Einschränkung des Schächtens

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Muslim M betreibt eine Metzgerei, die Tiere nach islamischem Ritus unbetäubt schlachtet (sog. Schächten), um sie an ebenfalls gläubige Kunden zu verkaufen. Die von ihm beantragte Genehmigung zum unbetäubten Schlachten wird von der zuständigen Behörde B aus Hygienegründen versagt.

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Einordnung des Falls

Einschränkung des Schächtens

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Kultische Handlungen, wie das Schächten, sind als Teil des forum externum von der Glaubensfreiheit geschützt.

Ja!

Die Religionsfreiheit beinhaltet eine innere und äußere Seite. In ihrer äußeren Dimension (forum externum) umfasst sie die Bekenntnis-, als auch Betätigungsfreiheit. Die Betätigungsfreiheit stellt die ungestörte Ausübung von Religion in Form von Gebräuchen, Handlungen oder Riten sicher. Geschützt ist das Recht des Einzelnen, sein Verhalten gänzlich im Sinne des Glaubens auszurichten. Kultische Handlungen, die religiös motiviert erfolgen, sind als Teil des forum externum von der Religionsfreiheit geschützt.
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2. Das von M praktizierte Schächten ist ein Akt der Religionsausübung und fällt in den Schutzbereich der Glaubensfreiheit.

Genau, so ist das!

Die Glaubensfreiheit schützt in ihrer Ausprägung der Betätigungsfreiheit die ungestörte Ausübung von Religion in Form von Gebräuchen, Handlungen oder Riten. Das Schächten stellt einen Schlachtritus dar, der regelmäßig religiös motiviert erfolgt. Diese Schlachtung unter Einhaltung religiöser Vorschriften fällt jedoch nicht grundsätzlich in den Schutzbereich der Glaubensfreiheit. Ausschlaggebend sind vielmehr Faktoren wie die religiöse Überzeugung und Motivation hinter der Praxis sowie ein religiöser Kontext der Schächtung.M praktiziert das Schächten als gläubiger Muslim, um anderen Muslimen den Verzehr von Fleisch nach den eigenen Religionsvorschriften zu ermöglichen. M schächtet somit aus eigener religiöser Überzeugung. Der Schutzbereich der Glaubensfreiheit ist damit eröffnet. Vorliegend wäre laut BVerfG jedoch vorrangig die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) einschlägig. Da M das Schächten als gläubiger Muslim für seine Metzgerei durchführt, würde die Berufsfreiheit dabei durch den Gehalt der Religionsfreiheit verstärkt. Eine andere Ansicht hält jedoch, wie hier dargestellt, die Glaubensfreiheit für vorrangig.

3. Stellt die Versagung der Ausnahmegenehmigung aus Hygienegründen durch B einen Eingriff in Ms Glaubensfreiheit dar?

Ja, in der Tat!

Der Schutzbereich der Glaubensfreiheit ist betroffen, wenn der Staat eine der geschützten Verhaltensweisen in irgendeiner Weise regelt oder faktisch behindert. Die Versagung der Ausnahmegenehmigung durch B regelt bzw. untersagt die Ausübung von religiös motiviertem Verhalten in Form des Schächtens durch M, welches als religiös motivierte kultische Handlung unter den Schutz der Glaubensfreiheit fällt. Die Versagung stellt somit einen Eingriff in das von Art. 4 Abs. 1 und 2 GG geschützte Recht der religiösen Betätigungsfreiheit dar. Natürlich stellt die Versagung der Genehmigung per Verwaltungsakt (ein mit Zwang und unmittelbar durchsetzbarer Rechtsakt, der die Glaubensfreiheit final einschränkt) durch B auch einen Eingriff im klassischen Sinne dar. Im Rahmen der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung dieses Eingriffs musst Du sodann erörtern, inwiefern die hier geltend gemachte mangelnde Einhaltung von Hygienevorschriften einen solchen Eingriff rechtfertigen kann. Dazu später mehr.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Dogu

Dogu

20.5.2024, 14:49:09

Würde man daneben auch noch einen Eingriff in die Berufsfreiheit als

Berufsausübungsregelung

prüfen oder tritt diese subsidiär hinter die Glaubensfreiheit in diesem Fall zurück?

LELEE

Leo Lee

21.5.2024, 08:00:55

Hallo Dogu, vielen Dank für die sehr gute Frage! In der Tat besteht zw. den Freiheitsrechten grds. Idealkonkurrenz (natürlich mit Ausnahme derjenigen Grundrechte, die allgemeiner sind etwa 2 I GG oder Art. 5 I GG gegenüber 5 III GG). Auch zw. der Berufsfreiheit und Religionsfreiheit besteht also Idealkonkurrenz, weshalb eine Prüfung diesbzgl. sehr wohl stattfinden kann. Da jedoch die Rechtfertigung dann ähnlich ausfallen wird, wird man i.R.d. Vhmk viel nach oben verweisen können. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom BeckOK-GG, Schemmer Art. 5 Rn. 96 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Dogu

Dogu

21.5.2024, 11:47:43

Danke.


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