"Genosse rote Null" - APR-Verletzung?

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Finanzminister F erklärt öffentlich, dass Steuern keinen Spaß machen, aber Sinn ergäben. Beim Einspruch gegen seinen Steuerbescheid merkt E unter anderem an, dass F eine „rote Null als Genosse Finanzministerdarsteller“ sei. E wird wegen Beleidigung verurteilt.

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Einordnung des Falls

"Genosse rote Null" - APR-Verletzung?

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Meinungsfreiheit unterliegt der Schranke der allgemeinen Gesetze. Diese Schranke wird wiederum durch die sog. Schranken-Schranken eingeschränkt.

Ja!

Allgemeine Gesetze können nicht grenzenlos die Meinungsfreiheit einschränken. Sie selbst unterliegen sog. Schranken-Schranken. Die wichtigste Schranken-Schranke ist das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Dabei ist im Rahmen der Angemessenheit einzelfallbezogen zwischen der Meinungsfreiheit und dem kollidierenden Interesse abzuwägen (sog. Normanwendungsebene). E äußerte sich scharf zu der Amtsführung des F und möglicherweise auch zu dessen Person. Trotz der Schärfe der Kritik weist diese noch einen sachlichen Bezug auf und überschreitet nicht die Grenze zur reinen Schmähkritik. Die Äußerung fällt somit in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit, in die durch die Verurteilung eingegriffen wird. § 185 StGB stellt zwar grundsätzlich eine verfassungsmäßige Schranke der Meinungsfreiheit dar. Fraglich ist aber, ob bei dessen Anwendung der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt wurde.Die Meinungsfreiheit ist neben der Normanwendung auch bei der Auslegung der Äußerung (Sinn- und Deutungsebene) sowie bei der Auslegung der rechtfertigenden Norm (Normauslegungsebene) zu berücksichtigen.
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2. Überwiegt hier bei einer Einzelfallabwägung das allgemeine Persönlichkeitsrecht des F gegenüber der Meinungsfreiheit des E?

Nein, das ist nicht der Fall!

Im letzten Schritt der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist einzelfallbezogen abzuwägen, ob die Meinungsfreiheit oder das kollidierende Interesse überwiegen (Normanwendungsebene). Zu berücksichtigen sind insbesondere Inhalt, Form, Anlass, Zweck und Wirkung der Äußerung. Zu beachten ist, dass die Grenzen zulässiger (Macht-) Kritik grundsätzlich bei Politikern weiter zu ziehen sind. Dies gilt umso mehr, je öffentlicher der Politiker auftritt. Es Äußerung weist einen klaren Sachbezug auf. E äußert seine Kritik mit geläufigen Ausdrucksmitteln und nicht etwa groben Beleidigungen, sodass nur ein geringer Eingriff in Fs allgemeines Persönlichkeitsrecht vorliegt. F tritt als Bundesfinanzminister zudem sehr öffentlich auf, sodass hier die Grenze gerechtfertigter Kritik recht weit zu ziehen ist. Daher überwiegt Es Meinungsfreiheit und die Verurteilung stellt eine Verletzung von Es Meinungsfreiheit dar.
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