+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T will mit seinem Motorrad extrem schnell durch die Kieler Innenstadt rasen. O lässt sich von T mitnehmen, da er sich davon einen belebenden Geschwindigkeitsrausch erhofft. Infolge der überhöhten Geschwindigkeiten stürzen sie. O erleidet einige Prellungen.
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Einordnung des Falls
§ 315d Abs. 4 StGB: Keine Einwilligung in ein konkretes Gefährdungsdelikt?
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. T hat sich als Kfz-Führer im Straßenverkehr mit nicht angepasster Geschwindigkeit grob verkehrswidrig fortbewegt (§ 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB).
Ja!
Nicht angepasst ist eine Geschwindigkeit, die eine Geschwindigkeitsbegrenzung verletzt oder der konkreten Verkehrssituation zuwiderläuft (vgl. auch § 3 Abs. 1 StVO). Die grobe Verkehrswidrigkeit ist bei einem besonders schweren Verstoß gegen Verkehrsregeln gegeben. Ein solcher ist insbesondere bei der doppelten Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit anzunehmen.
Da T mit seinem Motorrad extrem schnell durch die Kieler Innenstadt gerast ist, hat er sich als Kfz-Führer mit nicht angepasster Geschwindigkeit (§ 3 Abs. 1 StVO) grob verkehrswidrig im Straßenverkehr fortbewegt.
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2. Es bestand eine konkrete Gefahr für O als taugliches Gefährdungsopfer (§ 315d Abs. 2 StGB).
Genau, so ist das!
§ 315d Abs. 2 StGB setzt eine konkrete Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert voraus. Eine konkrete Gefahr liegt vor, wenn es zu einer Schädigung oder einem Beinahe-Unfall kommt. Ein anderer ist nach h.M. jeder von der Person des Täters verschiedene lebende Mensch, der nicht Tatbeteiligter ist.
Dass O den T in seiner Fahrabsicht bestärkt hätte, ist nicht ersichtlich. Allein die bloße Mitfahrt auf dem Motorrad eines Rasers begründet keine (psychische) Beihilfe. O war mithin als taugliches Gefährdungsopfer konkret gefährdet, sogar verletzt. 3. Der Zurechnungszusammenhang wurde nach dem Prinzip der Eigenverantwortlichkeit durchbrochen.
Nein, das trifft nicht zu!
Die eigenverantwortliche Selbstgefährdung durchbricht den Zurechnungszusammenhang. Sie ist von der einverständlichen Fremdgefährdung abzugrenzen, welche den Zurechnungszusammenhang nicht durchbricht. Dabei kommt es nach ganz h.M. darauf an, wer die Tatherrschaft über das Geschehen innehat.
O fuhr zwar auf dem Motorrad mit, obwohl er von der Geschwindigkeitsjagd wusste. Die Tatherrschaft lag jedoch allein in den Händen des T als Kfz-Führer. Somit liegt ein Fall der Fremdgefährdung vor.
4. T hat den subjektiven Tatbestand des § 315d Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 3 StGB verwirklicht.
Nein!
§ 315d Abs. 2 StGB setzt Vorsatz hinsichtlich der Tathandlung und des Gefahrerfolgs voraus. Der Täter muss dabei auch die Umstände kennen, die den Gefahrerfolg im Sinne eines Beinahe-Unfalls als naheliegende Möglichkeit erscheinen lassen und sich mit dem Eintritt dieser Gefahrenlage zumindest abfinden.
T raste vorsätzlich und verfolgte dabei rücksichtslos das Anliegen, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Hier ist (mangels hinreichender Anhaltspunkte) im Zweifel jedoch davon auszugehen, dass T darauf vertraute, dass keine Gefährdungssituation entstehen würde. T handelte in Bezug auf den Handlungs-, nicht aber den Gefährdungsteil vorsätzlich. 5. T hat den subjektiven Tatbestand des § 315d Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 Nr. 3 StGB verwirklicht.
Genau, so ist das!
Bei § 315d Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 Nr. 3 StGB handelt es sich um eine Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination. Erforderlich ist hinsichtlich des Handlungsteils Vorsatz und hinsichtlich des Gefährdungsteils Fahrlässigkeit (= objektive Sorgfaltspflichtverletzung bei objektiver Vorhersehbarkeit der Gefahr).
Die Sorgfaltspflichtverletzung ergibt sich hier bereits aus dem vorsätzlichen Rasen. Ferner liegt es nicht außerhalb des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren, dass eine solche Geschwindigkeitsjagd zu einer kritischen Verkehrssituation, also zu einer konkreten Gefahr führt, so dass der Erfolg auch objektiv vorhersehbar war. 6. Nach Ansicht des BGH ist T gerechtfertigt, weil O in den Gefahrerfolg eingewilligt hat.
Nein, das trifft nicht zu!
Nach Ansicht des BGH ist die Einwilligung des Gefährdeten bei der Verkehrsgefährdung schlechthin unbeachtlich, weil § 315d Abs. 4 StGB nicht Individualinteressen schütze, sondern vorrangig die allgemeine Verkehrssicherheit, die nicht zur Disposition des Gefährdeten steht. Das Merkmal der konkreten Individualgefährdung habe lediglich eine strafbegrenzende Funktion.
Es liegen keine Rechtfertigungsgründe vor.
Eine vielfach in der Lit. vertretene Ansicht betont, dass die konkrete Individualgefährdung eine kumulative Voraussetzung des § 315d Abs. 4 StGB ist, weshalb durch eine Einwilligung das Unrecht des Gefährdungsteils kompensiert werde. Als Auffangtatbestand stünde § 315d Abs. 1 StGB zur Verfügung. Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
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