Öffentliches Recht
Staatsorganisations-Recht
Rechtsstellung des Bundestags & der MdB
Grenzen eines verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs
Grenzen eines verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Der Berliner Journalist J begehrt beim Bundestag Auskünfte zu Immunitätsangelegenheiten, u.a. zu Ermittlungsverfahren gegen Abgeordnete. Der Bundestag lehnt dies unter Hinweis auf Art. 46 GG ab. J meint, er habe einen Anspruch auf Erteilung der Auskünfte.
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Einordnung des Falls
Grenzen eines verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Auskunftsanspruch des J ergibt sich aus § 1 Abs. 1 S. 1 Informationsfreiheitsgesetz (IFG).
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die Landespressegesetze (hier: § 4 Abs. 1 PresseG Berlin) regeln spezielle Auskunftsansprüche der Presse gegenüber Behörden.
Ja!
3. Die Regelungskompetenz für Auskunftsansprüche zur Rechtsstellung der Abgeordneten liegt beim Bund (Art. 38 Abs. 3, Art. 48 Abs. 3 S. 3 GG). Das Landespressegesetz ist nicht anwendbar.
Genau, so ist das!
4. Wenn das Landespresserecht aus Kompetenzgründen nicht anwendbar ist, folgt ein Auskunftsanspruch der Presse unmittelbar aus der Verfassung (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG).
Ja, in der Tat!
5. Der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG) beschränkt sich auf das Verwaltungshandeln von Bundesbehörden (sog. funktionaler Behördenbegriff).
Ja!
6. Immunitätsangelegenheiten von Abgeordneten sind Teil der Verwaltungsangelegenheit des Deutschen Bundestages.
Nein, das ist nicht der Fall!
7. Da sich das Auskunftsbegehren des J nicht auf ein Verwaltungshandeln des Bundestages richtet, ist ein verfassungsunmittelbarer Auskunftsanspruch (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG) zu verneinen.
Ja, in der Tat!
8. Ein Auskunftsanspruch des J kann sich hier jedoch aus Art. 10 EMRK ergeben.
Nein!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
DeliktusMaximus
28.11.2022, 21:17:09
Ich glaube, euch ist ein Fehler unterlaufen: Bezüglich der Frage, ob die Angelegenheiten zur Immunität dem Bundestag zuzuordnen seien, müsste die Antwort "stimmt" lauten; jedenfalls ergibt sich das meiner Meinung nach aus der Antwort.
Nora Mommsen
30.11.2022, 16:30:29
Hallo DeliktusMaximus, danke für deine Rückmeldung. Ich denke du meinst folgende Frage: Immunitätsangelegenheiten von Abgeordneten sind Teil der Verwaltungsangelegenheit des Deutschen Bundestages. Da geht es nicht darum, ob sie dem Bundestag zuzuordnen sind sondern ob sie Teil der Verwaltungstätigkeit des Bundestages sind. Das ist aber falsch. Immunitätsangelegenheiten sind nicht Teil der Verwaltung, also des BT als
Behördesondern gehören zum geschützten Kern der legislativen Tätigkeit. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Simon
15.3.2023, 00:21:25
Ich finde die Entscheidung des BVerwG nicht überzeugend. Sofern man der Presse einen verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch aus Art. 5 I 2 GG zugesteht und diesen mit der Kontrollfunktion der Presse begründet, greift dies mE auch für parlamentarische Angelegenheiten. Auch die Legislative ist Teil der staatlichen Gewalt, und bedarf der Kontrolle durch die Öffentlichkeit. Das zeigt schon Art. 42 I 1 GG, der die grundsätzliche Öffentlichkeit von Bundestagssitzungen festlegt. Daher fände ich es schlüssiger, hätte das BVerwG eine Abwägung mit der Immunität der Abgeordneten vorgenommen. Dabei könnte man, wie ich finde, durchaus zugunsten des Informationsanspruches argumentieren. Presseberichterstattung beeinträchtigt die Funktionsfähigkeit des Parlaments nicht so stark wie ein Strafverfahren. Hinzu kommt, dass eine materielle Verletzung des Strafrechts in Rede steht, wodurch sich ein großes öffentliches Interesse an der Berichterstattung ergibt. Durch die Behauptung, der verfassungsrechtliche Auskunftsanspruch umfasse nur Verwaltungshandeln, entzieht sich das BVerwG hier nur einer solchen Abwägung, die es zumindest im Rahmen von Art. 10 EMRK hätte anstellen müssen.
Anna C. 143
29.12.2023, 09:52:13
Liebes Jura Fuchs Team was wären dann Beispiele für Verwaltungstätigkeiten des BT? LG
Leo Lee
30.12.2023, 15:25:05
Hallo Anna C. 143, Beispiele für einen verwaltende Tätigkeit des Bundestags wären folgende: Abteilungen für Petitionen und Eingaben, der wissenschaftliche Dienst, Abteilung für Bau und Gebäudemangement und viele mehr. Hierzu kann ich dir den Organisationsplan des deutschen Bundestags sehr empfehlen (findest du hier: https://www.bundestag.de/resource/blob/909948/b5977bb9fb833501911e1ea0ceb15d35/orgplan-de-bf--data.pdf) :). Einen guten Rutsch ins neue Jahr wünscht dir das Jurafuchsteam!
G0d0fMischief
1.11.2024, 15:12:11
Hallo, in einer vorhergehenden Aufgabe wurde gesagt, das Art. 5 I 2 GG keinen verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch begründet. Während in dieser Aufgabe das Gegenteil behauptet wird. Scheinbar scheint es in bestimmten Konstellationen möglich, einen verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch auf Art. 5 I 2 GG zu stützen. Da sich jedoch nur in Teilen und im Zusammenhang aus beiden Aufgaben ableiten lässt wann dies der Fall ist, wäre es schön, wenn ihr eine gesonderte Aufgabe hinzufügt, in welcher ihr abstrakt den verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch darstellt und wann ein solcher zu bejahen bzw. zu verneinen ist. Mir selbst ist dies nämlich noch nicht so ganz klar. Vielleicht wäre es zudem sinnvoll eine zweite Aufgabe hinzuzufügen, in welcher die gedanklichen Prüfungsschritte dargestellt werden.
FalkTG
19.11.2024, 21:00:39
Meines Verständnisses nach geht es hier um die Pressefreiheit die auch Informationsbeschaffung zum Gegenstand hat. Es gibt also 3 Fälle: 1. IFG (hat nichts mit Art. 5 GG zu tun) 2. Pressefreiheit (Bericht + Informationssammlung, konkretisiert durch PresseG) ==> Wenn kein PresseG, dann Art. 5 (dieser Fall!) 3. "Informationsfreiheit" => Unterrichtung aus allgemein zugänglichen Quellen.