Öffentliches Recht

Verwaltungsrecht AT

Der öffentlich-rechtliche Vertrag

Abgrenzung öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Vertrag (Gegenstandstheorie)

Abgrenzung öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Vertrag (Gegenstandstheorie)

30. Mai 2025

2 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A baut eine große Gartenlaube ohne die erforderliche Baugenehmigung. Baubehörde B verabredet mit A, dass B von dem Erlass einer Beseitigungsverfügung absehen wird; A erklärt sich im Gegenzug bereit, die Gartenlaube so umzubauen, dass ein größerer Abstand zum Nachbargrundstück besteht.

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Einordnung des Falls

Abgrenzung öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Vertrag (Gegenstandstheorie)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hat B einen Verwaltungsakt gegenüber A erlassen?

Nein, das trifft nicht zu!

Zwar ist das häufigste Handlungsinstrument der Verwaltung der Erlass eines Verwaltungsakts. Allerdings kann die Behörde auch privatrechtliche sowie öffentlich-rechtliche Verträge abschließen. Unter einem öffentlich-rechtlichen Vertrag i.S.d. § 54 VwVfG versteht man einen verwaltungsrechtlichen Vertrag, durch den ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts begründet, geändert oder aufgehoben wird. Der Unterschied zum Verwaltungsakt besteht darin, dass die Behörde nicht einseitig handelt, sondern zwei übereinstimmende Willenserklärungen vorliegen. Dies ermöglicht ein flexibleres Handeln der Verwaltung. Hier haben A und B einen Vertrag geschlossen, indem sie korrespondierende Willenserklärungen abgegeben haben. Es liegt kein Verwaltungsakt vor.
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2. Schließt die Verwaltung einen Vertrag, so ist dieser immer öffentlich-rechtlicher Natur.

Nein!

Die Verwaltung kann auch privatrechtliche Verträge abschließen. Die Abgrenzung, ob es sich um einen öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Vertrag handelt, ist zum einen entscheidend dafür, welcher Rechtsweg für eine Streitigkeit um den Vertrag eröffnet ist (vgl. § 40 S. 1 VwGO). Zum anderen entscheidet die Rechtsnatur des Vertrags darüber, ob der Vertrag nach den (teilweise strengeren) Vorschriften der §§ 54ff. VwVfG beurteilt werden oder sich der Vertrag ausschließlich nach dem bürgerlichen Recht richtet.

3. Für die Zuordnung eines Vertrags zum öffentlichen oder privaten Recht kommt es entscheidend auf den Gegenstand des Vertrags an.

Genau, so ist das!

Zur Unterscheidung, ob ein privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Vertrag vorliegt, kommt es darauf an, ob der Vertragsgegenstand dem öffentlichen oder dem bürgerlichen Recht zuzuordnen ist. Im Rahmen einer Abgrenzung muss der Frage nachgegangen werden, ob das öffentliche Recht den Gegenstand des Vertrags – also die im Vertrag geregelten Rechte und Pflichten – prägt (sog. Gegenstandstheorie). Der subjektive Wille der Parteien ist hingegen kein zulässiges Abgrenzungskriterium. Der Wille der Parteien ist ausnahmsweise nur dann entscheidend, wenn der Behörde eine Wahlfreiheit bezüglich der Rechtsnatur ihres Handelns eingeräumt ist, sie sich also entscheiden kann, ob sie öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich handelt.

4. Ist der Gegenstand des Vertrags zwischen A und B – also die geregelten Rechte und Pflichten – geprägt durch das öffentliche Recht, mit der Folge, dass es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag handelt?

Ja, in der Tat!

Ein Vertrag ist dann öffentlich-rechtlich, wenn der Vertragsgegenstand dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist. Dies ist dann der Fall, wenn das öffentliche Recht den Gegenstand des Vertrags – also die im Vertrag geregelten Rechte und Pflichten – prägt (sog. Gegenstandstheorie). Gegenstand des Vertrags sind das Absehen von einer baurechtlichen Beseitigungsverfügung und die Verpflichtung zur Einhaltung größerer Abstände zur Nachbarbebauung. Der Erlass bzw. das Absehen vom Erlass einer Baubeseitigungsverfügung sowie die baurechtlichen Abstände richten sich nach dem jeweils einschlägigen landesrechtlichen Bauordnungsrecht (vgl. z.B. § 79 Abs. 1 S. 1, 2 Nr. 4 NBauO, § 82 Abs. 1 S. 1 BauO NRW, § 65 Abs. 1 S. 1 LBO). Die Rechte und Pflichten des Vertrags sind damit geprägt durch Vorschriften des öffentlichen Rechts. Der Vertrag zwischen A und B ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag. Die §§ 54ff. VwVfG finden Anwendung. Zur Bestimmung, ob das öffentliche Recht die Rechten und Pflichten des Vertrags prägt, kann vertiefend zurückgegriffen werden auf die Zuordnungstheorien, die zu § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO entwickelt wurden, also insb. die modifizierte Subjektstheorie.
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Eine Besprechung von:
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