Einführung - "L v. Bund" [F]

23. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Land L erlässt ein Gesetz. Der Bund meint, dass das Land damit seinen Kompetenzbereich überschritten habe.

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Einordnung des Falls

Einführung - "L v. Bund" [F]

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Vor der Prüfung der Gesetzgebungskompetenzen ist der (Geltungs-)Vorrang des Bundesrechts gegenüber dem Landesrecht (Art. 31 GG) zu berücksichtigen.

Nein!

Art. 31 GG setzt eine Kollision von gültigen Normen des Landes- und Bundesrechts voraus. Eine kompetenzwidrige Norm ist aber regelmäßig nichtig und somit ungültig. Art. 31 GG ist daher mangels Kollision in diesem Fall nicht anwendbar. Die Gesetzgebungskompetenzen sind somit denklogisch vorrangig zu prüfen. Kompetenznormen werden daher auch auch als „Kollisionsvermeidungsnormen“ bezeichnet. Die Kompetenzvorschriften (Art. 70-74 GG) sind praktisch viel bedeutsamer als Art. 31 GG. Der Anwendungsbereich von Art. 31 GG ist auf Kollisionen von Landesverfassungsrecht mit Bundesrecht beschränkt.
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2. Art. 70 Abs. 1 Hs. 1 GG ist lex specialis gegenüber Art. 30 GG.

Genau, so ist das!

Art. 30 GG statuiert den Grundsatz der Länderzuständigkeit bei der Erfüllung sämtlicher staatlicher Aufgaben. Er ist damit die Grundregel der bundesstaatlichen Verfassung. Art. 70 Abs. 1 Hs. 1 GG ist eine Konkretisierung dieser Grundregel für die Gesetzgebungskompetenzen. In der Prüfung solltest Du Art. 30 GG; Art. 70 Abs. 1 Hs. 1 GG zusammen zitieren, wenn es um die Gesetzgebungskompetenz der Länder geht. Der Grundsatz der Länderzuständigkeit ist auch bei den Verwaltungskompetenzen speziell geregelt (Art. 30 GG; Art. 83 GG).

3. Der Bund hat nur dann die Gesetzgebungskompetenz, wenn diese ihm durch das GG verliehen wird (Art. 70 Abs. 1 Hs. 2 GG).

Ja, in der Tat!

Der Bund muss also einen im GG niedergelegten Kompetenztitel vorweisen können (oder eine ungeschriebene Kompetenz haben), um ein Gesetz erlassen zu dürfen. Fehlt ein solcher Kompetenztitel, hat der Bund keine Gesetzgebungskompetenz.

4. Die Sachbereiche, die nicht dem Bund zugewiesen werden, liegen in der Gesetzgebungskompetenz der Länder.

Ja!

Art. 70 Abs. 1 Hs. 1 GG ordnet den Grundsatz der Länderzuständigkeit an. Die Norm ist daher gewissermaßen eine Auffangklausel für die im GG unbenannten Materien, die nicht dem Bund zugewiesen sind. Dank der Auffangklausel kann es auch einen kompetenzrechtlich ungeregelten Bereich nicht geben (Grundsatz der Lückenlosigkeit): Überall, wo der Bund nicht tätig werden darf, dürfen die Länder an seiner statt agieren.

5. Müssen die Länder ihre Gesetzgebungskompetenzen mit einem Kompetenztitel aus dem GG positiv belegen können?

Nein, das ist nicht der Fall!

Es ist genau anders herum: Der Bund muss einen Kompetenztitel vorweisen, um gesetzgeberisch tätig werden zu dürfen. Denn die Gesetzgebungskompetenzen der Länder ergeben sich aus dem Grundsatz der Länderzuständigkeit (Art. 70 Abs. 1 Hs. 1 GG). Die Länder können ihre Kompetenzen also nur (negativ) aus der Abwesenheit von Kompetenztiteln des Bundes herleiten. Die Kulturhoheit der Länder ist in der Verfassung nicht (positiv) normiert, sondern folgt (negativ) daraus, dass es im GG kaum Kompetenztitel des Bundes für den Kultusbereich gibt. Es gibt im GG aber auch von der Gesetzgebungskompetenz des Bundes ausdrücklich ausgeklammerte (beispielsweise Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG: „ohne das Heimrecht“ oder Art. 74 Abs. 1 Nr. 23 GG: „mit Ausnahme der Bergbahnen“) ausschließliche Gesetzgebungskompetenzen der Länder.

6. Der Bund hat wegen des Bundesstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 1 GG) die Gesetzgebungskompetenz für Sachbereiche, welche die Verfassungsgeber nicht vorhergesehen haben.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Vorschriften über die Gesetzgebungskompetenzen erfassen entwicklungsoffen jede (neue, nicht von den Verfassungsgebern vorhergesehene) Materie. Die nicht dem Bund zugewiesenen Sachbereiche sind dann aber nach dem Grundsatzes der Länderzuständigkeit (Art. 70 Abs. 1 Hs. 1 GG) Ländersache (Art. 70 Abs. 1 Hs. 1 GG). Will der Bund hier tätig werden, muss das Grundgesetz mit einer Verfassungsänderung um einen entsprechenden Kompetenztitel ergänzt werden (vgl. Art. 79 Abs. 1-3 GG).

7. Wegen des Grundsatzes der Länderzuständigkeit (Art. 30 GG; Art. 70 Abs. 1 Hs. 1 GG) haben die Länder in der Praxis mehr Gesetzgebungskompetenzen als der Bund.

Nein!

Trotz des Grundsatzes der Länderzuständigkeit sind die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes in den Art. 73-74 GG und im sonstigen GG so umfangreich, dass den Ländern wenig legislative Gestaltungsspielräume bleiben. Das theoretische Grundsatz-Ausnahmeverhältnis von Art. 70 Abs. 1 GG ist in der Praxis also umgedreht!

8. Die wichtigsten ausschließlichen Gesetzgebungskompetenzen der Länder sind das allgemeine Gefahrenabwehrrecht (Polizeirecht), der Kultusbereich und das Kommunalrecht.

Genau, so ist das!

Die wichtigsten Materien des Landesrechts kannst Du Dir mit der groben Formel „Polizei, Kultur und Kommunales“ (kurz: PKK) einprägen. Zum Kultusbereich werden meist das Bildungswesen, Sport, Rundfunk und Presse gezählt. Daneben bestehen noch ausschließliche Gesetzgebungskompetenzen für das Straßen- und Wegerecht und die Landesorganisation, insbesondere das Landesverwaltungsrecht.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

rex ipso iure

rex ipso iure

27.5.2024, 03:24:11

gefährlicher merkspruch xD


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