Identität des Sachmangels bei § 445a


mittel

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Vespahändler V kauft beim Hersteller H eine rote Vespa. Anschließend verkauft V diese an Richterin R. Im Kaufvertrag halten V und R fest, dass die Vespa mindestens 125km/h fahren kann. In Wahrheit schaffen Vespas maximal 100km/h. Als R dies bemerkt, erklärt R den Rücktritt.

Einordnung des Falls

Identität des Sachmangels bei § 445a

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. R ist wirksam zurückgetreten.

Ja!

Ist die Sache bei Gefahrübergang mangelhaft, kann der Käufer nach den §§ 440, 323, 326 Abs. 5 BGB vom Vertrag zurücktreten (§ 437 Nr. 1 BGB). Weil die Vespa von der vereinbarten Beschaffenheit (125km/h) abweicht, liegt ein Mangel vor (§ 434 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB). Eine Fristsetzung ist entbehrlich, weil eine Nacherfüllung unmöglich ist (§ 326 Abs. 5 BGB). R hat den Rücktritt erklärt (§ 349 BGB).

2. Muss der Verkäufer die Sache wegen ihrer Mangelhaftigkeit zurücknehmen, kann der Verkäufer seine Rechte gegen den Lieferanten ohne Fristsetzung geltend machen (§ 445a Abs. 2 BGB).

Genau, so ist das!

§ 445a Abs. 2 BGB ist keine Anspruchsgrundlage, sondern erleichtert dem Verkäufer die Geltendmachung der Rechte nach § 437 Nr. 2 und Nr. 3 BGB, die ihm auf Grund seines Kaufvertrags mit dem Lieferanten zustehen. An sich sind diese Sekundärrechte davon abhängig, dass der Verkäufer dem Lieferanten erfolglos eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat (§ 280 Abs. 1 und Abs. 3, § 281, § 284, §§ 323, 441). § 445a Abs. 2 BGB erklärt diese Fristsetzung für entbehrlich, so dass der Verkäufer sofort zurücktreten, mindern, Schadensersatz oder Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen kann, damit er die mangelhafte Sache möglichst problemlos an seinen Lieferanten durchreichen kann (unselbständiger Lieferantenregress).

3. V kann jetzt ohne Fristsetzung vom Kaufvertrag mit seinem Lieferanten L zurücktreten (§§ 437 Nr. 2, 323, 445a Abs. 2 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Die Sonderregelungen zum Lieferantenregress (§ 445a BGB) setzen immer voraus, dass auch im Verhältnis des Verkäufers zum Lieferanten ein Mangel vorliegt. Dieselbe Beschaffenheit, die im Verhältnis zwischen Verkäufer und Käufer einen Sachmangel begründet, muss daher auch im Verhältnis des Verkäufers zum Lieferanten einen Sachmangel darstellen (Identität des Sachmangels). Maßgeblicher Zeitpunkt ist dabei derjenige des Gefahrübergangs auf den Verkäufer. Das ist nicht der Fall, wenn der Verkäufer mit dem Käufer eine andere (bessere) Beschaffenheit vereinbart hat als mit seinem Lieferanten. Hier beruht der Mangel im Verhältnis R zu V alleine auf der freiwillig vereinbarten besseren Beschaffenheit, die im Verhältnis des V zu H keinen Mangel begründet. Deshalb liegen die Voraussetzungen des § 445a Abs. 2 BGB nicht vor.

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EVA

evanici

30.8.2023, 14:13:44

Die Sachmangelidentität ergibt sich dem Wortlaut nach aber nur aus der Beschreibung des Mangels in Abs. I, gibt es denn weitere Anhaltspunkte jenseits von Sinn und Zweck, dass dieses Verständnis auch Abs. II zugrunde zu legen ist?

LELEE

Leo Lee

31.8.2023, 15:00:00

Hallo evanici, das ist ein sehr guter Punkt! Beachte allerdings zwei Aspekte: I. Abs. 2 erwähnt im Wortlaut "als Folge ihrer Mangelhaftigkeit..." was darauf hindeutet, dass der Mangel gleichermaßen zw. dem Verkäufer und seinem Lieferanten gelten muss. Allerdings spricht eher die Systematik für die Erforderlichkeit einer Mangelidentität, denn II. Abs. 2 ist keine eigenständige Anspruchsgrundlage, sondern eine Sonderregelung für die Entbehrlichkeit der Frist und "ergänzt" somit den 437 (wozu auch 439 aus Abs. 1 gehört). Dies hat also zur Folge, dass Abs. 2 von der Grundannahme der Mangelidentität des Abs. 1 ausgeht und darauf auch aufbaut :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo


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