlerei der E vor. Spätestens im Kaufvertrag - eigentlich bereits im Führen von Verkaufsgesprächen - über den Rasenmäher ist bereits eine vollendete Unterschlagung zu sehen. Die Annahme des Rasenmähers im Rahmen des Verfügungsgeschäfts ist dann bereits strafbare Hehlerei.

WY

Wysiati

5.3.2025, 11:27:52

@laulauAC Nach der Enteignungslehre sei die auf die Enteignung bezogene konkrete Gefahr entscheidend. Dieser Ansatz ziehe ein objektives Element mit ein und entspräche damit eher der als Erfolgsdelikt ausgestaltenen Unterschlagung, der keine

überschießende Innentendenz

zukommen soll. Jedoch würde eine Abgrenzung der

Zueignung

von der Sachzerstörung nicht gelingen und dem subjektiven Tatbestand zugewiesen, entgegen dem Ziel, eine objektive Abgrenzung zu finden. Hingegen stelle die Aneignungslehre darauf ab, ob der Täter mit einer wirtschaftlich sinnvollen Nutzung beginnt, es reiche nicht jedes "se ut dominum gerere". Auch diese Ansicht erreiche zwar mehr Objektivität, allerdings keine Abgrenzung zur reinen

Gebrauchsanmaßung

. Demgegenüber sei für die objektive

Zueignung

slehre entscheidend, ob ein objektiver

Zueignung

serfolg eingetreten ist, das heißt der Berechtigte auf Dauer von seinen Nutzungsmöglichkeiten ausgeschlossen und die Sache sich zumindest vorübergehend im Vermögen des Täters oder eines Dritten befindet. Weil sonst die Zeit zwischen unmittelbarem Ansetzen und

Vollendung

sehr lang sein könne, wie bei verliehenen Sachen, die keine wirkliche Abnutzung erfahren, sei für die Enteignungskomponente auf die konkrete Gefahr der Enteignung abzustellen. In Fällen wie dem vorliegenden, wenn kein Eigentumserwerb in Frage kommt, reiche auch der faktische Entzug der Eigentümerbefugnisse aus. Eine solche objektive

Zueignung

, eine konkrete Gefahr des Entzugs der Eigentümerbefugnisse würde durch einen Kaufvertrag noch nicht begründet, vergleiche dafür explizit Rn. 40 der angegebenen Quelle. Es handele sich schließlich erst um eine Willensbetätigung. MüKoStGB/Hohmann, 4. Aufl. 2021, StGB § 246 Rn. 33-40 als exemplarische Quelle, einen Literatur- oder Rechtsprechungsüberblick habe ich jetzt nicht, gerne ergänzen ;)


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