Abwandlung 1

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

TikToker T beginnt mal wieder ohne Baugenehmigung mit den Bauarbeiten eines Wohnhauses in Hannover. Der Mitarbeiter B der zuständigen Baubehörde will pünktlich um 12 Feierabend machen und ist ein großer Bewunderer von T. Er ordnet deshalb keine Baueinstellungsverfügung an.

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Einordnung des Falls

Abwandlung 1

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Taugliche Ermächtigungsgrundlage für die Baueinstellungsverfügung ist § 79 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Alt. 1 NBauO.

Ja!

Gemäß § 79 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Alt. 1 NBauO kann die Bauaufsichtsbehörde die Einstellung rechtswidriger Arbeiten verlangen, wenn bauliche Anlagen, Grundstücke, Bauprodukte oder Baumaßnahmen dem öffentlichen Baurecht widersprechen.
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2. Der Tatbestand der Baueinstellungsverfügung (§ 79 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Alt. 1 NBauO) ist erfüllt, wenn T ohne Baugenehmigung mit den Bauarbeiten eines genehmigungsbedürftigen Vorhabens beginnt.

Genau, so ist das!

Der Tatbestand der Baueinstellungsverfügung setzt voraus, dass das betroffene Vorhaben dem öffentlichen Baurecht widerspricht. Ein Widerspruch zum öffentlichen Baurecht besteht dann, wenn das Vorhaben baurechtswidrig ist. Dabei wird differenziert zwischen formeller Baurechtswidrigkeit (formelle Illegalität) und materieller Baurechtswidrigkeit (materielle Illegalität). Für den Erlass einer Baueinstellungsverfügung genügt bereits die formelle Illegalität. Formell illegal ist ein Vorhaben, wenn die verfahrensrechtlichen Vorschriften über die Zulassungsbedürftigkeit nicht beachtet worden sind.T hat ohne Baugenehmigung mit dem Bau eines genehmigungsbedürftigen Vorhabens begonnen, sodass formelle Illegalität gegeben ist. Der Tatbestand der Ermächtigungsgrundlage ist damit erfüllt.

3. Bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der Baueinstellungsverfügung (§ 79 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Alt. 1 NBauO) muss die Behörde die Einstellung von Bauarbeiten anordnen (gebundene Entscheidung).

Nein, das trifft nicht zu!

Gemäß § 79 Abs. 1 NBauO kann die Bauaufsichtsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen anordnen. Damit räumt die Vorschrift auf Rechtsfolgenseite der Behörde Ermessen ein. Gemäß § 40 VwVfG hat die Behörde ihr Ermessen pflicht- und sachgemäß entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben. Damit ist hier jedoch nicht verbunden, dass die Behörde frei entscheiden kann, ob sie tätig wird oder nicht. Vielmehr folgt aus dem Sinn und Zweck des Genehmigungserfordernisses (präventive Kontrolle) nach Rspr. und h.M. ein intendiertes Ermessen. In der Regel besteht ein öffentliches Interesse daran, die Fortführung unzulässiger Baumaßnahmen zu verhindern. Die Baueinstellungsverfügung soll bei illegalen Bauarbeiten daher die Regel sein.Nach Rspr. und h.M. wird das behördliche Ermessen durch die Norm nur eröffnet, um in Ausnahmefällen zu ermöglichen, von dem an sich gebotenen Einschreiten abzusehen, wenn konkrete Anhaltspunkte für die Annahme einer Ausnahme vorliegen (z.B. in Kauf zu nehmende Duldung des baurechtswidrigen Zustandes).

4. Indem B von einer Baueinstellungsverfügung absieht, hat er sein Ermessen pflichtgemäß ausgeübt.

Nein!

Aus dem Sinn und Zweck des Baugenehmigungserfordernisses (präventive Kontrolle) folgt ein intendiertes Ermessen. Die Baubehörde übt das ihr eingeräumte Ermessen nur dann ordnungsgemäß aus, wenn sie auf rechtswidrige Zustände mit einer Baueinstellung reagiert – es sei denn konkrete Anhaltspunkte sprechen für eine ausnahmsweise bestehende Duldungspflicht.Die Ermessensausübung des B beruht hier schon auf völlig sachfremden Erwägungen (Feierabend machen / Sympathie mit T) und ist daher bereits für sich ermessensfehlerhaft, ohne dass es auf das intendierte Ermessen ankäme. Darüber hinaus sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass der baurechtswidrige Zustand ausnahmsweise in Kauf zu nehmen ist. Deshalb ist B hier gehalten, die Baueinstellungsverfügung zu erlassen (intendiertes Ermessen).Eine solche Ausnahme ist z.B. dann anzunehmen, wenn die Genehmigungsfähigkeit eines Bauvorhabens für die Behörde schon offensichtlich ist.
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