+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Es ist Ende des Monats. Fiona ist einsam und pleite. Sie geht zum Prostituierten P. Sie täuscht P, indem sie vorgibt, sie würde nach dem Akt bar bezahlen. Da Fiona pleite ist, kann sie P nach dem Akt nicht bezahlen. Sie möchte P bezahlen, sobald sie ihr Gehalt bekommt.

Einordnung des Falls

Gefährdungsschaden

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Fiona hat P getäuscht.

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Genau, so ist das!

Eine Täuschung ist das Einwirken auf einen anderen mit dem Ziel der Erregung eines Irrtums. Fiona hat den O über ihre gegenwärtige Zahlungswilligkeit und Zahlungsfähigkeit getäuscht und P ist insoweit einem Irrtum erlegen.

2. Hat P eine Vermögensverfügung getätigt?

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Ja, in der Tat!

Eine Vermögensverfügung ist jedes Handeln, Dulden oder Unterlassen das sich unmittelbar vermögensmindernd auswirkt. P hat den Geschlechtsakt mit Fiona vollzogen und damit seine vertragliche Verpflichtung erfüllt.

3. Liegt ein Vermögensschaden vor, wenn Fiona einige Tage später tatsächlich bezahlen möchte?

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Ja!

Ein Vermögensschaden ist ein negativer Saldo, welches im Wege einer Gesamtbetrachtung aller Zu- und Abflüsse im Zusammenhang mit der Vermögensverfügung ermittelt wird.. Sofern ein erhöhtes Ausfallrisiko auf Seiten des Vertragspartners vorliegt, steht dem Verfügenden bei Abschluss des Vertrages kein äquivalenter Anspruch gegenüber und es ist ein Schaden zu bejahen. Ein erhöhtes Ausfallrisiko seitens Fiona ist wegen (1) der erst später eintretenden Zahlungsfähigkeit und wegen (2) der Notwendigkeit des Fortbestehend der Zahlungsbereitschaft anzunehmen.

4. Sobald Fiona dem P seine Vergütung bezahlt hat, entfällt der Vermögensschaden.

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Nein, das ist nicht der Fall!

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung des Vermögensschadens ist der Zeitpunkt der Vermögensverfügung. Zu diesem Zeitpunkt lag ein erhöhtes Ausfallrisiko seitens Fiona vor, sodass trotz des Anspruches des P gegen Fiona ein negativer Saldo entsteht. Alleine der Umstand, dass Fiona alsbald bezahlen kann und möchte, ändert nichts an dem Vermögensschaden zum Zeitpunkt der Vermögensverfügung.Eine spätere Zahlung stellt damit keine Schadenskompensation dar. Vielmehr würde es sich um eine Schadenswiedergutmachung handeln. Diese Wiedergutmachung hat keinen Einfluss auf die Verwirklichung des Tatbestands, sondern ist allein im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen.

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Johannes Nebe

Johannes Nebe

13.4.2023, 07:35:50

Die eine Frage ist, zu welchem Zeitpunkt der Vermögensschaden betrachtet werden muss. Entscheidend ist der Zeitpunkt der Vermögensverfügung. Die andere Frage ist, wie es sich mit der Verwirklichung des Straftatbestandes verhält, wenn der Vermögensschaden zu einem späteren Zeitpunkt ausgeglichen wird. Der Straftatbestand entfällt durch späteren Ausgleich nicht. Aus dieser Konstellation folgt aber nicht, dass mit der späteren Bezahlung der Vermögensschaden nicht ausgeglichen wird. Denn der Saldo ist dann nicht mehr negativ, und das Ausfallrisiko besteht auch nicht mehr. So wird es jedoch in der Antwort auf die Frage verlangt. Präzise müsste die Frage lauten: Sobald Fiona dem P seine Vergütung bezahlt hat, entfällt der anfängliche Vermögensschaden.

Kind als Schaden

Kind als Schaden

29.11.2023, 12:18:25

Ist die Subsumption zur 2. Frage (Vermögensverfügung des P) denn richtig? Den P trifft doch gerade keine vertragliche Pflicht zur Leistung des Geschlechtsakts, da gemäß § 1 ProstG der Vertrag nur einseitig verpflichtend ist.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

30.11.2023, 18:26:21

Hallo Kind als Schaden, danke für deine Frage. Die Tatsache, dass der Prostitutionsvertrag keine einklagbare Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung begründet, lässt nicht entfallen, dass es grundsätzlich einen Vermögenswert darstellt. Die Erbringung der Handlung stellt damit eine Vermögensverfügung dar. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Kind als Schaden

Kind als Schaden

30.11.2023, 18:40:28

Okay, Danke. Dass eine Vermögensverfügung vorliegt, ist ja unstreitig. Es ging mir bloß um den Wortlaut der Lösung, der ja gerade von vertraglicher Pflicht spricht und nicht von einer Handlung.

Dogu

Dogu

14.1.2024, 12:07:12

Wird wirklich keine vertragliche Verpflichtung begründet oder ist diese nicht lediglich nur nicht durchsetzbar im Sinne einer Naturalobligation? Mich erinnert der Fall an die Pflicht des Ehegatten zum Sex. Diese existiert, ist aber von den Gerichten nicht durchsetzbar.


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