Öffentliches Recht
Baurecht: Bauplanungsrecht
Beplanter Innenbereich (§ 30 BauGB)
Zulässigkeit eines Vorhabens im Gewerbegebiet (Ausnahme)
Zulässigkeit eines Vorhabens im Gewerbegebiet (Ausnahme)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die Feuerbestattung-GmbH will ein Krematorium mit Abschiedsraum errichten. Der qualifizierte Bebauungsplan weist ein Gewerbegebiet aus.
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Einordnung des Falls
Zulässigkeit eines Vorhabens im Gewerbegebiet (Ausnahme)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Ist das von der Feuerbestattung-GmbH geplante Krematorium eine ausnahmsweise zulässige „Anlage für kulturelle Zwecke“ gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO?
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Wenn das Krematorium eine Anlage für kulturelle Zwecke (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO) darstellt, kann es als Gewerbebetrieb (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO) allgemein zulässig sein.
Nein, das ist nicht der Fall!
3. Die Errichtung des Krematoriums im Gewerbegebiet kann gemäß § 31 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ausnahmsweise zugelassen werden.
Ja, in der Tat!
4. Der ausnahmsweisen Zulässigkeit des Krematoriums kann die ungeschriebene Voraussetzung der Gebietsverträglichkeit entgegenstehen.
Ja!
5. Ist das Krematorium mit Andachtsraum gebietsverträglich?
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Blotgrim
29.7.2023, 10:13:47
Ich hätte jetzt eher darauf abgestellt, dass das Krematorium aufgrund der Verbrennungen eine Belastung darstellt, wegen dem was das aus dem Schornstein kommt usw. ginge das auch. Ich wäre nämlich jetzt so rangegangen ob das Vorhaben das Gebiet beeinträchtigen würde, nicht ob das Gebiet das Vorhaben beeinträchtigen würde Lg
Lukas_Mengestu
29.7.2023, 17:53:11
Hallo Blotgrim, in der Tat wird man beim ersten Zugriff erst einmal an Störungen denken, die von dem geplanten Gebäude ausgehen. Das Kriterium der Gebietsverträglichkeit, welches über den Gebietserhaltungsanspruch auch drittschützend wirkt, dient aber insgesamt dazu, potentiellen Konflikten im Plangebiet vorzubeugen (zB spätere
Unterlassungsansprüche des Krematoriums ggü. seinen Nachbarn). Insoweit sind nicht nur Störungen des Gebietes bei der Gebietsverträglichkeit zu prüfen, sondern auch die Auswirkungen auf das geplante Bauvorhaben in den Blick zu nehmen. Regelmäßig ist deshalb spiegelbildlich zu störenden Gebäuden auch bei besonders störempfindliche Vorhaben (zB Krematorium, Altenheim...) die Gebietsverträglichkeit sorgfältig zu prüfen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
sinaaaa
20.3.2024, 15:16:52
Ich verstehe die Vorgehensweise nicht. Vorliegend schaut man, ob eine Feuerbestattung zulässig ist. Diese ist in den Ausnahmen mit aufgelistet. Ich soll aber trotz dessen kein Gewerbegebiet annehmen? Dann müsste ich ja bei jeder Ausnahme auf den Sinn und Zweck eingehen? Ich dachte ich überprüfe nur § 15 BAUNVO oder §
31 BauGBMerle_Breckwoldt
2.4.2024, 17:46:25
Hallo sinaaaa, danke für Deine Nachfrage! Ein Gewerbegebiet und damit die zwingende Anwendung des § 8 BauNVO liegt auf jeden Fall vor, das ergibt sich aus der Ausweisung im Bebauungsplan (lies dazu einmal § 1 Abs. 3 Satz 2 BauNVO). Vielleicht hilft es Dir, wenn wir das wirklich komplizierte Prüfprogramm der Gebietsverträglichkeit noch einmal aufdröseln: 1. Für die Zulässigkeit des Krematoriums im vorliegenden Gewerbegebiet ist zunächst § 8 BauNVO maßgeblich (§ 30 I BauGB, §§ 1 Abs. 3 Satz 2, 8 BauNVO). Rein tatbestandlich (!) besteht danach ausnahmsweise Zulässigkeit als Anlage für kulturelle Zwecke, § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO (i.V.m.
§ 31 Abs. 1 BauGB). 2. Aber: Neben dem Wortlaut des § 8 Abs. 3 BauNVO existiert noch die ungeschriebene Voraussetzung der Gebietsverträglichkeit. Danach muss jeder Zulässigkeitstatbestand der BauNVO (hier Abs. 3 Nr. 2: "Anlagen für kulturelle Zwecke") einschränkend im Lichte der Zweckbestimmung des jeweiligen Gebietstypus ausgelegt werden. Dieser ergibt sich immer aus dem Abs. 1 der anwendbaren Norm (hier: § 8 BauNVO, also: "Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben"). Bereits abstrakt sollen so Vorhabentypen (doch) nicht zulässig sein, die nicht zu der Zweckbestimmung passen und daher "stören". Danach passen Krematorien ganz allgemein nicht in Gewerbegebiete. 3. § 15 BauNVO beleuchtet demgegenüber immer das konkrete Vorhaben, fraglich wäre also - würde man hier so weit kommen - ob das konkrete Krematorium der Feuerbestattung-GmbH im konkreten Gewerbegebiet ausnahmsweise unzulässig wäre. Ich hoffe, das hat geholfen. Ansonsten frag gerne noch einmal nach. :) Beste Grüße, Merle für das Jurafuchs-Team, @[Lukas_Mengestu](136780)
L.Goldstyn
24.8.2024, 11:39:47
Super hilfreiche Antwort @[Merle_Breckwoldt](241588), vielen Dank!