Nachschieben von Gründen

5. Juli 2025

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Arbeitgeber A erklärt F, die ordentliche Kündigung, da er trotz Abmahnung an drei Tagen unentschuldigt fehlte. Der Betriebsrat wird dazu angehört. Er widerspricht der Kündigung. Im Prozess erinnert sich A, dass F bereits zuvor mehrfach unentschuldigt gefehlt hat. A will die Kündigung auch hierauf stützen.

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Einordnung des Falls

Nachschieben von Gründen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Wirksamkeit der Kündigung steht bereits entgegen, dass der Betriebsrat der Kündigung widerspricht.

Nein!

Aus § 102 BetrVG folgt lediglich eine Anhörungspflicht. Der Betriebsrat hat nur ein Anhörungsrecht, aber kein echtes Mitbestimmungsrecht. Der Arbeitgeber muss somit keine inhaltliche Zustimmung des Betriebsrates herbeiführen, sondern nur für eine ordnungsgemäße Durchführung der Anhörung sorgen. Die Betriebsratsanhörung ist ordnungsgemäß erfolgt, da es nur auf die aus Sicht des Arbeitgebers maßgeblichen Kündigungsgründe ankommt (Grundsatz der subjektiven Determiniertheit). A hat gerade die für ihn allein maßgebliche Tatsache des Fehlens des F an drei Tagen dem Betriebsrat vorgetragen. Die Kündigung ist somit nicht aufgrund des Widerspruchs durch den Betriebsrat unwirksam.
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2. Es ist für den Arbeitgeber grundsätzlich möglich, noch während des Kündigungsschutzprozesses von vornherein vorliegende kündigungsrelevante Tatsachen nachzuschieben.

Genau, so ist das!

Wenn der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess feststellt, dass die bisher genannten Gründe für die soziale Rechtfertigung der Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG nicht ausreichen werden, möchte er regelmäßig weitere Gründe nachschieben. Dies ist grundsätzlich möglich. Allerdings können nur solche Gründe nachgeschoben werden, die im Zeitpunkt der Kündigung bereits objektiv bestanden haben. Bezüglich später entstandener Kündigungsgründe ist lediglich eine neue Kündigung möglich. Das heißt: alle vor dem Kündigungszeitpunkt liegenden Tatsachen kann der Arbeitgeber grundsätzlich nachschieben.

3. Das Nachschieben von Kündigungsgründen ist auch dann möglich, wenn der Betriebsrat zu diesen Gründen vorher nicht angehört wurde.

Nein, das trifft nicht zu!

Der Grundsatz des Nachschiebens von Kündigungsgründen wird durch § 102 BetrVG begrenzt. Danach muss der Betriebsrat zu allen für die Kündigung wesentlichen Tatsachen vor Ausspruch der Kündigung angehört werden (§ 102 BetrVG). Folglich scheidet ein Nachschieben von Kündigungsgründen dann aus, wenn (1) der Betriebsrat zu dem nachgeschobenen Grund bisher noch nicht angehört worden ist und (2) dem Arbeitgeber die nachzuschiebenden Tatsachen im Kündigungszeitpunkt bereits bekannt waren. Wenn der Arbeitgeber die Tatsachen erst später erfährt, lässt das BAG ein Nachschieben dagegen zu. Allerdings muss der Arbeitgeber das Anhörungsverfahren analog § 102 BetrVG nachholen, bevor er den Kündigungsgrund nachschiebt.

4. A kann die weiteren unentschuldigten Fehlzeiten des F, an die er sich erinntert hat, im Kündigungsschutzprozess zulässigerweise nachschieben.

Nein!

Die Tatsache, dass F bereits in den Jahren vor Kündigung mehrfach unentschuldigt gefehlt hat, war dem A im Kündigungszeitpunkt bereits bekannt. Dennoch unterließ er es, den Betriebsrat dazu anzuhören. Aufgrund seiner früheren Kenntnis kann er die Anhörung nicht nachholen und ein Nachschieben dieser Tatsachen ist damit im Kündigungsschutzprozess nicht möglich.
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