Zulässigkeit von Wahlcomputern

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Bei der Wahl des Bundestages setzen einige Bundesländer rechnergesteuerte Wahlgeräte ein (vgl. § 35 BWahlG). Hierbei geben die Wählenden ihre Stimme elektronisch ab, die Speicherung der Stimmen erfolgt ebenfalls ausschließlich elektronisch. Am Ende des Wahltags zählt das Wahlgerät die gespeicherten Stimmen aus.

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Einordnung des Falls

Zulässigkeit von Wahlcomputern

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl verlangt unter anderem, dass die Ermittlung des Wahlergebnisses durch die Öffentlichkeit kontrolliert werden kann.

Ja!

Die Öffentlichkeit der Wahl ergibt sich aus Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 GG. Er soll die ordnungsgemäße und nachvollziehbare Durchführung der Wahl sichern und damit eine wesentliche Voraussetzung für Vertrauen des Volks in den korrekten Ablauf der Wahl schaffen. Die grundsätzlich gebotene Öffentlichkeit im Wahlverfahren umfasst das Wahlvorschlagsverfahren, die Wahlhandlung – mit Ausnahme der Stimmabgabe selbst – und die Ermittlung des Wahlergebnisses (vgl. BVerfGE 121, 266, RdNr. 291).
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2. Der Einsatz von Wahlgeräten ist schon deswegen verfassungswidrig, weil der gesamte Prozess der Ergebnisermittlung öffentlich zugänglich sein muss.

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl gebietet, dass alle wesentlichen Schritte der Wahl öffentlicher Überprüfbarkeit unterliegen, soweit nicht andere verfassungsrechtliche Belange (z.B. die Geheimheit der Stimmabgabe) eine Ausnahme rechtfertigen. Dabei kommt der Kontrolle der Wahlhandlung und der Ermittlung des Wahlergebnisses eine besondere Bedeutung zu. Nach Ansicht des BVerfG folge aus dem Gebot allerdings nicht, dass sämtliche Handlungen im Zusammenhang mit der Ermittlung des Wahlergebnisses unter Beteiligung der Öffentlichkeit stattfinden müssen. Allein der Umstand, dass bei der automatischen Ergebnisermittlung durch ein Wahlgerät der Prozess der Auszählung nicht öffentlich einsehbar ist, folgt noch keine Beeinträchtigung des Grundsatzes der Öffentlichkeit der Wahl.

3. Grundsätzlich dürfen Wahlgeräte eingesetzt werden. Allerdings müssen die wesentlichen Schritte der Ergebnisermittlung zuverlässig überprüft werden können.

Ja, in der Tat!

Bei der Überprüfung, ob der Einsatz eines Wahlgeräts mit Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG vereinbar ist, berücksichtigt das BVerfG den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, darüber zu befinden, ob der Gesetzgeber innerhalb seines Ermessensbereichs zweckmäßige oder rechtspolitisch erwünschte Lösungen gefunden hat. Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers endet allerdings dort, wo die wesentlichen Schritte der Ergebnisermittlung einer Wahl nicht mehr nachvollziehbar und überprüfbar sind. Nach Ansicht des BVerfG ergibt sich die Notwendigkeit der Kontrolle des Ermittlungsprozesses durch das Wahlgerät aus der Manipulierbarkeit und Fehleranfälligkeit eines solchen Geräts. Während bei der herkömmlichen Wahl mit Stimmzetteln Manipulationen oder Wahlfälschungen kaum möglich seien, könne durch Eingriffe an elektronisch gesteuerten Wahlgeräten mit relativ geringem Aufwand eine große Wirkung erzielt werden.

4. Die Wahl mithilfe sog. „Wahlcomputer" wird durch die Bundeswahlverordnung näher ausgestaltet (§ 35 Abs. 3 BWahlG). Diese enthält keine Regelungen zur Kontrolle der Wahlgeräte und der Ergebnisermittlung. Verstößt der Einsatz der Geräte daher gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl?

Ja!

Der Einsatz von Wahlcomputern beeinträchtigt den Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl nur dann nicht, wenn die wesentlichen Schritte der elektronischen Ergebnisermittlung im Nachhinein mit relativ geringem Aufwand überprüft werden können. Das BVerfG hat die in der Bundeswahlgeräteverordnung vorgesehenen technischen Möglichkeiten überprüft und kommt in seinem Urteil zu dem Schluss, dass diese den Anforderungen der Kontrollierbarkeit nicht genügen: „Aus der Bundeswahlgeräteverordnung ergibt sich insbesondere nicht, dass nur Wahlgeräte eingesetzt werden dürfen, die dem Wähler bei Abgabe seiner Stimme eine verlässliche Kontrolle ermöglichen, ob seine Stimme unverfälscht erfasst wird. Die Verordnung stellt auch keine konkreten inhaltlichen und verfahrensmäßigen Anforderungen in Bezug auf eine verlässliche nachträgliche Kontrolle der Ergebnisermittlung.“

5. Weil die Ergebnisermittlung durch die Wahlgeräte nicht ausreichend überprüfbar ist, liegt eine Beeinträchtigung des Grundsatzes der Öffentlichkeit der Wahl vor. Ist diese gerechtfertigt?

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Einsatz von Wahlcomputern beeinträchtigt den Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl nur dann nicht, wenn die wesentlichen Schritte der elektronischen Ergebnisermittlung im Nachhinein mit relativ geringem Aufwand überprüft werden können. Ist dies nicht der Fall – liegt also eine Beeinträchtigung vor – ist diese nach Rspr. des BVerfG nur gerechtfertigt, wenn er zur Optimierung der Verwirklichung anderer Wahlrechtsgrundsätze erfolgt (BVerfGE 123, 39, RdNr. 68ff.). Ein Rechtfertigungsgrund im Sinne der Optimierung anderer Wahlrechtsgrundsätze war für das BVerfG nicht ersichtlich.
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