Öffentliches Recht

Polizei- und Ordnungsrecht

Polizeiliche Standardmaßnahmen

Prüfungsstruktur der Standardmaßnahmen (Grundfall)

Prüfungsstruktur der Standardmaßnahmen (Grundfall)

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Drogendealer D wurde mehrmals auf dem Bahnhofsvorplatz beim Dealen erwischt. Als Polizist P ihn dort erblickt, erteilt er ihm nach einer Anhörung ein Aufenthaltsverbot für den Platz für drei Monate. Wutentbrannt verlässt D den Bahnhofsvorplatz.

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Einordnung des Falls

Prüfungsstruktur der Standardmaßnahmen (Grundfall)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Standardmaßnahme ist rechtmäßig, wenn sie auf einer tauglichen Ermächtigungsgrundlage beruht und die Maßnahme formell und materiell rechtmäßig ist.

Ja!

Die Prüfung einer Standardmaßnahme gleicht im Grundgerüst der Prüfung der Generalklausel. Zunächst ist die richtige Ermächtigungsgrundlage zu identifizieren. Danach ist die formelle und materielle Rechtmäßigkeit zu prüfen. Sowohl bei der formellen als auch materielle Rechtmäßigkeit kann es zu Modifikationen im Unterschied zur Generalklausel kommen.
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2. Zu Beginn muss eine taugliche Ermächtigungsgrundlage identifiziert werden.

Genau, so ist das!

Die Prüfung beginnt mit der Identifizierung der richtigen Rechtsgrundlage. Als Faustregel gilt: Je typischer und häufiger das polizeiliche Handeln, desto wahrscheinlich ist, dass eine Standardermächtigung vorliegt. Der Rückgriff auf Generalklausel ist dann verwehrt. Als Ermächtigungsgrundlage kommen die landesgesetzlichen Regelungen zum Aufenthaltsverbot in Betracht (zB, § 17 Abs. 3 NPOG, § 21 Abs. 1 SächsPVDG, § 13 Abs. 3 POG RP). D wurde für einen längeren Zeitraum (drei Monate) eines konkreten Platzes (Bahnhofsvorplatz) verwiesen. Es liegt ein Aufenthaltsverbot. Ist eine Standardermächtigung einschlägig, solltest Du keinesfalls noch die Generalklausel als Rechtsgrundlage prüfen. Kommen hingegen mehrere Standardmaßnahmen in Betracht, solltest Du alle (an-)prüfen. Es folgt eine Abgrenzung der einzelnen Standardmaßnahmen, um die richtige Rechtsgrundlage zu identifizieren. Hier solltest Du Aufenthaltsverbot und Platzverweis voneinander abgrenzen.

3. Die Standardmaßnahme muss formell rechtmäßig sein.

Ja, in der Tat!

Die Rechtmäßigkeit jeder Standardmaßnahme setzt neben der tauglichen Ermächtigungsgrundlage voraus, dass die Maßnahme formell rechtmäßig ist. Dafür sind Zuständigkeits-, Verfahrens- und Formvorschriften einzuhalten. Beim Verfahren ist neben der Anhörung (§ 28 Abs. 1 VwVfG) zu beachten, dass manche Standardermächtigungen besondere Verfahrensvorschriften definieren. Beispielweise erfordert die Ingewahrsamnahme nach den Landespolizeigesetzen die Wahrung des Richtervorbehaltes.

4. Der Adressat ist immer vor der Standardmaßnahme anzuhören.

Nein!

Ein Anhörung ist bei belastenden Verwaltungsakten erforderlich (§ 28 Abs. 1 VwVfG). Stellt die Standardmaßnahme einen Verwaltungsakt dar, ist stets an die Entbehrlichkeit der Anhörung wegen Gefahr in Verzug zu denken (§ 28 Abs. 2 Nr. 1 VwvfG). Die umstrittene Frage nach der Rechtsnatur von Standardmaßnahmen kann im Rahmen der Anhörung aufkommen. Diese setzt einen belastenden Verwaltungsakt voraus (§ 28 Abs. 1 VwVfG). Die Entscheidung, ob ein Realakt oder Verwaltungsakt vorliegt, kannst Du allerdings offen lassen, wenn die Anhörung ohnehin wegen Gefahr in Verzug entbehrlich ist (§ 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG)

5. Im Rahmen der materiellen Rechtmäßigkeit müssen zunächst die Tatbestandsvoraussetzungen geprüft werden.

Genau, so ist das!

