Öffentliches Recht

Staatsorganisations-Recht

Wahlen und Wahlrechtsgrundsätze

Bevorzugung von Parteien nationaler Minderheiten (SSW - Südschleswiger Wählerverbund)

Bevorzugung von Parteien nationaler Minderheiten (SSW - Südschleswiger Wählerverbund)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Nach § 4 Abs. 2 S. 3 BWahlG findet die 5%-Sperrklausel (§ 4 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 BWahlG) keine Anwendung auf Listen, die von Parteien nationaler Minderheiten eingereicht wurden. Partei A hält das Minderheitenprivileg für verfassungswidrig.

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Einordnung des Falls

Bevorzugung von Parteien nationaler Minderheiten (SSW - Südschleswiger Wählerverbund)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das Minderheitenprivileg beeinträchtigt die Gleichheit der Wahl (Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG).

Genau, so ist das!

Die Wahlgleichheit gebietet, dass alle Wählenden mit ihrer Stimme den gleichen Einfluss auf das Wahlergebnis haben. Im Rahmen einer Verhältniswahl muss jede Stimme grundsätzlich den gleichen Einfluss auf die Zusammensetzung der zu wählenden Vertretung haben. Dadurch, dass die Stimmen, die für eine Partei einer nationalen Minderheit abgegeben werden, auch dann bei der Sitzverteilung im Bundestag berücksichtigt werden, wenn die Partei im bundesweiten Verhältnis weniger als 5% der Stimmen erhält, haben die Stimmen für eine Minderheitenpartei eine stärkere Wirkung als die Stimmen der Wählenden von anderen Parteien, die ebenfalls an der 5%-Hürde scheitern. Zudem kommt eine Beeinträchtigung der politischen Chancengleichheit aus Art. 21 Abs. 1 GG in Betracht. Bei der Prüfung gelten dieselben Maßstäbe, sodass wir uns hier auf Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG konzentrieren können.
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2. Die Beeinträchtigung der Wahlrechtsgleichheit durch das Minderheitenprivileg kann gerechtfertigt sein.

Ja, in der Tat!

Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit unterliegt keinem absoluten Differenzierungsverbot. Das bedeutet, dass eine Beeinträchtigung grundsätzlich gerechtfertigt sein kann. Aus dem formalen Charakter der Grundsätze der Wahlgleichheit folgt allerdings, dass dem Gesetzgeber bei der Bestimmung des Wahlrechts nur ein eng bemessener Spielraum für Differenzierungen verbleibt. Differenzierungen bedürfen nach st. Rspr. des BVerfG zu ihrer Rechtfertigung stets eines besonderen, sachlich legitimierten, zwingenden Grundes.

3. Die Beeinträchtigung der Wahlrechtsgleichheit ist durch den Minderheitenschutz gerechtfertigt.

Ja!

Beeinträchtigungen der Wahlrechtsgleichheit können durch einen besonderen, sachlich legitimierten, zwingenden Grund gerechtfertigt sein. Der Staat hat einen Schutzauftrag gegenüber Minderheiten. Das Minderheitenprivileg (§ 4 Abs. 2 S. 3 BWahlG) dient der Integration nationaler Minderheiten bei der politischen Willensbildung durch Wahlen. Die Vertretung anerkannter nationaler Minderheiten ist politisch bedeutsam (so z.B. BVerfGE 5, 77 ff.). Die Rückausnahme von der 5% Sperrklausel ist gerechtfertigt. In Deutschland gibt es vier staatlich anerkannte nationale bzw. ethnische Minderheiten: Sorben, Dänen, Friesen sowie die deutschen Sinti und Roma. Der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) vertritt die Dänen und Friesen. Im Jahr 2021 beteiligte sich die SSW seit 60 Jahren zum ersten Mal wieder an Bundestagswahlen und errang ein Mandat.
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