Fallgruppe: Schenkung

3. Juni 2025

14 Kommentare

4,8(17.620 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

S hat G durch notariellen Vertrag versprochen, ihm seinen gebrauchten Bulli zu schenken. Als S mit dem Wagen zu G fährt, kommt es zu einem Verkehrsunfall mit D, wodurch das Auto einen Totalschaden erleidet. D trug die alleinige Schuld am Unfall.

Diesen Fall lösen 77,4 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Fallgruppe: Schenkung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. G hat Eigentum an dem Bulli erworben (§ 929 S. 1 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Die Übereignung nach § 929 S. 1 BGB setzt voraus: (1) Einigung, (2) Übergabe, (3) Einigsein bei Übergabe, (4) Berechtigung des Veräußerers. S hat sich durch die Schenkung bislang lediglich schuldrechtlich verpflichtet, G das Eigentum an dem Bulli zu verschaffen. Da S den Bulli noch nicht an G übergeben hat, liegen die Voraussetzungen der rechtsgeschäftlichen Übereignung bislang nicht vor. Somit hat G noch kein Eigentum am Bulli erworben.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Kann G von S nach Zerstörung des Bulli die Lieferung eines anderen Bulli verlangen?

Nein!

Nach § 275 Abs. 1 BGB ist der Anspruch auf eine Leistung ausgeschlossen, wenn die Herbeiführen des Leistungserfolges dem Schuldner unmöglich wird. S hatte G lediglich versprochen, ihr seinen eigenen Bulli zu übergeben und übereignen (Stückschuld). Nicht damit verbunden war die Verpflichtung, G einen beliebigen Bulli zu verschaffen (Gattungsschuld). Da S' Bulli bei dem Untergang zerstört wurde, kann sie den geschuldeten Leistungserfolg nicht mehr herbeiführen. Der Anspruch ist somit ausgeschlossen (§ 275 Abs. 1 BGB).

3. Kann G von S Schadensersatz verlangen, weil S ihre geschuldete Leistung nicht erbringen kann (§§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB)?

Nein, das ist nicht der Fall!

Im Falle der Unmöglichkeit gibt es einen Ersatz nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB nur, wenn der Schuldner die Unmöglichkeit zu vertreten hat. Der Unfall beruhte allein auf einem Verschulden des D (§ 276 Abs. 1 BGB). S hat den Unfall und damit die Unmöglichkeit also nicht zu vertreten. Damit haftet er G nicht auf Schadensersatz. Selbst wenn G den Unfall leicht fahrlässig verursacht hätte, müsste er wegen der Haftungsprivilegierung des § 521 BGB trotzdem keinen Ersatz leisten.

4. Hat S durch die Zerstörung des Bulli einen Schaden erlitten?

Nein, das trifft nicht zu!

Ein Schaden liegt nach der Differenzhypothese vor, wenn die tatsächliche Vermögenslage geringer ist, als sie hypothetisch bei Wegfall des schädigenden Ereignis wäre. Zwar hat D das Eigentum von S zerstört und damit ein von § 823 Abs. 1 BGB geschütztes Rechtsgut verletzt. S war zu diesem Zeitpunkt nach dem Schenkungsvertrag aber verpflichtet, den Wagen an G zu übereignen. Da S infolge des Unfalls von dieser Verpflichtung frei wurde, hat sich seine Vermögenslage nicht verschlechtert.

5. S kann von D trotzdem nach § 823 Abs. 1 BGB i.V.m den Grundsätzen der Drittschadensliquidation Schadensersatz verlangen.

Ja!

Die Geltendmachung eines fremden Schadens ist nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation möglich, wenn (1) der Geschädigte keinen Anspruch gegen den Schädiger hat, (2) der Anspruchsinhaber keinen Schaden hat und sich (3) die Schadensverlagerung aus Sicht des Schädigers als zufällig darstellt. Zu 3: Eine zufällige Schadensverlagerung liegt unter anderem vor, wenn der Verletzte dadurch von einer eigenen Leistungspflicht befreit wird (obligatorische Gefahrentlastung). S muss infolge des Unfalls seiner Schenkungspflicht gegenüber G nicht mehr nachkommen und ihr auch keinen Schadensersatz leisten. Der Schaden verlagert sich somit zufällig auf sie. Da G kein eigener Anspruch zusteht, kann S den Schaden für G geltend machen.
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

SCH

Schwanzanwaltschaft

13.5.2024, 13:41:28

Könnte man bezüglich des freiwerdens aus der schenkvertraglichen Verpflichtung des S nach § 275, nicht auch die Vorteilsanrechnung verneinen und so dem S einen Schadensersatzanspruch zubilligen.

Sassun

Sassun

22.10.2024, 17:22:14

Hätte gesagt in diesem Fall bietet sich eine solche Konstruktion nicht an. Dafür wurde aber in Riehm:

Schuld

recht:

Drittschadensliquidation

(JuS 2016, 462) eine solche kurz angedacht und dann verneint.

BEN

benjaminmeister

4.1.2025, 11:31:36

Interessante Idee! Dürfte aber wohl unzureichend sein, wenn der Dritte einen höheren Schaden hat, als den Wert der Sache (Entgangener Gewinn,

Betriebsausfallschaden

).

FalkTG

FalkTG

9.10.2024, 14:16:26

Anspruchsgrundlage wäre doch

§ 285 BGB

auf "Herausgabe" des DE Anspruches des S gegen D oder?

Sassun

Sassun

22.10.2024, 17:19:10

Ja (genauer: Anspruch G gem. § 285 I Var. 2 auf Abtretung des Anspruchs von S gegen D)

KI

KimLydia

27.1.2025, 19:24:49

Worin genau liegt der Schaden der Beschenkten? Im Wegfall des Anspruchs auf

Erfüllung

des Schenkungsvertrages?

BEN

benjaminmeister

2.3.2025, 12:39:47

Korrekt.

FTE

Findet Nemo Tenetur

9.4.2025, 22:30:52

Bemisst sich die Zufälligkeit der Schadensverlagerung aus Schädigerperspektive?

TI

Timurso

10.4.2025, 12:31:30

Ja, das steht so auch der Lösung zu Frage 5.

ALE

Aleton

1.5.2025, 18:05:42

vllt. kann mir einer erklären, was es mit dieser Zufälligkeit und Schädigerperspektive auf sich hat. Ich verstehe es nicht ganz.

TI

Timurso

2.5.2025, 19:41:08

@[Aleton](3836) nun, vorliegend hat den Schaden nicht der S, sondern der G. Das ist aus Sicht des Schädigers insofern zufällig, als dass dieser von den Vertrags- und Eigentumsverhältnissen zwischen S und G nichts weiß. Aus seiner Perspektive ist es nur: "Ich bin jemandem ins Auto gefahren und habe einen Schaden verursacht". Ob diesen Schaden jetzt der S, der G oder jemand ganz anderes hat, kann der Schädiger weder wissen, noch ist es für ihn großartig interessant. Wenn der, der den Schaden hat, und der, der als Inhaber des Rechtsguts den Anspruch hat, auseinanderfallen, wäre es daher unbillig, das zu Gunsten des Schädigers wirken zu lassen.

ALE

Aleton

2.5.2025, 19:44:17

Ich hab es jetzt verstanden. Vielen Dank für deinen Kommentar 👍


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community