Zivilrecht

Schuldrecht Allgemeiner Teil

Rücktritt

Vertragliches Rücktrittsrecht - richtige und rechtzeitige Selbstbelieferung vorbehalten

Vertragliches Rücktrittsrecht - richtige und rechtzeitige Selbstbelieferung vorbehalten

24. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Fahrradhändlerin F bestellt bei V 100 E-Bikes für die kommende Saison. V bestätigt dies, behält sich aber vor, nur bei richtiger und rechtzeitiger Lieferung des Lieferanten L zu leisten. F ist einverstanden. Da L insolvent wird, erklärt V, sie werde F nicht beliefern.

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Einordnung des Falls

Vertragliches Rücktrittsrecht - richtige und rechtzeitige Selbstbelieferung vorbehalten

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Durch den Abschluss des Kaufvertrags, hatte F einen Anspruch auf Lieferung von 100 E-Bikes erlangt.

Ja, in der Tat!

Bei Abschluss eines Kaufvertrages ist der Verkäufer verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen (§ 433 Abs. 1 BGB). F und V haben einen Kaufvertrag über 100 E-Bikes geschlossen. V war somit verpflichtet, diese zu übergeben und zu übereignen.
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2. Der Anspruch könnte durch Rücktritt des V erloschen sein.

Ja!

Durch den wirksamen Rücktritt wird ein Vertrag in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt. Damit entfallen noch nicht erfüllte primäre Ansprüche aus dem ursprünglichen Schuldverhältnis. Außerdem müssen bereits empfangene Leistungen und Nutzungen zurückgewährt werden (§ 346 Abs. 1 BGB). Ein wirksamer Rücktritt setzt (1) eine Rücktrittserklärung und (2) einen Rücktrittsgrund voraus. (3) Zudem darf der Rücktritt nicht ausgeschlossen sein.Der Rücktritt kann also entweder - wie hier - bei Prüfung des Primärleistungsanspruchs relevant werden oder bei der Frage der Rückgewähr der empfangenen Leistung.

3. V hat den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt.

Genau, so ist das!

Der Rücktritt erfordert nach § 349 BGB eine Erklärung gegenüber dem anderen Teil (=Rücktrittserklärung). Hierbei handelt es sich um eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärungen, die nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) auszulegen ist.Auch wenn V nicht explizit das Wort „Rücktritt“ verwendet hat, so ergibt sich nach dem objektiven Empfängerhorizont hinreichend deutlich, dass er nicht länger am Vertrag festhalten, sondern zurücktreten will.

4. Da V kein gesetzliches Rücktrittsrecht zusteht, darf er nicht zurücktreten.

Nein, das trifft nicht zu!

Da der Rücktritt den Grundsatz durchbricht, dass Verträge einzuhalten sind (=pacta sunt servanda), bedarf es für den einseitigen Rücktritt eines besonderen Rücktrittsrechts. Ein solches kann entweder vertraglich vereinbart sein (=Rücktrittsvorbehalt) oder sich aus dem Gesetz ergeben (z.B. bei einer mangelhaften Kaufsache: § 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 BGB).V und F hatten sich darauf geeinigt, dass V die Leistung unter den Vorbehalt der Selbstbelieferung stellt. Dadurch wird V ein vertragliches Rücktrittsrecht eingeräumt.Alternativ könnte man dies auch als auflösende Bedingung auslegen, § 158 Abs. 2 BGB. Der Rücktritt ist allerdings flexibler, da er V die Wahl lässt, ob er hiervon Gebrauch macht.

5. Der Rücktritt war vorliegend ausgeschlossen.

Nein!

Die §§ 346 ff. BGB kennen keinen allgemeinen Ausschluss des Rücktrittsrechts. Ausschlussgründe finden sich vor allem bei den einzelnen gesetzlichen Rücktrittsrechten (z.B. § 323 Abs. 6 BGB) und im Zuge der Verjährung des zugrundeliegenden Leistungsanspruches (§ 218 BGB). Vs Rücktrittsrecht ist nicht ausgeschlossen. Sofern es keinen Anhaltspunkt für den Ausschluss des Rücktrittsrechts gibt (insbesondere Unwirksamkeit des Rücktritts aufgrund der Verjährung des zugrunde liegenden Leistungsanspruchs nach § 218 BGB), genügt es kurz festzustellen, dass der Rücktritt nicht ausgeschlossen war.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Andeutungstheorie

Andeutungstheorie

21.2.2023, 12:42:49

Hier wurde doch das vertragliche

Rücktrittsrecht

aufschiebend bedingt vereinbart oder ?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

21.2.2023, 17:38:13

Hallo

Andeutungstheorie

, naheliegender ist es ein unbedingt vereinbartes

Rücktrittsrecht

für einen bestimmten Fall anzunehmen. V hatte ein

vertragliches Rücktrittsrecht

für den Fall, dass sie selber nicht beliefert wird. Dies ist quasi der Rücktrittsgrund, der den Rücktritt gemeinsam mit der Erklärung bei Vorliegen der Umstände wirksam werden lässt. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

aenksn

aenksn

6.12.2023, 11:26:48

Hi! Wenn der Verkäufer einen solchen Vorbehalt der Selbstbelieferung in seinen AGBs genannt hat und sodann der Fall eintritt, dass der Lieferant die Ware bzw. die notwendigen Teile wegen höherer Gewalt (Pandemie, Krieg, was auch immer) für das nächste Jahr nicht liefern kann (vorübergehende Unmöglichkeit) und der Verkäufer trotzdem nicht von seinem vertraglichen

Rücktrittsrecht

gebrauch machen will - hat der Käufer auf seiner Seite dann ein gesetzliches

Rücktrittsrecht

? Angenommen es handelt sich nicht um ein

Fixgeschäft

, er möchte aber einfach nicht noch so lange auf sein Endprodukt warten. Ich dachte das löst man ganz normal über § 323 BGB wegen nicht vertragsgemäß erfolgter Leistung des Verkäufers aber es wird argumentiert, dass der Verkäufer ja nichts dafür könne dass sich die Lieferung verzögere und der Käufer dann eben noch warten müsse. Rücktritt ist irgendwie nicht so meine Stärke, würde mich freuen wenn mir jemand kurz auf die Sprünge helfen könnte.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

20.12.2023, 12:07:38

Hallo aenksn, kein Problem, genau dafür ist das Forum ja da :-) Bei der Frage, ob ein Rücktritt möglich ist, musst Du immer prüfen, ob ein

Rücktrittsrecht

besteht. Dies kann entweder auf vertraglicher oder gesetzlicher Grundlage bestehen. Da K seinerseits alles richtig gemacht hat, konnte sich V hier nur auf den vertraglich vereinbarten Rücktrittsvorbehalt stützen. Umgekehrt gilt das nicht. K steht seinerseits zwar kein

vertragliches Rücktrittsrecht

zu. Du hast aber völlig recht, dass in der von Dir gebildeten Abwandlung eine nicht vertragsgemäße Leistung des V vorliegt, wenn er nicht bei Fälligkeit der Leistung liefert. K könnte in diesem Fall die Lieferung anmahnen. Erbringt V weiterhin die Leistung nicht, so steht K ein gesetzliches (!)

Rücktrittsrecht

nach § 323 BGB zu. Auf ein Verschulden des V kommt es beim Rücktritt - anders als bei der Frage des Schadensersatzes - nicht an. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

aenksn

aenksn

6.1.2024, 10:28:13

@[Lukas_Mengestu](136780) vielen Dank für die ausführliche Antwort! :)


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