+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
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Klassisches Klausurproblem
Staatsanwältin S führt Ermittlungen gegen den CDU-Ministerpräsidenten M wegen des zutreffenden Verdachts der Zuhälterei. Da die Wahl kurz bevorsteht, erteilt ihr die CDU-Justizministerin J die Weisung, die Ermittlungen einzustellen. Die diesbezüglichen Bedenken der S will sich J gar nicht erst anhören.
Einordnung des Falls
StA als weisungsgebundene Behörde
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. S ist weisungsgebunden.
Ja!
Die Staatsanwaltschaft ist eine Behörde und untersteht dem Landesjustizminister. Justizminister und die Behördenleiter sind berechtigt, ihren Beamten dienstliche Anweisungen zu geben, denen diese nachkommen müssen (§§ 146, 147 GVG, Weisungsrecht). Behördenleiter ist am OLG der Generalstaatsanwalt, am LG der leitende Oberstaatsanwalt.
2. Staatsanwälte sind auch an rechtswidrige Weisungen gebunden.
Nein, das ist nicht der Fall!
Grundsätzlich haben die Beamten der StA gem. § 146 GVG den dienstlichen Anweisungen ihres Vorgesetzten zu folgen. Die Weisung darf aber nicht das Legalitätsprinzip verletzen. Staatsanwälte sind daher nicht an Weisungen gebunden, mit deren Erfüllung sie eine Straftat, eine Ordnungswidrigkeit oder eine Verletzung der Menschenwürde begehen würden. Sie müssen sich aber zunzächst auf dem Dienstweg gegen die Entscheidung stellen, also dem Vorgesetzten die Bedenken mitteilen und sich gegebenenfalls an nächsthöhere Vorgesetzte wenden (Remonstrationspflicht).
3. S ist nicht an die Weisung der J gebunden.
Ja, in der Tat!
Durch die Einstellung des Verfahrens würde sich S wegen (versuchter) Strafvereitelung im Amt strafbar machen (§ 258a StGB). S würde also durch die Erfüllung der Weisung eine Straftat begehen, weshalb die Weisung das Legalitätsprinzip verletzt.
4. J könnte S mit einem anderen Staatsanwalt austauschen.
Ja!
Die Staatsanwaltschaft handelt durch ihren Behördenleiter, für den der einzelne Staatsanwalt nur als Vertreter handelt (§ 144 GVG, monokratische Struktur). Behördenleiter und Justizminister können jederzeit einen anderen Staatsanwalt mit der Wahrnehmung einer Aufgabe betrauen (§§ 145 Abs. 1 Alt. 2, 147 GVG, Substitutionsrecht).
5. J könnte selbst den Fall übernehmen.
Nein, das ist nicht der Fall!
Der Behördenleiter kann jederzeit einen Fall selbst übernehmen (§ 145 Abs. 1 Alt. 1 GVG, Devolutivrecht). Die Justizministerin ist hingegen kein Staatsanwalt und kann deshalb nicht einen anderen Staatsanwalt ersetzen.