„Fraport-Urteil“
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A plant eine Demo gegen Abschiebungen im Flughafen der F-AG (F), welche zu 70 % im Eigentum der öffentlichen Hand und zu 30 % in privatem Eigentum liegt. F ist dagegen und erteilt A ein Hausverbot.
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Einordnung des Falls
In dieser Entscheidung begründet das BVerfG die unmittelbare Grundrechtsbindung von juristischen Personen des Privatrechts, die zu mehr als 50 % vom Staat beherrscht werden. Kernaussage: „Von der öffentlichen Hand beherrschte gemischtwirtschaftliche Unternehmen in Privatrechtsform unterliegen ebenso wie im Alleineigentum des Staates stehende öffentliche Unternehmen, die in den Formen des Privatrechts organisiert sind, einer unmittelbaren Grundrechtsbindung.“
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Fällt die von A geplante Demonstration bereits aus dem Schutzbereich der Versammlungsfreiheit heraus, da sie nicht die Anforderungen des Versammlungsbegriffs erfüllt?
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. Unterliegen im Alleineigentum des Staates stehende öffentliche Unternehmen, die in den Formen des Privatrechts organisiert sind, einer unmittelbaren Grundrechtsbindung?
Ja!
3. Kann A sich gegenüber F unmittelbar auf die Versammlungsfreiheit gemäß Art. 8 Abs. 1 GG berufen?
Genau, so ist das!
4. Unterliegen von der öffentlichen Hand beherrschte gemischtwirtschaftliche Unternehmen, die in den Formen des Privatrechts organisiert sind, einer unmittelbaren Grundrechtsbindung?
Ja, in der Tat!
5. Muss die F-AG grundrechtsverpflichtet sein, damit A sich gegenüber der F-AG auf die Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) berufen kann, muss die F-AG grundrechtsverpflichtet sein?
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Larissa3
29.10.2022, 16:54:54
Wie ist es, wenn weniger als die Hälfte in der öffentlichen Hand liegt? Würde man dann auf die
mittelbare Drittwirkungabstellen?
Nora Mommsen
3.11.2022, 13:52:37
Hallo Larissa3, die
mittelbare Drittwirkungbezeichnet die Konstellation, dass Zivilgerichte bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe, den sogenannten "Einfallstoren für die Grundrechte" ebendiese auch bei der Beurteilung der Rechtsverhältnisse zwischen zwei Privaten nicht grundrechtsverpflichteten beachten müssen. Würde ein Zivilgericht entscheiden, wäre dies verpflichett die jeweiligen Grundrechte von A und dann auch F in Form des Art. 12 I GG zu beachten. Auf diesen kann sich F als nicht Grundrechtsverpflichtete nämlich dann berufen. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
as.mzkw
12.10.2024, 22:36:50
Blackiel
27.10.2024, 09:39:55
Hallo @[as.mzkw](244917), das ist eine gute Nachfrage!
Beschwerdegegenstand einer VB ist jeder Akt der öffentlichen Gewalt, also Judikative, Exekutive und Legislative. Das Hausverbot müsste also ein
hoheitliches Handeln darstellen. Zwar ist der Flughafen zum überwiegenden Anteil im Eigentum des Staates, der Flughafen selbst ist jedoch privatisiert und nimmt keine
hoheitlichen Aufgaben wahr. Folglich ist das Hausverbot mE kein tauglicher
Beschwerdegegenstand. Anders wäre dies, wenn der Kläger gegen ein letztinstanzliches Urteil oder gegen ein Gesetz vorgeht. Zum Prüfungsstandort: Ich würde es in der Begründetheit bei der Eröffnung des Schutzbereiches ansprechen. Dort muss erstmals klar gestellt werden, dass Grundrechte Abwehrrechte sind und nur unmittelbar gegenüber dem Staat Anwendung finden. Gegenüber Dritten wirken sie mittelbar. LG