Öffentliches Recht

Staatsorganisations-Recht

Gesetzgebungskompetenzen

Aufspaltung und Verzahnung von Regelungen: "Sex won't sell" [F]

Aufspaltung und Verzahnung von Regelungen: "Sex won't sell" [F]

11. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die Freie Hansestadt Bremen erlässt das „Bremische-Anti-Sexismus-Gesetz“ (BASG). Damit wird geschlechterdiskriminierende Werbung unter anderem im Radio (§ 4 Nr. 2 BASG) und auf öffentlichen Werbeflächen in der Innenstadt (§ 4 Nr. 6 BASG) verboten. § 12 BASG definiert Ausnahmen für das Werbeverbot.

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Einordnung des Falls

Aufspaltung und Verzahnung von Regelungen: "Sex won't sell" [F]

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das Vorliegen der Gesetzgebungskompetenz ist stets für den gesamten Regelungskomplex einheitlich zu prüfen.

Nein!

Nach dem Grundsatz der Spezialität ist für jede einzelne Regelung separat zu prüfen, ob und welcher Kompetenztitel einschlägig ist. Inhaltlich unzusammenhängende Regelungen sind an dieser Stelle voneinander zu trennen. Insbesondere Aufzählungen sind ein Indiz für eine Mehrzahl an Regelungen. Sind in einer Klausur mehrere Regelungen zu prüfen, sind regelmäßig auch unterschiedliche Gesetzgebungskompetenzen einschlägig.
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2. Bei der Prüfung der Gesetzgebungskompetenz sollte zwischen den Werbeverboten im Radio (§ 4 Nr. 2 BASG) und auf öffentlichen Werbeflächen in der Innenstadt (§ 4 Nr. 6 BASG) unterschieden werden.

Genau, so ist das!

Mehrere Regelungen sind zu einem Prüfungsgegenstand zusammenzuführen, wenn eine Teilregelung mit einer Regelung oder einem Regelungskomplex derart eng verzahnt ist, dass sie als Teil der Schwerpunktregelung erscheint. Die Werbeverbote beziehen sich auf unterschiedliche Objekte und Normadressaten. Die Regelungen können völlig unabhängig voneinander bestehen. Sie sind also gar nicht miteinander verzahnt.

3. Auch die Gesetzgebungskompetenzen für die Werbeverbote (§ 4 BASG) und die Ausnahmen (§ 12 BASG) müssen separat geprüft werden.

Nein, das trifft nicht zu!

Mehrere Regelungen sind zu einem Prüfungsgegenstand zusammenzuführen, wenn eine Teilregelung mit einer Regelung oder einem Regelungskomplex derart eng verzahnt ist, dass sie als Teil der Schwerpunktregelung erscheint. Die Ausnahmen bestimmen die inhaltliche Reichweite der Werbeverbote. Sie sind daher hinreichend eng mit den Werbeverboten verzahnt und dürfen nicht isoliert davon betrachtet werden.

4. Es kann offen gelassen werden, auf welche Gesetzgebungskompetenz sich eine Regelung genau stützt, solange sie bei dem tatsächlich zuständigen Verband angesiedelt ist.

Nein!

Eine Materie darf nicht auf mehr als einen Kompetenztitel gestützt werden (Grundsatz der Eindeutigkeit), auch wenn letztendlich der richtige Verband die Gesetzgebungskompetenz innehat. Staatliches Handeln muss nach dem Rechtsstaatsprinzip (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG) einer Rechtsgrundlage klar zugeordnet sein (Telos). Zudem haben die unterschiedlichen Gesetzgebungskompetenzen (vgl. nur Art. 71 GG; Art. 72 Abs. 1-3 GG) ganz unterschiedliche Voraussetzungen und Rechtsfolgen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

lennart20

lennart20

17.5.2023, 09:40:05

Wer hätte schließlich die Gesetzgebungskompetenz für die öffentlichen Werbeflächen respektive des Radios?

Paul König

Paul König

18.5.2023, 11:12:30

Moin @[lennart20](198942), das lässt sich pauschal nicht sagen. Die Gesetzgebungskompetenzen für die Regulierung der Außenwerbung und für den Rundfunk (= Radio) liegen grundsätzlich (!) bei den Ländern (Art. 30, 70 Abs. 1 GG). Allerdings gibt es bereichsspezifische Kompetenztitel des Bundes, die immer wieder relevant werden können (zuletzt kamen beispielsweise vom BMEL Gesetzesvorschläge zu Regulierung von Werbung für Tabakerzeugnissen oder Lebensmittel für Kinder). Da kann der Bund eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz (zB nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11, 20 GG) haben. Die Regelungen müssen dann aber der

Erforderlichkeitsklausel

nach Art. 72 Abs. 2 GG genügen. Beantwortet das Deine Frage? Beste Grüße - Paul (für das Jurafuchs-Team) @[Lukas Mengestu](136780)

DIAA

Diaa

4.10.2023, 15:13:53

Wieso werden § 4 Nr. 4 und 6 nicht als eng einheitlich angesehen? Beide regeln ja ein Werbeverbot, aber halt für unterschiedliche Personenkreise oder ist das der Grund?

DIAA

Diaa

4.10.2023, 15:14:27

Der Grundsatz der Spezialität ist hier nicht so ganz eindeutig bzw. was ist genau damit gemeint?

Paul König

Paul König

5.10.2023, 09:27:23

Hallo @[Diaa](211889), die Werbeverbote beziehen sich auf unterschiedliche Objekte (öffentliche Werbeflächen und Radio) für die der Verfassungsgeber auch unterschiedliche Kompetenztitel geschaffen hat. Nach dem Spezialitätsgrundsatz müssen wir versuchen, bei den Gegenständen der Gesetzgebung so gut wie möglich zu differenzieren. So soll verhindert werden, dass wir eine Materie nicht einfach so in einem Kompetenztitel, der nicht so richtig passt, verstecken können, um so die Gesetzgebungskompetenzen zu verschieben. Klärt das Deine Frage? Beste Grüße - Paul (für das Jurafuchs-Team) @Lukas_Mengestu @

Nora Mommsen

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