Zivilrechtliche Nebengebiete

Arbeitsrecht

Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Keine erheblichen Beeinträchtigungen der betrieblichen Interessen

Keine erheblichen Beeinträchtigungen der betrieblichen Interessen

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Buchhalterin B fehlt seit 2012 wiederholt krankheitsbedingt. In den Jahren 2015, 2016 und 2018 bestand aufgrund der Länge der Fehlzeiten keine Entgeltfortzahlungspflicht für Arbeitgeber A. 2018 kündigt A der B ordentlich unter Verweis auf seine wirtschaftlichen Belastungen im Zusammenhang mit Bs Fehlzeiten. Das KSchG ist anwendbar.

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Einordnung des Falls

Keine erheblichen Beeinträchtigungen der betrieblichen Interessen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Es liegt eine negative Gesundheitsprognose hinsichtlich der Erkrankung der B vor.

Genau, so ist das!

Im Zeitpunkt des Kündigungszugangs müssen objektive Tatsachen vorliegen, die die ernste Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang rechtfertigen (negative Gesundheitsprognose). Es muss also Wiederholungsgefahr hinsichtlich der Fehlzeiten bestehen. Als Indiz dienen vorangegangene krankheitsbedingte Fehlzeiten. B war in den letzten Jahren sehr häufig arbeitsunfähig krank, woraus sich die ernste Besorgnis weiterer Erkrankungen in Zukunft ergibt. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte besteht somit eine Wiederholungsgefahr und negative Gesundheitsprognose.
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2. Eine negative Gesundheitsprognose allein reicht für eine krankheits- und personenbedingte Kündigung aus.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Krankheit hat erst dann Kündigungsrelevanz, wenn von ihr störende Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis ausgehen. Neben einer (1) negativen Gesundheitsprognose sind daher zudem (2) eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen durch die entstandenen und prognostizierten Fehlzeiten und (3) eine umfassende Interessenabwägung im Einzelfall, ob die erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung des Arbeitgebers führt, erforderlich.

3. Erhebliche Beeinträchtigungen betrieblicher Interessen können sich aus konkreten Betriebsablaufstörungen oder erheblichen wirtschaftlichen Belastungen des Arbeitgebers ergeben.

Ja!

Es muss eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher oder wirtschaftlicher Interessen festgestellt werden. In Betracht kommen einerseits Störungen im Betriebsablauf aufgrund wiederholter Ausfallzeiten des Arbeitnehmers. Solche dürfen nicht durch Überbrückungsmaßnahmen vermeidbar sein (Kündigung als ultima ratio). Andererseits können infolge des Krankheitsausfalls wirtschaftliche finanzielle Interessen des Arbeitgebers erheblich beeinträchtigt sein.Die Darlegung einer erheblichen Beeinträchtigung ist nur entbehrlich, wenn die Arbeitnehmerin dauerhaft leistungsunfähig ist oder in den nächsten 24 Monaten nicht mit einer Rückkehr gerechnet werden kann.

4. Aufgrund der Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers nach §§ 3, 4 EFZG kann eine kündigungsrelevante wirtschaftliche Belastung vorliegen.

Genau, so ist das!

Eine kündigungsrelevante wirtschaftliche Belastung liegt dann vor, wenn in Zukunft mit Entgeltfortzahlungen gemäß §§ 3, 4 EFZG zu rechnen ist, die über die Dauer von sechs Wochen innerhalb eines Jahres hinausgehen, beispielsweise in Fällen des § 3 Abs. 1 S. 2 EFZG. Für die Erstellung einer Prognose ist ein vergangenheitsbezogener Referenzzeitraum von drei Jahren maßgeblich.

5. A ist infolge etwaiger Entgeltfortzahlungen (§§ 3, 4 EFZG) an B während der gesamten Zeit von 2012-2018 erheblich in seinen betrieblichen Interessen beeinträchtigt.

Nein, das trifft nicht zu!

Zwar wies B von 2012-2018 durchgehend erhebliche Fehlzeiten auf. Allerdings sind für die Prognose, inwieweit künftig eine wirtschaftliche Belastung vorliegt, lediglich die letzten drei Jahre vor Kündigung zu berücksichtigen. In diesem maßgeblichen Zeitraum musste A zwei Jahre lang aufgrund von längeren, nicht mehr entgeltfortzahlungspflichtigen Arbeitsunfähigkeitszeiten überhaupt keine Entgeltfortzahlung leisten, sodass auch nicht der jährliche Betrag, der gemäß §§ 3, 4 EFZG als Entgeltfortzahlung für sechs Wochen geschuldet ist, überstiegen wurde. Dies rechtfertigt somit nicht die Prognose von weiteren erheblichen wirtschaftlichen Belastungen des A.

6. Die ordentliche Kündigung ist vorliegend sozial gerechtfertigt und wirksam.

Nein!

Damit die Kündigung aus kranken- und personenbedingten Gründen sozial gerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 KSchG) ist, sind (1) eine negative Gesundheitsprognose, (2) eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen durch die entstandenen und prognostizierten Fehlzeiten und (3) umfassende Interessenabwägung im Einzelfall, ob die erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung des Arbeitgebers führt, erforderlich. Zwar liegt eine negative Gesundheitsprognose vor, jedoch fehlt es an einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen durch die entstandenen und prognostizierten Fehlzeiten. Mithin ist die ordentliche Kündigung sozial ungerechtfertigt und somit unwirksam.Dass es zu Störungen im Betriebsablauf gekommen war, hatte der Arbeitgeber im Prozess nicht dargelegt. Auch insoweit fehlte es an einer Beeinträchtigung betrieblicher Interessen.
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