Strafrecht
Examensrelevante Rechtsprechung SR
Allgemeiner Teil
Stillschweigendes Einvernehmen kann Mittäterschaft begründen (BGH, Beschl. vom 10.04.2024 – 5 StR 85/24)
Stillschweigendes Einvernehmen kann Mittäterschaft begründen (BGH, Beschl. vom 10.04.2024 – 5 StR 85/24)
23. Mai 2025
18 Kommentare
4,8 ★ (34.635 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
F begleitet T, der mit O zum Kampf verabredet ist. T fordert O zum Einzelkampf auf und spricht Todesdrohungen aus. Da will F mitkämpfen und startet die Schlägerei mit einem Schlag in Os Gesicht. Dann sticht T dem O ein Messer, von dem F wusste, in den Oberkörper. O verblutet wegen der entstandenen Herzverletzung.
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Einordnung des Falls
Stillschweigendes Einvernehmen kann Mittäterschaft begründen (BGH, Beschl. vom 10.04.2024 – 5 StR 85/24)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 11 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Später stellt sich heraus, dass T keinen Tötungsvorsatz hatte. Könnte sich T aber wegen einer gefährlichen Körperverletzung mit Todesfolge strafbar gemacht haben (§§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2, 227 Abs. 1 StGB)?
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Indem T dem O mit dem Messer eine Herzverletzung zufügt, hat er ihn körperlich misshandelt (§ 223 Abs. 1 StGB).
Ja!
3. Das Messer ist ein gefährliches Werkzeug i.S.v. § 224 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 StGB.
Genau, so ist das!
4. O wäre auch ohne die gefährliche Körperverletzung durch T infolge der Herzverletzung verblutet und somit gestorben.
Nein, das trifft nicht zu!
5. Os Tod hat sich gerade aus der Herzverletzung ergeben. Liegt damit i.R.d. § 227 StGB geforderte tatbestandsspezifische Gefahrenzusammenhang vor?
Ja!
6. Der tödliche Ausgang war für T vorhersehbar (§ 18 StGB). Scheidet eine Strafbarkeit des Ts nach §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2, 227 Abs. 1 StGB trotzdem aus?
Nein, das ist nicht der Fall!
7. F hat sich durch den Faustschlag in Os Gesicht wegen einer einfachen Körperverletzung strafbar gemacht (§ 223 Abs. 1 StGB).
Ja, in der Tat!
8. Rechnet man F die Handlungen des T in Form von Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB) zu, könnte auch F sich wegen einer Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) strafbar gemacht haben.
Ja!
9. F hat zunächst einen wesentlichen Tatbeitrag geleistet, indem er die Schlägerei mit dem Schlag in Os Gesicht eröffnete.
Genau, so ist das!
10. In subjektiver Hinsicht reicht es nach der Rspr. des BGH aus, wenn sich der Mittäter dem Tatplan stillschweigend anschließt. Hat F sich sich dem (gesamten) Tatplan des T stillschweigend angeschlossen?
Ja, in der Tat!
11. F handelte auch rechtswidrig und schuldhaft. Hat F sich wegen einer gefährlichen Körperverletzung mit Todesfolge in Mittäterschaft strafbar gemacht (§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, 227 Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB)?
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
cl@ra
28.8.2024, 21:24:57
Tritt § 224 StGB auch vollständig hinter § 227 StGB zurück?
Leo Lee
1.9.2024, 12:39:08
Hallo cl@ra, vielen Dank für die sehr gute Frage! Wenn es um 224 I Nr. 5 geht, was zwigend gegeben sein muss, wenn 227 eintreten möchte, liegt auf jeden Fall ein vollständiges Zurücktreten vor. Bzgl. Bei den anderen Nrn. bei 224 ist streng theoretisch ein vollständiges Zurücktreten nicht immer gegeben (wenn etwa 227 nicht durch eine Waffe herbeigeführt wird), allerdings kann man auch hier - sowohl nach Rspr. als auch nach Lit. - den 224 dahinter zurücktreten lassen (dies ist auch in Klausuren üblich). Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-StGB 4. Auflage, Hardtung § 224 Rn. 59 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
cl@ra
1.9.2024, 20:24:23
Achso, verstehe :) vielen Dank:)

Juliaaaaaaaaaaaa
25.12.2024, 12:16:35
Sollte man F und T am Besten gemeinsam prüfen oder getrennt? Und wenn getrennt mit welcher Person sollte man am Besten anfangen?
Leo Lee
28.12.2024, 18:21:41
Hallo Juliaaaaaaaaaaaa (extra die "a"s nachgezählt), vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Bei der
MIttäterschaftund deren Aufbau gilt folgender Grundsatz: 1. Wenn die Tat gleichzeitig und DURCH die verschiedenen Beiträge verwirklicht wurden (leichter zu erklären etwa bei Raub, wo Täter 1 das Opfer schlägt und Täter 2 die Sache dabei wegnimmt), sollte gemeinsam geprüft werden; führt hingegen nur Täter 1 die Tat aus, während Täter 2 etwa zuhause ist und nur bei der Vorbereitung hilft (etwa der Bandenchef), sollte getrennt geprüft werden. 2. Wenn zusammengeprüft wird, prüft man bei jedem TBM die Handlungen/Beiträge jeden Täters (also gewissermaßen immer zwei Mal); wenn getrennt geprüft wird, wird zunächst derjenige, der die Tat EIGENTLICH durchgeführt hat (auch der "Tatnächste") geprüft und dann erst der Hintermann, der nicht zugegen war (ihm wird dann die Tat gem. 25 II etwa zugerechnet). In diesem Fall verwirklichen beide Täter durch die jeweiligen Beiträge zusammen und gleichzeitig die Tat, weshalb hier eine gemeinsame Prüfung geboten ist. Insofern gibt es dann auch keine "Reihenfolge", wie oben bereits erwähnt. Hierzu kann ich die sehr gute und übersichtliche Darstellung von juratopia empfehlen (findest du hier: https://juratopia.de/mittaeterschaft/) :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Niro95
23.1.2025, 21:00:51
Könnte man nicht über eine rechtfertigende Einwilligung nachdenken, weil sie sich zur Schlägerei verabredet haben? Dann wäre die Basis von 227 ja weg und es bliebe nur 222
jurafuchsles
6.4.2025, 21:11:07
Ich denke nicht, da der Tod kein einwilligungsfähiges Rechtsgut ist. Die Einwilligung in eine lebensgefährliche KV und damit auch in 227 ist mM nach nicht möglich.
Magnum
26.2.2025, 11:58:14
Wie wäre denn die Lage, wenn T doch
Tötungsvorsatzhätte bezüglich der Zurechnung zu F. Sofern vom Tatplan eine Schlägerei unter Einsatz von Messern umfasst ist, stellt der Tod eines Teilnehmers wohl keine wesentliche Abweichung vom geplanten
Kausalverlaufdar. Würde dann der
Tötungsvorsatzfür F auf diese Weise angenommen? Das erscheint mir ein weniger strenger Maßstab zu sein, als wenn F selber gehandelt hätte, da er den Tod ja nicht
billigend in Kaufgenommen hat. Kann mir diesbezüglich jemand weiterhelfen?
Leo Lee
26.2.2025, 20:59:47
Hallo Magnum, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Wenn der T doch
Tötungsvorsatzhatte, dann würden wir zunächst mal bzgl. T auf jeden Fall eine
vorsätzliche Tötung bejahen. Dann würden wir den F prüfen, wobei hier sich durch einen nunmehr vorliegenden
Vorsatzdes T nicht mehr so viel ändert. Denn bzgl. der Haupttat müsste der F weiterhin selbst
Vorsatzvorweisen, also unabhängig davon, was der T für einen
Vorsatzaufweist. Bzgl. der Frage, ob man wegen der unwesentlichen Abweichung einen
Vorsatzannimmt, würde ich eher konservativ handhaben. Denn die Abweichung vom vorgestellten
Kausalverlaufsetzt ja gerade voraus, dass man generell töten möchte, aber der Tod nicht auf eine Weise eintritt, die man so anvisiert hat (
Jauchegrubenfall, wo der Täter eben töten wollte durch das Erwürgen, der tats. Tod aber erst durch Erstickung in der Jauchegrube eingetreten ist). Wenn also der F - mangels Anhaltspunkte im SV etwa - keinen
Tötungsvorsatzhat, können wir nicht einen solche durch die Hintertür bejahen, indem wir auf die unwesentliche Abweichung rekurrieren (da F schon von vornherein eben keinen
Tötungsvorsatzhatte, von dessen Ablauf nicht unwesentlich abgewichen werden konnte). Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-StGB 5. Auflage, Kulhanke § 16 Rn. 94 ff. sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Paulo99
1.4.2025, 16:09:39
Ist ein Messer nicht als Waffe iSd. § 224 I Nr. 2 alt. 1 anzusehen?