Öffentliches Recht

Baurecht: Bauplanungsrecht

Beplanter Innenbereich (§ 30 BauGB)

Zulässigkeit eines Vorhabens im Industriegebiet (Ausnahme)

Zulässigkeit eines Vorhabens im Industriegebiet (Ausnahme)

24. November 2024

4,8(7.233 mal geöffnet in Jurafuchs)

[...Wird geladen]

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Priester P will die Kellerräume seiner Kirche nutzen, um verstorbene Geistliche beizusetzen. Der qualifizierte Bebauungsplan weist ein Industriegebiet aus.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

...Wird geladen

Einordnung des Falls

Zulässigkeit eines Vorhabens im Industriegebiet (Ausnahme)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Eine Krypta ist im Industriegebiet allgemein zulässig (§ 9 Abs. 2 BauNVO).

Nein!

Die Krypta ist nicht allgemein zulässig, weil sie unter keinen der in § 9 Abs. 2 BauNVO genannten Tatbestände fällt.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Ist die Krypta eine ausnahmsweise zulässige „Anlage für kirchliche Zwecke“ nach § 31 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 9 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO?

Genau, so ist das!

Anlagen für kirchliche Zwecke sind Anlagen, die unmittelbar kirchlich-religiösen Zwecken dienen, wie insbesondere ein dem Gottesdienst dienendes Kirchengebäude..Die Krypta ist untrennbar mit der Kirche als Anlage für kirchliche Zwecke verbunden und dient mit der Beisetzung von verstorbenen Geistlichen auch ihrerseits unmittelbar kirchlich-religiösen Zwecken.

3. Der ausnahmsweisen Zulässigkeit der Krypta kann die ungeschriebene Voraussetzung der Gebietsverträglichkeit entgegenstehen.

Ja, in der Tat!

Die Gebietsverträglichkeit ist zu verneinen, wenn ein Vorhaben dieser Art generell geeignet ist, ein bodenrechtlich beachtliches Störpotenzial zu entfalten, das sich mit der Zweckbestimmung des Baugebiets nicht verträgt. Die Prüfung vollzieht sich in zwei Schritten: (1) Ermittlung des generellen Gebietscharakter des jeweiligen Baugebietes (Absatz 1 des für das jeweilige Baugebiet einschlägigen Paragraphen (§§ 2–9 BauNVO)) und (2) Prüfung der Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem dergestalt bestimmten Gebietscharakter des jeweiligen Baugebietes. Die Gebietsverträglichkeit ist als allgemeines Zulässigkeitskriterium für alle in einem Baugebiet nach der BauNVO allgemein zulässigen und – ganz besonders – für die dort ausnahmsweise zulassungsfähigen Nutzungsarten anerkannt. Denn das Ziel des Verordnungsgebers, die vielfältigen und oft gegenläufigen Ansprüche an die Bodennutzung zu einem schonenden Ausgleich zu bringen, kann nur erreicht werden, wenn die dem Baugebiet zugewiesene allgemeine Zweckbestimmung den Charakter des Gebiets eingrenzend bestimmt.

4. Ist die Krypta im Industriegebiet gebietsverträglich?

Nein!

Die Gebietsverträglichkeit ist zu verneinen, wenn ein Vorhaben dieser Art generell geeignet ist, ein bodenrechtlich beachtliches Störpotenzial zu entfalten, das sich mit der Zweckbestimmung des Baugebiets nicht verträgt. Die Prüfung vollzieht sich in zwei Schritten: (1) Ermittlung des generellen Gebietscharakter des jeweiligen Baugebietes (Absatz 1 des für das jeweilige Baugebiet einschlägigen Paragraphen (§§ 2–9 BauNVO)) und (2) Prüfung der Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem dergestalt bestimmten Gebietscharakter des jeweiligen Baugebietes. (1) Industriegebiete dienen gemäß § 9 Abs. 1 BauNVO ausschließlich der Unterbringung von Gewerbebetrieben, und zwar vorwiegend solcher Betriebe, die in anderen Baugebieten unzulässig sind. Konkret sind dies erheblich störende Betriebe, deren Unterbringung der Hauptzweck von Industriegebieten ist. (2) Eine Krypta ist in besonderer Weise störempfindlich. Sie stellt ähnlich wie ein Friedhof einen Ort der Ruhe, des Friedens und des Gedenkens an die Verstorbenen dar. Der übliche, mitunter erhebliche Umgebungslärm und die allgemeine Geschäftigkeit eines Industriegebiets stehen dazu im Widerspruch.In einem letzten Schritt wäre auch noch an die Möglichkeit einer Befreiung (§ 31 Abs. 2 BauGB) zu denken, im Rahmen derer auch der besondere Stellenwert der Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) zu berücksichtigten ist. Welche Voraussetzungen dort im Einzelnen zu prüfen sind, erörtern wir später im Kurs.
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Denislav Tersiski

Denislav Tersiski

31.8.2023, 23:38:01

Ich verstehe nicht, was der Unterschied zwischen der ungeschriebenen Tatbestandsvoraussetzung der Gebietsverträglichkeit und § 15 I Satz 1 BauNVO sein soll.

BE

Bioshock Energy

13.2.2024, 15:35:53

Das würde mich auch interessieren.

F. Rosenberg 🦅

F. Rosenberg 🦅

6.3.2024, 11:15:26

Fallen Synagogen und Moscheen auch unter Anlagen für kirchliche Zwecke?

AG

agi

4.6.2024, 13:36:42

@ F. Rosenberg, ja da es sich hierbei auch um Gebäude handelt, die dem religiösen Zweck dienen.

David S.

David S.

11.6.2024, 16:44:53

Gerne einmal auf den Ursprungskommentar von Denislav Tersiski Bezug nehmen! :)

KE🦦

kerberos 🦦

9.8.2024, 10:38:29

Hey, die Prüfung der Gebietsverträglichkeit erfolgt typisiert, d.h. maßgeblich ist, ob ein typisches Bauvorhaben dieser Art in einem typischen betroffenen Baugebiet möglich ist. Wenn das Bauvorhaben aufgrund seiner typischen Nutzungsweise störend wirkt, ist es daher gebietsunverträglich. Die Prüfung von § 15 I BauNVO erfolgt hingegen einzelfallbezogen, d.h. es wird geprüft, ob das konkrete Vorhaben doch gebietsverträglich ist. Das lässt sich ganz gut aus dem Wortlaut ableiten: § 15 I 1 BauNVO spricht von „Einzelfall“; die jeweiligen Abs. 1 der in der BauNVO geregelten Gebiete (aus denen sich das

Gebot der Gebietsverträglichkeit

herleiten lässt) sprechen von „sonstigen nicht wesentlich störenden“ Einrichtungen (oder ähnlich formuliert).


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen