+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K betreibt ein Bürofachgeschäft. Für dieses kauft sie von Großhändler G zehn Bürostühle. Als G diese liefert, erkennt Ks Vertreterin V direkt, dass diese eine fehlerhaft vernähte Sitzpolsterung haben. Dies rügt sie sofort mündlich gegenüber G. K selbst rügt nicht nochmal gegenüber G.
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Einordnung des Falls
Anforderungen an die Mängelrüge
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Liegt ein Mangel i.S.d. § 434 BGB vor?
Ja!
Das HGB enthält keinen selbstständigen Mangelbegriff. Auch beim Handelskauf bleibt es also beim allgemeinen kaufrechtlichen Mangelbegriff des BGB (vgl. § 434 BGB). Danach ist eine Sache frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven, den objektiven und den Montageanforderungen entspricht (§ 434 Abs. 1 BGB). Hier liegt jedenfalls eine Abweichung von der üblichen Beschaffenheit und damit den objektiven Anforderungen i.S.d. § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 lit. a) BGB vor. Dieser Mangel lag auch schon bei Gefahrenübergang vor.
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2. Damit K auch Gewährleistungsansprüche geltend machen kann, müsste sie ihrer Rügeobliegenheit nachgekommen sein (vgl. § 377 Abs. 2 HGB).
Genau, so ist das!
Die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen setzt voraus, dass der Käufer seine Rügeobliegenheit erfüllt hat. Denn der Verstoß gegen die Rügeobliegenheit führt dazu, dass die Ware als genehmigt gilt und damit Gewährleistungsrechte entfallen (§ 377 Abs. 2 HGB). Dies setzt voraus:
(1) Handelskauf im Sinne eines beidseitigen Handelsgeschäfts (§ 343 Abs. 1 HGB),
(2) Ablieferung der Ware,
(3) Mangelhaftigkeit der Ware (§ 434 f. BGB),
(4) Unterlassung der gebotenen Rüge (§ 377 Abs. 1, Abs. 3 HGB),
(5) kein Ausschluss der Rügeobliegenheit (§ 377 Abs. 5 HGB)
3. Liegt ein Handelskauf im Sinne eines beidseitigen Handelsgeschäfts (vgl. § 343 Abs. 1 HGB) vor?
Ja, in der Tat!
Der Handelskauf ist ein Handelsgeschäft im Sinne des § 343 Abs. 1 HGB in Form eines Kaufvertrags (§ 433 BGB) über eine Ware, also eine bewegliche Sache. Handelsgeschäfte sind alle Geschäfte eines Kaufmanns, die zum Betriebe seines Handelsgewerbes gehören (§ 343 Abs. 1 HGB). Bei einem beidseitigen Handelsgeschäft sind beide Vertragsparteien Kaufleute. G und K sind beide Kaufleute. Sie haben einen Kaufvertrag über zehn Bürostühle geschlossen, also über bewegliche Sachen. Diese gehören auch zu Gs und Ks Handelsgewerbe. Es liegt ein Handelskauf im Sinne eines beidseitiges Handelsgeschäft vor.
4. Die Ware wurde abgeliefert.
Ja!
Für die Ablieferung muss der Käufer in eine tatsächliche räumliche Beziehung zu der Ware kommen. Nur so kann der Käufer auch die Beschaffenheit der Kaufsache prüfen. G hat die Stühle „geliefert“ i.S.d. § 377 Abs. 1 HGB auszugehen.
5. Um Gewährleistungsansprüche geltend machen zu können, müsste K den Mangel ordnungsgemäß gerügt haben i.S.d. § 377 HGB.
Genau, so ist das!
Eine ordnungsgemäße Rüge setzt
(1) die Anzeige des Mangels und
(2) die Rechtzeitigkeit der Anzeige voraus. Die Rüge selbst ist eine geschäftsähnliche Handlung, auf welche die Regeln über Willenserklärungen zum großen Teil analog anwendbar sind.
6. K kann den Mangel nur persönlich rügen.
Nein, das trifft nicht zu!
Die Mangelrüge ist eine geschäftsähnliche Handlung, auf welche die Regeln über Willenserklärungen zum großen Teil analog anwendbar sind. Das gilt auch für die Vorschriften zur Stellvertretung (§§ 164ff. BGB). Der Kaufmann muss also nicht persönlich rügen, sondern kann sich dabei auch vertreten lassen. V gibt eine eigene Erklärung im Namen der K ab, wozu sie auch berechtigt ist. Sie ist insoweit Stellvertreterin der K und kann als solche auch für K die Mängelrüge erklären. K muss also nicht selbst nochmal gegenüber G rügen. Je nach Sachverhalt musst Du an dieser Stelle mehr oder minder ausführlich die Merkmale einer wirksamen Stellvertretung prüfen.
7. Die Mangelrüge unterliegt einem Schriftformerfordernis.
Nein!
Die Rüge ist nicht formgebunden. Vertreterin V hat direkt (mündlich) gegenüber G gerügt. Dies ist ohne weiteres zulässig. Auch die restlichen Anforderungen an die Rüge, insbesondere die Unverzüglichkeit der Rüge (vgl. § 121 Abs. 1 BGB) sind durch die sofortige Meldung erfüllt. V hat für K ordnungsgemäß gerügt. Aus Beweisgründen wird die Rüge aber in der Praxis regelmäßig schriftlich oder elektronisch erfolgen. Ein Schriftformerfordernis kann auch in AGB vorgeschrieben werden.
8. K kann also gegenüber G ihre Gewährleistungsrechte geltend machen (vgl. §§ 434, 437 BGB)?
Genau, so ist das!
Rügt der Käufer ordnungsgemäß, behält er die aus dem Kaufrecht bekannten Gewährleistungsansprüche. Tut er dies nicht, „gilt die Ware als genehmigt“ (§ 377 Abs. 2 HGB). Der Käufer hat dann wegen des Mangels, aber auch wegen auf dem Mangel beruhender Schäden, keine Rechte. Ansprüche, die nicht auf dem Mangel beruhen, bleiben dagegen unberührt. K hat ordnungsgemäß gerügt. Sie behält somit ihre kaufrechtlichen Gewährleistungsrechte.