Zu Beginn der materiellen Rechtmäßigkeitsprüfung müssen die Tatbestandsvoraussetzungen der Standardmaßnahme geprüft werden. Häufig modifizieren oder erweitern die Standardermächtigungen die Tatbestandsvoraussetzungen der Generalklausel. Ein Aufenthaltsverbot kann beispielsweise erlassen werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine Person in einem bestimmten Ort eine Straftat begehen wird (z.B. § 17 Abs. 3 NPOG, § 21 Abs. 1 SächsPVDG, § 13 Abs. 3 POG RP). D hat schon mehrmals am Bahnhofsvorplatz mit Drogen gedealt. Diese Tatsache erlaubt den Rückschluss, dass D dies erneut dort tun wird. Die Tatbestandsvoraussetzungen liegen vor. Du musst die einzelnen Tatbestandsmerkmale der Standardmaßnahmen nicht auswendig lernen! Eine saubere Arbeit am Gesetzestext und die gründliche Anwendung der Auslegungsmethoden sind in der Regel ausreichend. Diejenigen Fälle, in denen Du die Begrifflichkeit kennen musst, erläutern wir Dir hier im Kurs.

6. Bei der Auswahl des richtigen Adressaten kann immer auf die allgemeinen der polizeilichen Verantwortlichkeit nach Maßgabe des anwendbaren Landespolizeigesetzes zurückgegriffen werden.

Nein, das trifft nicht zu!

Auch Standardmaßnahmen sind an den richtigen Adressaten zu richten. Häufig bestimmten die Standardmaßnahmen den Adressaten selbst. Ist dies nicht der Fall, kann auf die allgemeinen Regeln der polizeilichen Verantwortlichkeit (Stichwort Störerbegriff) zurückgegriffen werden. Ein Aufenthaltsverbot kann zulasten der Person erlassen werden, welche droht, die Straftat zu begehen (z.B. § 17 Abs. 3 NPOG, § 21 Abs. 1 SächsPVDG, § 13 Abs. 3 POG RP). Somit ist D im Ausgangsfall tauglicher Adressat.

7. Auf Rechtsfolgenseite steht der Polizei ein unbeschränktes Entschließungs- und Auswahlermessen zu.

Nein!

Ist der Tatbestand der Ermächtigungsgrundlage erfüllt, ist auf Rechtsfolgenseite in aller Regel Ermessen eröffnet. Hier ist zu prüfen, ob die Polizei die richtige Rechtsfolge getroffen hat. Die Maßnahme ist auf Ermessenfehler nach der Ermessensfehlerlehre zu überprüfen. Es muss differenziert werden zwischen Entschließungsermessen (Frage, ob gehandelt werden soll) und Auswahlermessen (Frage, welche Maßnahme zu ergreifen ist). Das Auswahlermessen ist bei Standardmaßnahmen auf die speziellen Handlungsbefugnisse der jeweiligen Standardmaßnahme beschränkt. Hier wird in der Regel ein Schwerpunkt der Klausur liegen. Die Ermessensfehlerlehre öffnet das Tor zu einer umfangreichen Grundrechts- und/oder Verhältnismäßigkeitsprüfung.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

ER

Eric

21.11.2022, 13:08:15

Auch hier: Aufenthaltsuntersagung § 21 II SächsPolG a.F. —> § 21 I SächsPVDG (keine Regelung im SächsPBG, d.h. dort unzulässig).

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

22.11.2022, 13:05:53

Danke Dir, ist aktualisiert :-)

Izapella

Izapella

11.3.2023, 16:35:29

Also in diesem Fall müsste ich die Störereigenschaft dann nicht noch zusätzlich prüfen, verstehe ich das richtig?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

12.3.2023, 10:34:54

Hallo Izapella, danke für deine Frage. Die Störereigenschaft ist immer zu prüfen. Entweder ist der Störer im Tatbestand genau definiert oder man bedient sich der allgemeinen polizeirechtlichen Störernormen. Aber die Störereigenschaft ist im Rahmen des Tatbestands immer festzustellen. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team


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