Muss die Vortat vollendet sein?
18. April 2025
8 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

K hat sich bei ihrem Nachbar N einen Rasenmäher ausgeliehen. Sie verkauft und übergibt ihn an die in alles eingeweihte E.
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Einordnung des Falls
Muss die Vortat vollendet sein?
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K hat sich wegen Unterschlagung strafbar gemacht, indem sie E den Rasenmäher übergeben hat (§ 246 Abs. 1 StGB).
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. E könnte sich wegen Hehlerei strafbar gemacht haben, indem sie den Rasenmäher von K annahm (§ 259 Abs. 1 StGB).
Genau, so ist das!
3. War die Unterschlagung der K vollendet, bevor sie E den Rasenmäher übergab?
Nein, das trifft nicht zu!
4. Es ist strittig, ob auch die unvollendete Tat eine taugliche Vortat des § 259 StGB sein kann. Dafür spricht, dass es sonst zu zufälligen Ergebnissen kommen könnte.
Ja!
5. Nach der h.M. muss die Hehlerei der Vortat zeitlich nachfolgen. Dafür spricht der Wortlaut des § 259 StGB.
Genau, so ist das!
6. Wenn man mit der h.M. annimmt, dass die Vortat zeitlich vor der Hehlerei liegen muss, bleibt E straffrei.
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Juraddicted
21.10.2024, 20:59:49

BenKenobi
20.1.2025, 09:49:15
Die
versuchte Hehlereischeitert daran, dass auch nach dem Vorstellungsbild der E (Sichverschaffen einer entliehenen Sache) keine Verwirklichung des objektiven Tatbestands der Hehlerei vorliegt. Das Vorstellungsbild der Täterin deckt sich hier mit den tatsächlichen Umständen, nach denen die Unterschlagung nicht vor der möglichen Hehlerei vollendet wurde. Anders wäre es z.B., wenn E davon ausgehen würde, dass der Vortäter die Sache gestohlen hätte. Dann läge ein
untauglicher Versuchvor.

Thorben
23.1.2025, 19:05:52
Moin zusammen, warum macht sich E "nur" wegen §§ 246, 27 strafbar, nicht aber wegen vollendetem § 246, indem sie sich den Rasenmäher Zueignet und das ja in dem Wissen, das dieser gestohlen wurde? Ich würde prüfen: I. TB 1. Frebesa + 2.
Zueignunga.
Zueignungswille aa. Aneignungswille + (E will sich den Rasenmäher einverleiben) bb. Enteignungswille + (E weiß das sie den wahren Inhaber N dauerhaft verdrängt und will das auch) b. Manifestationshandlung (Ankaufen und behalten) 3.
Rechtswidrigkeit der ZueignungMeiner M + (ich fände es unbillig wenn der Kaufvertrag hier obwohl in dem Wissen geschlossen, das K die Sache sich
rechtswidrigzugeignet hat als Rechtfertigungsgrund dienen würde) 4.
Vorsatz+ Demnach käme ich auf einen vollendeten § 246 Danke und beste Grüße

