Einschränkung des Schächtens

4. Juli 2025

8 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Muslim M betreibt eine Metzgerei, die Tiere nach islamischem Ritus unbetäubt schlachtet (sog. Schächten), um sie an ebenfalls gläubige Kunden zu verkaufen. Die von ihm beantragte Genehmigung zum unbetäubten Schlachten wird von der zuständigen Behörde B aus Hygienegründen versagt.

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Einordnung des Falls

Einschränkung des Schächtens

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Kultische Handlungen, wie das Schächten, sind als Teil des forum externum von der Glaubensfreiheit geschützt.

Ja!

Die Religionsfreiheit beinhaltet eine innere und äußere Seite. In ihrer äußeren Dimension (forum externum) umfasst sie sowohl die Bekenntnis- als auch die Betätigungsfreiheit. Die Betätigungsfreiheit stellt die ungestörte Ausübung von Religion in Form von Gebräuchen, Handlungen oder Riten sicher. Geschützt ist das Recht des Einzelnen, sein Verhalten gänzlich im Sinne des Glaubens auszurichten. Kultische Handlungen, die religiös motiviert erfolgen, sind als Teil des forum externum von der Religionsfreiheit geschützt.
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2. Das von M praktizierte Schächten ist ein Akt der Religionsausübung und fällt in den Schutzbereich der Glaubensfreiheit.

Genau, so ist das!

Die Glaubensfreiheit schützt in ihrer Ausprägung der Betätigungsfreiheit die ungestörte Ausübung von Religion in Form von Gebräuchen, Handlungen oder Riten. Das Schächten stellt einen Schlachtritus dar, der regelmäßig religiös motiviert erfolgt. Diese Schlachtung unter Einhaltung religiöser Vorschriften fällt jedoch nicht grundsätzlich in den Schutzbereich der Glaubensfreiheit. Ausschlaggebend sind vielmehr Faktoren wie die religiöse Überzeugung und Motivation hinter der Praxis sowie ein religiöser Kontext der Schächtung. M praktiziert das Schächten als gläubiger Muslim, um anderen Muslimen den Verzehr von Fleisch nach den eigenen Religionsvorschriften zu ermöglichen. M schächtet somit aus eigener religiöser Überzeugung. Der Schutzbereich der Glaubensfreiheit ist damit eröffnet. Vorliegend wäre laut BVerfG jedoch vorrangig die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) einschlägig. Da M das Schächten als gläubiger Muslim für seine Metzgerei durchführt, würde die Berufsfreiheit dabei durch den Gehalt der Religionsfreiheit verstärkt. Eine a.A. hält jedoch, wie hier dargestellt, die Glaubensfreiheit für vorrangig.

3. Stellt die Versagung der Ausnahmegenehmigung aus Hygienegründen durch B einen Eingriff in Ms Glaubensfreiheit dar?

Ja, in der Tat!

Der Schutzbereich der Glaubensfreiheit ist betroffen, wenn der Staat eine der geschützten Verhaltensweisen in irgendeiner Weise regelt oder faktisch behindert. Die Versagung der Ausnahmegenehmigung durch B regelt bzw. untersagt die Ausübung von religiös motiviertem Verhalten in Form des Schächtens durch M, welches als religiös motivierte kultische Handlung unter den Schutz der Glaubensfreiheit fällt. Die Versagung stellt somit einen Eingriff in das von Art. 4 Abs. 1 und 2 GG geschützte Recht der religiösen Betätigungsfreiheit dar. Natürlich stellt die Versagung der Genehmigung per Verwaltungsakt (ein mit Zwang und unmittelbar durchsetzbarer Rechtsakt, der die Glaubensfreiheit final einschränkt) durch B auch einen Eingriff im klassischen Sinne dar. Im Rahmen der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung dieses Eingriffs musst Du sodann erörtern, inwiefern die hier geltend gemachte mangelnde Einhaltung von Hygienevorschriften einen solchen Eingriff rechtfertigen kann. Dazu später mehr.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Dogu

Dogu

20.5.2024, 14:49:09

Würde man daneben auch noch einen Eingriff in die Berufsfreiheit als

Berufsausübungsregelung

prüfen oder tritt diese subsidiär hinter die Glaubensfreiheit in diesem Fall zurück?

LELEE

Leo Lee

21.5.2024, 08:00:55

Hallo Dogu, vielen Dank für die sehr gute Frage! In der Tat besteht zw. den Freiheitsrechten grds. Idealkonkurrenz (natürlich mit Ausnahme derjenigen Grundrechte, die allgemeiner sind etwa 2 I GG oder Art. 5 I GG gegenüber 5 III GG). Auch zw. der Berufsfreiheit und Religionsfreiheit besteht also Idealkonkurrenz, weshalb eine Prüfung diesbzgl. sehr wohl stattfinden kann. Da jedoch die Rechtfertigung dann ähnlich ausfallen wird, wird man i.R.d. Vhmk viel nach oben verweisen können. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom BeckOK-GG, Schemmer Art. 5 Rn. 96 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Dogu

Dogu

21.5.2024, 11:47:43

Danke.

KR

Kristen

7.5.2025, 16:53:47

Ich bin mir recht sicher, dass ich die gleiche Aufgabe bereits schon mal bearbeitet habe aber die Antworten dort, mE auch genau falsch herum, anders ausgefallen sind. Vielleicht hat sich hier ein Fehler eingeschlichen?!

Kira

Kira

21.5.2025, 13:35:19

Genau wie @[Kristen](298004) anführt wurde zuvor der Schutzbereich als nicht eröffnet betrachtet, weil der Metzger nicht im Sinne seiner Religion, sondern im Sinne des Verkaufs schächtet.

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

15.6.2025, 09:46:29

Hallo @[Kristen](298004), hallo @[Kira](135227), Ihr meint vermutlich

diesen Fall

hier: https://applink.jurafuchs.de/crR3VLOhdUb. Dort war der Metzger selbst allerdings ausdrücklich nicht religiös, in unserem Fall hier ist er praktizierender Muslim. Das wird man bei der Argumentation zum Schutzbereich des Art 4 I, II GG berücksichtigen müssen, insbesondere wenn der Metzger (auch) zur Eigennutzung schlachtet. Es ist zumindest sehr gut vertretbar, dass sich wegen dieses Unterschieds auch das Ergebnis der Schutzbereichsprüfung ändert, denn man wird schon einen Unterschied darin sehen können, ob jemand bestimmte Handlungen auch aus eigenen religiösen Motiven heraus vornimmt oder ohne solche Motive allein aus sonstigen (dann: beruflichen) Gründen handelt. Einzelheiten sind dann natürlich vom konkreten Fall abhängig. Wir haben übrigens auch noch einen weiteren, ähnlichen Fall im Programm: https://applink.jurafuchs.de/lU3odWPldUb. Dort kam es auf die (Nicht-)Religiosität des Metzgers allerdings nicht näher an, sondern es ging allein um die Perspektive der Kunden. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

LEO12

Leo123!

8.5.2025, 19:32:56

Auf welche rechtliche Grundlage beruft sich die zuständige Behörde im zugrundeliegenden Falle?

dolo agitation

dolo agitation

17.6.2025, 15:36:10

Im vorliegenden Fall hat der Metzger eine Ausnahmegenehmigung für eine Abweichung vom Grundsatz des §4a Abs. 1 TierSchG beantragt. Maßgeblich für eine solche ist § 4a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG.


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