Referendariat

Die ZVR-Klausur

Einführung

Verstrickung und Pfändungspfandrecht und Versteigerung bei schuldnereigener Sache

Verstrickung und Pfändungspfandrecht und Versteigerung bei schuldnereigener Sache

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Auf Antrag der Vollstreckungsgläubigerin H hat der Gerichtsvollzieher die Münzsammlung des Vollstreckungsschuldners K durch Anbringen eines Pfandsiegels gepfändet. Bei der öffentlichen Versteigerung der Münzsammlung erhält der Meistbietenden M den Zuschlag. ‌

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Einordnung des Falls

Verstrickung und Pfändungspfandrecht und Versteigerung bei schuldnereigener Sache

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Durch die wirksame Pfändung der Münzsammlung ist Verstrickung eingetreten.

Ja!

Eine wirksame Pfändung führt zur Verstrickung des gepfändeten Gegenstands. Mangels anderer Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass die Pfändung wirksam war. Daher ist Verstrickung eingetreten. Auch eine fehlerhaft durchgeführte Pfändung ist grundsätzlich wirksam, wenn auch anfechtbar. Eine Pfändung ist nur dann unwirksam bzw. nichtig, wenn sie an einem besonders schweren Verfahrensfehler leidet.
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2. Die Verstrickung soll die nachfolgende Zwangsvollstreckung sichern. Kann K also trotz der Pfändung uneingeschränkt über die Münzsammlung verfügen (siehe §§ 135, 136 BGB)?

Nein, das ist nicht der Fall!

Verstrickung bedeutet, dass in Bezug auf eine gepfändete Sache ein öffentlich-rechtliches Gewaltverhältnis zum Zwecke der Zwangsvollstreckung besteht. Durch die Verstrickung verliert der Vollstreckungsschuldner die Verfügungsbefugnis über den gepfändeten Gegenstand (§§ 135, 136 BGB). Durch die Verstrickung hat K die Verfügungsbefugnis über die Münzsammlung verloren. Er kann die Münzsammlung nur dann wirksam an einen Dritten übereignen, wenn dieser gutgläubig in Bezug auf seine fehlende Verfügungsbefugnis ist (§§ 135 Abs. 2, 136 BGB). Ferner macht sich K durch eine solche Verfügung strafbar (§ 136 Abs. 1 StGB).

3. An der Münzsammlung könnte ein Pfändungspfandrecht entstanden sein (§ 804 Abs. 1 ZPO).

Ja, in der Tat!

Nach § 804 Abs. 1 ZPO erwirbt der Vollstreckungsgläubiger durch eine Pfändung ein Pfandrecht an dem gepfändeten Gegenstand. Die Voraussetzungen, unter denen ein Pfändungspfandrecht entsteht, sind umstritten. Nach der gemischten Theorie (h.M. + BGH) entsteht ein Pfändungspfandrecht, wenn (1) Verstrickung eingetreten ist (kein schwerwiegender Verfahrensfehler vorliegt), (2) die titulierte Forderung besteht, (3) der Schuldner der Eigentümer der gepfändeten Sache ist und (4) die wesentlichen Vollstreckungsvoraussetzungen eingehalten worden sind. An der Münzsammlung des K ist Verstrickung eingetreten. Mangels anderer Angaben ist davon auszugehen, dass die titulierte Forderung besteht und die wesentlichen Vollstreckungsvoraussetzungen eingehalten worden sind. Innerhalb der gemischten Theorie ist wiederum umstritten, welche „wesentlichen Verfahrensvoraussetzungen“ erfüllt sein müssen.

4. Nach der gemischten Theorie (h.M. + BGH) kann der Meistbietende auf der öffentlichen Versteigerung nur Eigentum an der gepfändeten Sache erlangen, wenn diese verstrickt war. Konnte M also nur Eigentum erwerben, wenn auch ein Pfandrecht an der Münzsammlung bestand?

Nein!

Mache Dir immer wieder bewusst, was genau Du gerade prüfst und unterscheide sauber zwischen der Verstrickung und dem Pfandrecht. Nach der gemischten Theorie (h.M. + BGH) ist die Verstrickung die Grundlage für die Versteigerung des gepfändeten Gegenstands. In der Versteigerung wird dem Meistbietenden, dem der Zuschlag erteilt wurde (§ 817 Abs. 1 ZPO), die ersteigerte Pfandsache gegen Bezahlung der gebotenen Summe übergeben (§ 817 Abs. 2 ZPO). Durch diese Übergabe erwirbt der Meistbietende jedoch nur dann das Eigentum an der Pfandsache (= Eigentumserwerb durch Hoheitsakt), wenn diese auch verstrickt war. Der Eigentumserwerb erfolgt somit unabhängig davon, ob ein Pfändungspfandrecht bestanden hat. Das Pfändungspfandrecht bildet dagegen die Grundlage (Rechtsgrund) dafür, dass der Vollstreckungsgläubiger den Versteigerungserlös auch behalten darf. Durch das Pfändungspfandrecht wird der Versteigerungserlös „kondiktionsfest“.

5. Durch den Zuschlag hat M das Eigentum an der Münzsammlung erworben (§ 817 Abs. 1 S. 3 ZPO, § 156 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Durch den Zuschlag entsteht zunächst nur ein öffentlich-rechtlicher, kaufähnlicher Vertrag (§ 817 Abs. 1 S. 3 ZPO, § 156 BGB), der für den Meistbietenden einen Anspruch auf Übertragung des Eigentums begründet (= Verpflichtungsgeschäft). Nach einer öffentlichen Versteigerung wird dem Meistbietenden gegen Bezahlung der gebotenen Summe die ersteigerte Pfandsache übergeben (§ 817 Abs. 2 ZPO). Der Eigentumsübergang an der Pfandsache erfolgt nach § 817 Abs. 2 ZPO (= Eigentumserwerb durch Hoheitsakt), sofern diese verstrickt war. Durch den Zuschlag hat M noch kein Eigentum erworben. M erwirbt erst dann das Eigentum an der (verstrickten) Münzsammlung, wenn ihm diese gegen Bezahlung der gebotenen Summe übergeben wird.

6. Nach der Versteigerung muss der Gerichtsvollzieher den Erlös an Vollstreckungsgläubigerin H auszahlen. Erwirbt diese dann Eigentum an dem Geld?

Ja, in der Tat!

Durch die Auszahlung des Versteigerungserlöses an den Vollstreckungsgläubiger (sog. Erlösauskehr) erwirbt der Vollstreckungsgläubiger das Eigentum am Erlös und es tritt Erfüllung in Bezug auf die titulierte Forderung ein. Damit bildet die Erlösauskehr das Ende der Zwangsvollstreckung. Sobald H den Verstiegerungserlös erhalten hat (= Eigentumserwerb), erlischt ihre Forderung gegen K. Etwas irreführend mag hier § 819 HS 1 ZPO erscheinen. Die Norm bestimmt zwar, dass bereits die Empfangnahme des Erlöses durch den Gerichtsvollzieher als Zahlung von Seiten des Schuldners gilt. Nach h.M. wird hierdurch jedoch nicht der Erfüllungszeitpunkt festgelegt, sondern es handelt sich um eine Gefahrtragungsregelung.
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