Simon
6.3.2025, 16:47:40
Eine in der Tat interessante Frage! Früher setzte § 246 I StGB voraus, dass der Täter die Sache in B
esitz oder Gewahrsam hat, sodass für E tatsächlich nur §§ 246 I, 27 StGB in Frage käme (zudem war die Dritt
zueignungnicht strafbar, sodass man hier auch ein Sich-Zueignen durch K konstruieren müsste). Nachdem diese Voraussetzung gemäß dem aktuellen Gesetzeswortlaut ausscheidet, muss die Abgrenzung Täterschaft - Teilnahme nach den allgemeinen Grundsätzen erfolgen. Nach der h.L. (
Tatherrschaftslehre) ist demnach zu fragen, wer das tatbestandmäßige Geschehen planvoll lenkend in den Händen hält, sich als Zentralgestalt des Geschehens darstellt und die Tat nach seinem Willen ablaufen lassen oder hemmen kann. Insofern kommt es m.E. stark auf die Einzelfallumstände an, ob eine täterschaftliche Unterschlagung oder nur eine Teilnahme an einer fremden Unterschlagung vorliegt. Ang
esichts der neueren Rechtsprechung, die einen Unterschlagungserfolg fordert, dürfte § 246 I StGB hier erst mit Übergabe des Rasenmähers an E vollendet sein. Da diese Übergabe einverständlich zwischen K und E erfolgte, hielten beide das tatbestandsmäßige Geschehen planvoll lenkend in den Händen: Eine erfolgreiche Unterschlagung war nämlich sowohl davon abhängig, dass K den Rasenmäher übergab, als auch davon, dass E ihn annahm. M.M.n. kann man daher von einer mittäterschaftlichen Unterschlagung ausgehen (zu dieser Möglichkeit auch Wittig, in: BeckOK-StGB, 64. Ed. Stand: 01.02.2025, § 246 Rn. 15; und Schmidt, in: Matt/Renzikowski, StGB, 2. Aufl. 2020, § 246 Rn. 11). P.S.: "Frebesa" als Akronym für "fremde bewegliche Sache" war mir bislang nicht bekannt, finde ich aber durchaus witzig :)
LaulauAC
17.2.2025, 15:46:23
Hier liegt eine taugliche Vortat für die Hehlerei der E vor. Spätestens im Kaufvertrag - eigentlich bereits im Führen von Verkaufsgesprächen - über den Rasenmäher ist bereits eine vollendete Unterschlagung zu sehen. Die Annahme des Rasenmähers im Rahmen des Verfügungsgeschäfts ist dann bereits strafbare Hehlerei.
Wysiati
5.3.2025, 11:27:52
@laulauAC Nach der Enteignungslehre sei die auf die Enteignung bezogene konkrete Gefahr entscheidend. Dieser Ansatz ziehe ein objektives Element mit ein und entspräche damit eher der als Erfolgsdelikt ausgestaltenen Unterschlagung, der keine
überschießende Innentendenzzukommen soll. Jedoch würde eine Abgrenzung der
Zueignungvon der Sachzerstörung nicht gelingen und dem subjektiven Tatbestand zugewiesen, entgegen dem Ziel, eine objektive Abgrenzung zu finden. Hingegen stelle die Aneignungslehre darauf ab, ob der Täter mit einer wirtschaftlich sinnvollen Nutzung beginnt, es reiche nicht jedes "se ut dominum gerere". Auch diese Ansicht erreiche zwar mehr Objektivität, allerdings keine Abgrenzung zur reinen
Gebrauchsanmaßung. Demgegenüber sei für die objektive
Zueignungslehre entscheidend, ob ein objektiver
Zueignungserfolg eingetreten ist, das heißt der Berechtigte auf Dauer von seinen Nutzungsmöglichkeiten ausgeschlossen und die Sache sich zumindest vorübergehend im Vermögen des Täters oder eines Dritten befindet. Weil sonst die Zeit zwischen unmittelbarem Ansetzen und
Vollendungsehr lang sein könne, wie bei verliehenen Sachen, die keine wirkliche Abnutzung erfahren, sei für die Enteignungskomponente auf die konkrete Gefahr der Enteignung abzustellen. In Fällen wie dem vorliegenden, wenn kein Eigentumserwerb in Frage kommt, reiche auch der faktische Entzug der Eigentümerbefugnisse aus. Eine solche objektive
Zueignung, eine konkrete Gefahr des Entzugs der Eigentümerbefugnisse würde durch einen Kaufvertrag noch nicht begründet, vergleiche dafür explizit Rn. 40 der angegebenen Quelle. Es handele sich schließlich erst um eine Willensbetätigung. MüKoStGB/Hohmann, 4. Aufl. 2021, StGB § 246 Rn. 33-40 als exemplarische Quelle, einen Literatur- oder Rechtsprechungsüberblick habe ich jetzt nicht, gerne ergänzen ;)