Stichproben bei größeren Warenmengen

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K kauft für ihr Restaurant 20 Dosen Kaviar von Großhändler G. G liefert versehentlich nur 15 Dosen Kaviar und 5 von einem Kaviar-Imitat aus Agar-Agar. K öffnet zwei Dosen, in denen sich zufällig nur der echte Kaviar befindet. Als K die Verwechslung zwei Monate später bemerkt, meldet sie dies sofort G.

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Einordnung des Falls

Stichproben bei größeren Warenmengen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Liegt ein Sachmangel i.S.d. § 434 BGB vor?

Ja, in der Tat!

Das HGB enthält keinen selbstständigen Mangelbegriff. Auch beim Handelskauf bleibt es also beim allgemeinen kaufrechtlichen Mangelbegriff des BGB (vgl. § 434 BGB). Danach ist eine Sache frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven, den objektiven und den Montageanforderungen entspricht (§ 434 Abs. 1 BGB). Das Kaviar-Imitat aus Agar-Agar weicht von der üblichen Beschaffenheit (§ 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 lit. a) BGB) ab. Dieser Mangel lag auch schon bei Gefahrenübergang vor.
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2. Ks Gewährleistungsansprüche könnten aber entfallen sein, wenn er mit seiner Meldung nach zwei Monaten gegen seine Rügeobliegenheit verstoßen hat (§ 377 HGB).

Ja!

Der Verstoß gegen die Rügeobliegenheit führt zum Verlust der Gewährleistungsrechte. Dies setzt voraus: (1) Handelskauf im Sinne eines beidseitigen Handelsgeschäfts (§ 343 Abs. 1 HGB), (2) Ablieferung der Ware, (3) Mangelhaftigkeit der Ware (§ 434 f. BGB), (4) Unterlassung der gebotenen Rüge (§ 377 Abs. 1, Abs. 3 HGB), (5) kein Ausschluss der Rügeobliegenheit (§ 377 Abs. 5 HGB)

3. Liegt ein Handelskauf im Sinne eines beidseitigen Handelsgeschäfts (vgl. § 343 Abs. 1 HGB) vor?

Genau, so ist das!

Der Handelskauf ist ein Handelsgeschäft im Sinne des § 343 Abs. 1 HGB in Form eines Kaufvertrags (§ 433 BGB) über eine Ware, also eine bewegliche Sache. Handelsgeschäfte sind alle Geschäfte eines Kaufmanns, die zum Betriebe seines Handelsgewerbes gehören (§ 343 Abs. 1 HGB). Bei einem beidseitigen Handelsgeschäft sind beide Vertragsparteien Kaufleute. G und K sind beide Kaufleute. Sie haben einen Kaufvertrag über 20 Dosen Kaviar, also über bewegliche Sachen geschlossen. Diese gehören auch zu Vs und Ks Handelsgewerbe. Es liegt ein Handelskauf im Sinne eines beidseitiges Handelsgeschäft vor.

4. Die Ware wurde abgeliefert.

Ja, in der Tat!

Für die Ablieferung muss der Käufer in eine tatsächliche räumliche Beziehung zu der Ware kommen. Nur so kann der Käufer auch die Beschaffenheit der Kaufsache prüfen. Laut Sachverhalt wurde der Kaviar (und das Imitat) „abgeliefert“ i.S.d. § 377 Abs. 1 HGB.

5. Um Gewährleistungsansprüche geltend machen zu können, müsste K den Mangel ordnungsgemäß gerügt haben i.S.d. § 377 HGB.

Ja!

Eine ordnungsgemäße Rüge setzt (1) die Anzeige des Mangels und (2) die Rechtzeitigkeit der Anzeige voraus. Indem K der V die Verwechslung mitgeteilt hat, hat sie ihn „angezeigt“ i.S.d. § 377 Abs. 1 HGB. Problematisch ist, ob dies auch rechtzeitig geschehen ist. Die Rüge selbst ist eine geschäftsähnliche Handlung, auf welche die Regeln über Willenserklärungen zum großen Teil analog anwendbar sind.

6. Maßgeblich für die Bestimmung der Rügefrist ist die Frage, ob ein offener oder ein versteckter Mangel vorliegt.

Genau, so ist das!

