Öffentliches Recht
Grundrechte
Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG)
Grundrechtsbindung gemischtwirtschaftlicher Unternehmen („Fraport“)
Grundrechtsbindung gemischtwirtschaftlicher Unternehmen („Fraport“)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A plant eine Demo gegen Abschiebungen im Flughafen der F-AG (F), welche zu 70 % im Eigentum der öffentlichen Hand und zu 30 % in privatem Eigentum steht. F ist dagegen und erteilt A ein Hausverbot.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Grundrechtsbindung gemischtwirtschaftlicher Unternehmen („Fraport“)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die von A geplante Demonstration fällt unter den Versammlungsbegriff.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Der Schutzbereich der Versammlungsfreiheit gemäß Art. 8 Abs. 1 GG erfasst als geschütztes Verhalten auch die Wahl des Versammlungsortes.
Ja, in der Tat!
3. Aktiengesellschaften können sich auf das Eigentumsrecht (Art. 14 GG) berufen.
Ja!
4. Die F-AG kann sich gegenüber A ihrerseits auf ihr Grundrecht aus Art. 14 GG berufen.
Nein, das ist nicht der Fall!
5. Der Schutzbereich der Versammlungsfreiheit ist eröffnet, weil die F-AG unmittelbar an Grundrechte gebunden ist.
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Ira
9.8.2021, 13:27:30
Verstehe nicht - erst steht „kann nicht“ dann „kann - in Grenzen“. Das ist verwirrend!
Ferdinand
9.8.2021, 21:43:35
Falls du dich auf die letzte Frage/Antwort des Falls beziehst: Da die F-AG mehrheitlich im Eigentum der öffentlichen Hand ist, kann sie sich nicht auf Art. 14 GG berufen (
Konfusionsargument: Man kann nicht gleichzeitig dem Grundrechtsschutz verpflichtet sein und selbst geschützt werden). Eine andere Frage ist die Ausübung des Hausrechts. Selbstverständlich können auch staatliche Institutionen/
Behörden oder eben eine AG, die mehrheitlich von der öffentlichen Hand beherrscht wird, in ihren Räumlichkeiten ein (einfachgesetzliches) Hausrecht ableiten. Man denke bspw. an den Klausurklassiker des Hausverbots im Rathaus.
Ira
10.8.2021, 10:43:21
Vielen Dank!
CR7
16.4.2024, 14:31:49
Liebes Team, super Darstellung! Mir fehlt hier allerdings die Diskussion, ob eine Versammlung in einem Gebäude eine Versammlung unter freiem Himmel ist. Dies hat das BVerfG bejaht, da es der Flughafen-Terminal für den allgemeinen Publikumsverkehr zugänglich ist. Unter freiem Himmel ist nicht wörtlich zu verstehen. LG :) "Der Begriff der „Versammlung unter freiem Himmel“ des Art. 8 II GG darf nicht in einem engen Sinne als Verweis auf einen nicht überdachten Veranstaltungsort verstanden werden. Sein Sinn erschließt sich vielmehr zutreffend erst in der Gegenüberstellung der ihm unterliegenden versammlungsrechtlichen Leitbilder: Während „Versammlungen unter freiem Himmel“ idealtypisch solche auf öffentlichen Straßen und Plätzen sind, steht dem als Gegenbild die Versammlung in von der Öffentlichkeit abgeschiedenen Räumen wie etwa in Hinterzimmern von Gaststätten gegenüber. Dort bleiben die Versammlungsteilnehmer unter sich und sind von der Allgemeinheit abgeschirmt, so dass Konflikte, die eine Regelung erforderten, weniger vorgezeichnet sind. Demgegenüber finden Versammlungen „unter freiem Himmel“ in der unmittelbaren Auseinandersetzung mit einer unbeteiligten Öffentlichkeit statt (vgl. Arbeitskreis Versammlungsrecht, Musterentwurf eines Versammlungsgesetzes, Enders/Hoffmann-Riem/Kniesel/Poscher/Schulze-Fielitz [Hrsg.], 2011, Begründung zu § 10, S. 34). Hier besteht im Aufeinandertreffen der Versammlungsteilnehmer mit Dritten ein höheres, weniger beherrschbares Gefahrenpotenzial: Emotionalisierungen der durch eine Versammlung herausgeforderten Auseinandersetzung können sich im Gegenüber zu einem allgemeinen Publikum schneller zuspitzen und eventuell Gegenreaktionen provozieren. Die Versammlung kann hier leichter Zulauf finden, sie bewegt sich als Kollektiv im öffentlichen Raum. Art. 8 II GG ermöglicht es dem Gesetzgeber, solche Konflikte abzufangen und auszugleichen. (NJW 2011, 1201 Rn. 77, beck-online)"
SenorLucky
3.9.2024, 19:39:34
Danke dir für die Ergänzung. Wieder was gelernt :)
QuiGonTim
27.10.2024, 14:40:48
Wäre es in einer ähnlich gelagerten Klausur sinnvoll, die Interessen der privaten Anteilseigner auf der Rechtfertigungsebene gesondert in die Abwägung miteinzubeziehen?
Wendelin Neubert
30.10.2024, 14:24:15
Danke für Deine Frage, aber lass mich – zum besseren Verständnis und zur gedanklichen Anregung – zurückfragen: Wie würdest Du die Interessen der privaten Anteilseigner auf der Rechtfertigungsebene gesondert in die Abwägung miteinbeziehen wollen, @[QuiGonTim](133054)? Und inwieweit kämst Du zu einem anderen Ergebnis als wenn der Staat 100% der Gesellschaftsanteile hielte? Beste Grüße - Wendelin für das Jurafuchs-Team