Nachschieben von Gründen
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Arbeitgeber A erklärt F, die ordentliche Kündigung, da er trotz Abmahnung an drei Tagen unentschuldigt fehlte. Der Betriebsrat wird dazu angehört. Er widerspricht der Kündigung. Im Prozess erinnert sich A, dass F bereits zuvor mehrfach unentschuldigt gefehlt hat. A will die Kündigung auch hierauf stützen.
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Einordnung des Falls
Nachschieben von Gründen
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Wirksamkeit der Kündigung steht bereits entgegen, dass der Betriebsrat der Kündigung widerspricht.
Nein!
Jurastudium und Referendariat.
2. Es ist für den Arbeitgeber grundsätzlich möglich, noch während des Kündigungsschutzprozesses von vornherein vorliegende kündigungsrelevante Tatsachen nachzuschieben.
Genau, so ist das!
3. Das Nachschieben von Kündigungsgründen ist auch dann möglich, wenn der Betriebsrat zu diesen Gründen vorher nicht angehört wurde.
Nein, das trifft nicht zu!
4. A kann die weiteren unentschuldigten Fehlzeiten des F, an die er sich erinntert hat, im Kündigungsschutzprozess zulässigerweise nachschieben.
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Unterfertigter
26.2.2024, 10:49:34
Wieso können denn nur die Informationen nachgeschoben werden, die vorher bei der Anhörung des Betriebsrats genannt wurden?
der unerkannt geisteskranke E
27.7.2024, 15:22:31
Die Anhörung des Betriebsrates muss bezüglich aller die Kündigung (vermeintlich) rechtfertigenden Tatsachen angehört werden und kann nicht nachgeholt werden. Werden Tatsachen nachgeschoben, die nicht Gegenstand der Anhörung waren, um die Kündigung zu rechtfertigen, dann war die Anhörung nicht ordnungsgemäß und die Kündigung ist bereits deshalb unwirksam, § 102 I 3 BetrVG.
Tobias Krapp
10.11.2024, 00:35:02
Hallo @[Unterfertigter](158363), ergänzend zur richtigen Antwort von @[der
unerkannt geisteskranke E](199982) zu dem von dir angesprochenen Telos: Die Anhörung soll dem Betriebsrat die Gelegenheit verschaffen, auf den auf einem bestimmten Sachverhalt beruhenden Kündigungsentschluss des AGs aktiv einzuwirken. Dieser Zweck kann nicht erreicht werden, wenn der AG die Kündigung auf einen Sachverhalt stützt, der dem Betriebsrat nicht genannt wurden. Die Anhörung kann insoweit auch nicht nachgeholt werden, da der Entschluss des AGs ja bereits steht, wenn er die Gründe nachschiebt und damit die Kündigung nun auch hierauf stützt. Daher verlangt das BAG die Anhörung des Betriebsrats vor dem Nachschieben. Ich hoffe, das hat die letzten Fragezeichen beseitigt! Viele Grüße - für das Jurafuchsteam - Tobias
B.H.
26.10.2024, 11:43:42
s.o.
Linne_Karlotta_
28.10.2024, 10:28:50
Hallo B.H. , vielen Dank für Deinen Hinweis! Wir haben den Fehler auf unsere Liste gesetzt und werden ihn im nächsten Korrekturgang beheben. Deine Aufmerksamkeit hilft uns, die Qualität unserer Inhalte hochzuhalten. Wir werden diesen Thread als erledigt markieren, sobald wir den Fehler behoben haben. Beste Grüße, Linne_Karlotta_, für das Jurafuchs-Team
B.H.
26.10.2024, 11:47:30
D.h. sobald der AG irgendwann einmal Kenntnis von einem Kündigungsgrund erlangt hat und dem Betriebsrat dies nicht mitgeteilt hat, kann er diesen nach Prozessbeginn keinesfalls mehr nachschieben? Wäre ein
Nachschieben von Gründen, welche dem Betriebsrat zwar mitgeteilt wurden, welche jedoch nicht ggü. dem AN als Kündigungsgründe mitgeteilt wurden, im Prozess zulässig. Quasi als „Bestärkung“ der bestehenden Gründe?