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Arbeitsrecht

Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Fehlerhafte Anhörung des Betriebsrats vor Kündigung

Fehlerhafte Anhörung des Betriebsrats vor Kündigung

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

Programmierer P fällt während der Arbeitszeit häufig in Sekundenschlaf. Zweimal wurde er hierfür bereits abgemahnt. Nach Anhörung des Betriebsrats wird er schließlich verhaltensbedingt gekündigt. Arbeitgeber A hatte gegenüber dem Betriebsrat angegeben, es habe bereits viele Abmahnungen gegeben.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

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Einordnung des Falls

Fehlerhafte Anhörung des Betriebsrats vor Kündigung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Kündigung ist nur wirksam, wenn der Betriebsrat der Kündigung zugestimmt hat.

Nein, das trifft nicht zu!

Aus § 102 BetrVG folgt lediglich eine Anhörungspflicht. Der Betriebsrat hat also nur ein Anhörungsrecht, aber kein echtes Mitbestimmungsrecht. Daher muss der Arbeitgeber keine inhaltliche Zustimmung des Betriebsrates herbeiführen, sondern nur für eine ordnungsgemäße Durchführung der Anhörung sorgen. Allerdings kann ein Zustimmungserfordernis durch Betriebsvereinbarung festgelegt werden, § 102 Abs. 6 BetrVG.
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2. Für eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung reicht es aus, dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat nur die Tatsachen mitteilt, die er subjektiv für kündigungsrelevant hält.

Ja!

Die Betriebsratsanhörung ist nur ordnungsgemäß, wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Gründe der geplanten Kündigung mitteilt (§ 102 Abs. 1 S. 2 BetrVG). Es reicht aus, dass er den Betriebsrat über alle Tatsachen informiert, auf die er die Kündigung stützen will und die aus seiner subjektiven Sicht für den Kündigungsentschluss maßgeblich sind (Grundsatz der subjektiven Determinierung). Unschädlich ist insoweit, wenn Arbeitgeber objektiv kündigungsrelevante Tatsachen dem Betriebsrat nicht mitteilt, weil er selbst seine Kündigung nicht darauf stützen will. Allerdings trägt Arbeitgeber dann Risiko, dass die Tatsachen, die er subjektiv für maßgeblich gehalten hat, auch tatsächlich die Kündigung tragen. Sofern diese nicht ausreichen, können Gründe nicht ohne Weiteres nachgeschoben werden (Präklusion bezüglich nicht mitgeteilter Kündigungsgründe).

3. Hier ist die Betriebsratsanhörung ordnungsgemäß erfolgt.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Anhörung ist inhaltlich unzureichend und somit unwirksam, wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat bewusst unrichtige oder unvollständige Sachverhaltsdarstellungen unterbreitet, um die Kündigung möglichst überzeugend darzustellen oder einen für die Entschließung des Betriebsrats wesentlichen Umstand verschweigt. Bei einer verhaltensbedingten Kündigung muss der Arbeitgeber das kündigungsrelevante Verhalten genau bezeichnen sowie dem Betriebsrat Umstände mitteilen, die den Arbeitnehmer entlasten und damit gegen eine Kündigung sprechen. A macht irreführende Angaben (zwei Abmahnungen sind nicht „viele“ Abmahnungen). A hat damit den Sachverhalt in wesentlichen Punkten bewusst unvollständig wiedergegeben, sodass Anhörung unzureichend und unwirksam ist.

4. Ist die Kündigung wirksam?

Nein, das trifft nicht zu!

Für die Wirksamkeit der Kündigung ist bei Anwendbarkeit des BetrVG erforderlich, dass vor Ausspruch der Kündigung der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört wird (§ 102 BetrVG) wurde. An einer Anhörung im Sinne des § 102 Abs. 1 BetrVG fehlt es nicht nur, wenn der Arbeitgeber kündigt, ohne überhaupt den Betriebsrat unterrichtet zu haben. Auch wenn der Arbeitgeber seine Mitteilungspflichten nicht richtig, insbesondere nicht ausführlich genug erfüllt oder wenn er sogar den Kündigungssachverhalt bewusst unrichtig darstellt, fehlt es an einer ordnugnsgemäßen Anhörung. Aufgrund der bewusst unvollständigen und damit irreführenden Darstellung des Kündigungssachverhalts durch A, ist die Anhörung fehlerhaft erfolgt. Folglich ist die Kündigung mangels ordnungsgemäßer Betriebsratsanhörung unwirksam (§ 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

IS

IsiRider

6.11.2022, 21:19:10

Die Abmahnung verliert ab einer gewissen Anzahl doch an ihrer Wirkkraft. Muss ein Arbeitgeber mehr als zweimal abmahnen bevor er die Kündigung erklärt? Reicht es nicht aus generell vorher abgemahnt zu haben?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

7.11.2022, 13:18:36

Hallo IsiRider, du hast absolut Recht, dass eine Abmahnung ihre Warnfunktion verliert, wenn zu oft abgemahnt wurde. Wie oft abzumahnen ist hängt immer vom konkreten Einzelfall ab, so führt nicht generell eine zweimale Abmahnung zu einem Kündigungsrecht. Genausowenig wird eine dritte oder vierte Abmahnung wegen der immer gleichen Pflichtverletzung werlos, sonst wäre der nachsichtige Arbeitgeber vom Kündigungsrecht benachteiligt. Bei mehrfacher Abmahnung ist nach der Rechtsprechung des BAG eine "besonders eindringliche" letzte Abmahnung erforderlich um eine Kündigung zu ermöglichen. Diese muss also zum Ausdruck bringen, dass sie endgültiger ist als die vorangegangenen Abmahnungen wegen der gleichen Pflichtverletzungen. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

BE

Bioshock Energy

10.9.2024, 16:12:51

Genügt es überhaupt dem Betriebsrat als Kündigungsgrund nur mitzuteilen, dass bereits einige Abmahnungen ausgesprochen wurden? In der Aufgabe wird gesagt, dass das Verhalten, also die subjektiven Kündigungsgründe, auf die der AG seine Kündigung stützen will genau benannt werden müssen. Dementsprechend würde der Vortrag des AG´````s hier als Kündigungsgrund ohnehin nicht ausreichen oder?


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