Offene Mängel treten bei einer Untersuchung, die den Anforderungen des § 377 Abs. 1 HGB entspricht, sofort zutage. Sie sind regelmäßig innerhalb von bis zu einer Woche zu rügen (§ 377 Abs. 1 HGB). Verdeckte Mängel werden bei einer ordnungsgemäßen Untersuchung nicht entdeckt oder wären auch bei einer hypothetischen Untersuchung mit Sicherheit nicht entdeckt worden. Sie sind unverzüglich (vgl. § 121 Abs. 1 S. 1 BGB) nach der tatsächlichen Entdeckung zu rügen (§ 377 Abs. 3 HGB). Hätte K alle Dosen sofort geöffnet, hätte sie feststellen können, dass ¼ der Dosen mangelhaft sind. Fraglich ist jedoch, ob dies im Rahmen einer ordnungsgemäßen Untersuchung i.S.d. § 377 Abs. 1 HGB von K verlangt werden kann. Anhaltspunkte für die Grenzen der Zumutbarkeit bilden vor allem der für eine Überprüfung erforderliche Kosten- und Zeitaufwand, die dem Käufer zur Verfügung stehenden technischen Prüfungsmöglichkeiten, das Erfordernis eigener technischer Kenntnisse für die Durchführung der Untersuchung beziehungsweise die Notwendigkeit, die Prüfung von Dritten vornehmen zu lassen .

7. Konnte von K innerhalb einer ordnungsgemäßen Untersuchung i.S.d. § 377 Abs. 1 HGB verlangt werden, dass sie alle Dosen öffnet?

Nein, das trifft nicht zu!

Welche Anforderungen an eine ordnungsgemäße Untersuchung zu stellen sind, ist eine Frage des Einzelfalls. Es ist darauf abzustellen, welche Maßnahmen einem ordentlichen Kaufmann im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen des Verkäufers zugemutet werden können. Bei größeren Warenmengen sind Kontrollen durch Stichproben erforderlich und ausreichend. Das Öffnen einer Dose führt zur Unverkäuflichkeit. K war es deshalb nicht zumutbar, jede Dose zu öffnen und zu kontrollieren. K ist somit mit dem Öffnen von zwei Dosen ihrer Untersuchungsobliegenheit ordnungsgemäß nachgekommen. Wie groß die Stichprobe sein muss, hängt vom Einzelfall ab. Der BGH hat schon Stichproben von 0,2% der Gesamtmenge für ordnungsgemäß erklärt.

8. K ist ihrer Rügeobliegenheit rechtzeitig i.S.d. § 377 Abs. 3 HGB nachgekommen.

Ja!

Verdeckte Mängel sind solche, die bei einer ordnungsgemäßen Untersuchung nicht entdeckt wurden bzw. die bei einer hypothetisch erfolgten Untersuchung mit Sicherheit nicht entdeckt worden wären. Sie sind unverzüglich (vgl. § 121 Abs. 1 S. 1 BGB) nach der tatsächlichen Entdeckung zu rügen (§ 377 Abs. 3 HGB). K hat den Mangel bei ihrer ordnungsgemäßen Untersuchung nicht erkannt. Es liegt also ein verdeckter Mangel vor. Als K diesen erkannt hat, hat sie den Mangel unverzüglich gerügt. Sie kann also Gewährleistungsrechte geltend machen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

HannaHaas

HannaHaas

2.2.2024, 12:23:56

Ist nur ein Flüchtigkeitsfehler, aber in dem Kapitel steht bei den Fragen, ob ein Handelskauf vorliegt wiederholt § 343 BGB statt HGB. Liebe Grüße :)

LELEE

Leo Lee

3.2.2024, 13:01:19

Hallo Rébecca Haas, vielen Dank für den Hinweis; auch ein Flüchtigkeitsfehler ist ein Fehler :D! Wir haben den Fehler nun korrigiert und danken dir vielmals dafür, dass du uns dabei hilfst, die App zu perfektionieren und freuen uns auf weitere Feedbacks von dir! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

ZMOU

ZMou

13.2.2024, 20:24:17

Hey, den Flüchtigkeitsfehler habe ich auch gesehen, ist noch nicht ganz behoben. Er ist noch 2x in einer Frage zu finden, 1x in einer Erklärung und 1x im Klausurhinweis :) LG


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