+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Jurastudentin S hat von Papi zur bestandenen Zwischenprüfung einen Ferrari geschenkt bekommen. S beginnt auf ihrem Grundstück mit dem Bau einer (verfahrensfreien) Garage aus Stroh. Behörde B vermutet, dass Brandschutzanforderungen nicht eingehalten werden und ordnet einen Baustopp an.

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Einordnung des Falls

Abwandlung 2

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ein Widerspruch zum öffentlichen Baurecht kann bei verfahrensfreien Vorhaben (§ 60 NBauO) nur im Verstoß gegen materielles Baurecht liegen.

Genau, so ist das!

Verfahrensfreie Bauvorhaben dürfen in dem festgelegten Umfang (Anhang der NBauO) ohne Baugenehmigung errichtet werden. Bei diesen Vorhaben kann der Widerspruch zum öffentlichen Recht nicht in dem Fehlen oder dem Abweichen einer Genehmigung liegen (formelle Illegalität), sondern nur im Verstoß gegen materielles Baurecht (materielle Illegalität). Gemäß § 59 Abs. 3 NBauO müssen verfahrensfreie Baumaßnahmen die Anforderungen des öffentlichen Baurechts ebenso erfüllen wie genehmigungsbedürftige Baumaßnahmen. Für eine Baueinstellungsverfügung gegen verfahrensfreie Vorhaben ist daher deren materielle Illegalität erforderlich.Verfahrensfreie(§ 60 NBauO) und genehmigungsfreie (§ 62 NBauO) Baumaßnahmen im Sinne der NBauO sind nicht bedeutungsgleich! Genehmigungsfreie Baumaßnahmen können von den Bauvorlagen abweichen und damit durchaus formell illegal sein.
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2. Die Errichtung der Garage durch S stellt eine Baumaßnahme dar, die aufgrund formeller Illegalität dem öffentlichen Baurecht widerspricht (§ 79 Abs. 1 S. 1 NBauO).

Nein, das trifft nicht zu!

Formell illegal ist ein Vorhaben, wenn die verfahrensrechtlichen Vorschriften über die Zulassungsbedürftigkeit (insbesondere die Erforderlichkeit einer Baugenehmigung) nicht beachtet worden sind. Bei verfahrensfreien Vorhaben kann der Widerspruch zum öffentlichen Recht nicht in dem Fehlen oder dem Abweichen einer Genehmigung (formelle Illegalität) liegen, sondern nur im Verstoß gegen materielles Baurecht.Bei der Errichtung der Garage handelt es sich zwar um eine Baumaßnahme (§ 2 Abs. 13 NBauO), diese widerspricht aber nicht dem öffentlichen Baurecht in formeller Hinsicht, da sie ausweislich des Sachverhaltes verfahrensfrei ist. Damit unterliegt sie keinen verfahrensrechtlichen Vorschriften.

3. Ein Widerspruch eines Vorhabens zum öffentlichen Baurecht liegt erst dann vor, wenn der rechtswidrige Zustand durch die Behörde nachgewiesen ist.

Nein!

Ein Widerspruch zum öffentlichen Baurecht besteht dann, wenn das Vorhaben baurechtswidrig ist. Für den rechtmäßigen Erlass einer Einstellungsverfügung muss ein materieller Baurechtsverstoß nicht positiv festgestellt worden sein. Ausreichend ist vielmehr, dass hinreichende Indizien es als wahrscheinlich erscheinen lassen, dass ein dem öffentlichen Recht widersprechender Zustand geschaffen wird. Für die Wahrscheinlichkeitsprognose gilt dabei folgendes: je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist, desto geringer sind die Anforderungen, die an die Prognose gestellt werden können.

4. Die Errichtung der Garage durch S stellt eine Baumaßnahme dar, die aufgrund materieller Illegalität dem öffentlichen Baurecht widerspricht (§ 79 Abs. 1 S.1 NBauO).

Genau, so ist das!

Materiell illegal ist ein Vorhaben, wenn es gegen materielle Anforderungen verstößt, also gegen bauplanungs- oder bauordnungsrechtliche Vorschriften verstößt und deswegen nicht genehmigungsfähig ist. Bauordnungsrechtliche Anforderungen an Baumaßnahmen und baulichen Anlagen befinden sich in den §§ 10ff. NBauO.Gemäß § 14 NBauO müssen bauliche Anlagen (§ 2 Abs. 1 S.1 NBauO) so errichtet werden und beschaffen sein, dass der Entstehung eines Brandes, sowie dessen Ausbreitung, vorgebeugt wird. Die Errichtung einer Garage aus Stroh enthält für sich genommen bereits das hinreichende Indiz, dass die entstehende Garage diesen Anforderungen nicht gerecht wird, sodass die Baumaßnahme dem öffentliche Baurecht widerspricht.

5. Ist der Tatbestand der Baueinstellungsverfügung (§ 79 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Alt. 1 NBauO) hier erfüllt?

Ja, in der Tat!

Für den Erlass einer Baueinstellungsverfügung ist tatbestandlich formelle oder materielle Illegalität erforderlich. Bei genehmigungsbedürftigen Vorhaben genügt bereits die formelle Illegalität. Bei verfahrensfreien Vorhaben ist jedoch materielle Illegalität erforderlich. Die Garage ist eine Baumaßnahme, die – angesichts der von ihr ausgehenden Brandgefahr – dem öffentlichen Baurecht widerspricht, damit ist der Tatbestand der Ermächtigungsgrundlage erfüllt.Die Abgrenzung zwischen genehmigungsbedürftigen und verfahrensfreien Bauvorhaben kann unter Umständen schwierig sein. Sofern im Sachverhalt detailreiche Maßeinheiten (z.B. m², m³ oder Tonnen) angegeben sind, lohnt sich ein Blick in den Anhang der NBauO.
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