Öffentliches Recht
Grundrechte
Glaubens- und Weltanschauungsfreiheit (Art. 4 GG)
Zugangsbeschränkungen zu öffentlichen Ämtern wegen Bekenntnis der Bewerber
Zugangsbeschränkungen zu öffentlichen Ämtern wegen Bekenntnis der Bewerber
21. Mai 2025
6 Kommentare
4,8 ★ (11.168 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A gehört einer afrikanisch-stämmigen religiösen Minderheit an und trägt in deren Sinne auffälligen religiösen Hand- und Kopfschmuck. Nach Erlangen ihres zweiten Staatsexamens bewirbt sie sich als Richterin in Bundesland L. Ihre Einstellung wird trotz sonstiger Eignung mit Verweis auf ihren Schmuck per Verwaltungsakt abgelehnt.
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Einordnung des Falls
Zugangsbeschränkungen zu öffentlichen Ämtern wegen Bekenntnis der Bewerber
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Schutzbereich der Glaubensfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG umfasst es, religiöse Kleidungsvorschriften zu befolgen.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Stellt die Ablehnung der Einstellung von A als Richterin durch L nach dem modernen Eingriffsbegriff einen Eingriff in ihre Glaubensfreiheit dar?
Genau, so ist das!
3. Liegt ein Eingriff nach dem modernen Eingriffsbegriff vor, ist erst recht der Eingriff nach dem klassischen Begriff zu bejahen.
Nein, das trifft nicht zu!
4. Stellt die Ablehnung der Einstellung von A auch einen Eingriff nach dem klassischen Begriff dar?
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Lota Coffee
26.3.2025, 13:09:36
Hallo! :) Mir erschließt sich noch nicht, inwieweit die Ablehnung der Bewerbung der A zum Richteramt in den Schutzbereich der Glaubensfreiheit eingreift. Welches durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG geschützte Verhalten wird denn verkürzt? In Betracht käme doch nur eine Ausübung des Richteramtes bei gleichzeitiger Betätigung der eigenen Religion. Aber wäre das beim Richteramt wegen der Neutralität des Staates ggü. Religionen angezeigt? Wäre nicht vielmehr die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG betroffen? Oder eine Verletzung aus
Art. 3 GGeinschlägig? Immerhin kann A doch ihren Glauben unabhängig von dem VA weiterhin ausleben, nur halt nicht als Richterin arbeiten.

Lota Coffee
28.3.2025, 11:05:49
Jetzt habe ich selbst weitere Aufgaben zu Art. 4 Abs. 1 und 2 GG durchgearbeitet und denke, der Schutzbereich wäre im Sinne der Ausübung der eigenen Religion (Betätigungsfreiheit) auf der Arbeit als Richterin eröffnet. Ich glaube mich stört bei diesem Fall, dass der Job ja noch nicht ausgeübt wurde (anders das Beispiel des Kopftuchverbot nach Wechsel des Vorgesetzten in der
Behörde). Also, dass der Verwaltungsakt an sich vornehmlich überhaupt die Berufsausübung als Richterin verhindert und nicht speziell hierbei die Religionsausübung.

Nadim Sarfraz
15.5.2025, 15:30:02
Hallo Lota Coffee, danke für Deinen Beitrag. Wie Du bereits selbst richtigerweise festgestellt hast, ist der Schutzbereich von Art. 4 GG betroffen. Das schließt aber nicht aus, dass der hoheitliche Akt (in diesem Fall die Ablehnungsentscheidung) nicht auch in den Schutzbereich anderer Grundrechte eingreift. Hier wäre mE durchaus auch ein Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG gegeben. Um die Frage zu beantworten, ob es sich um einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit (nach der 3-Stufen Theorie niedrigschwelligere Rechtfertigungsvoraussetzungen) oder gar in die subjektive Berufswahlfreiheit handelt, bedürfte es allerdings eines komplexeren Sachverhalts. Mit dem Fall wollten wir den Nutzer:innen primär den Unterschied zwischen klassischem und modernen Eingriffsbegriff näherbringen. :) Falls Du die Grundsätze zur Berufsfreiheit vertiefen möchtest, empfehle ich Dir die Einheit zu Art. 12 Abs. 1 GG und insbesondere das grundlegende Apotheker-Urteil v. 11.06.1958, das Du bei der examensrelevanten Rspr. zum öffentlichen Recht unter der Rubrik "Klassiker im Öffentlichen Recht" findest. Liebe Grüße, Nadim für das Jurafuchs-Team