Strafrecht

BT 3: Straftaten gegen Freiheit u.a.

Nötigung, § 240 StGB

Bedrängen anderer Verkehrsteilnehmer auf der Autobahn als Gewalt?

Bedrängen anderer Verkehrsteilnehmer auf der Autobahn als Gewalt?

22. Februar 2025

3 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Autofahrer T bedrängt die mit 105 km/h auf der Überholspur fahrende O. Über einige Kilometer fährt er unter ständigem Hupen und Blinken bis auf zwei Meter auf, um sie von der Spur zu verdrängen. O wird dadurch nervös und fahrunsicher und fährt unter heftigem Abbremsen nach rechts.

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Einordnung des Falls

Bedrängen anderer Verkehrsteilnehmer auf der Autobahn als Gewalt?

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Indem T der O wiederholt aufblinkt und dicht auffährt, könnte er „Gewalt“ ausgeübt haben (§ 240 Abs. 1 StGB).

Ja!

Der klassische Gewaltbegriff setzt voraus, dass der Täter (1) durch körperliche Kraftentfaltung (2) Zwang ausübt, indem er auf den Körper eines anderen einwirkt, (3) um geleisteten oder erwarteten Widerstand zu überwinden.Die Rspr. betont, dass das Tatbestandsmerkmal der Gewalt insbesondere durch die Zwangswirkung auf den Genötigten begründet wird. Wenn diese körperliche Zwangswirkung herbei geführt wird, kann Gewalt deshalb auch ohne die Ausübung eigener erheblicher Körperkraft angenommen werden.
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2. Liegt hier nach Ansicht des BGH eine Zwangswirkung auf die Genötigte vor, die Gewalt nach § 240 Abs. 1 StGB begründet?

Ja!

Ein durchschnittlicher Kraftfahrer kann in Furcht geraten, wenn ihm ein Auto bei 105 km/h Geschwindigkeit in einem Abstand von maximal 2 Metern dauernd folgt. Diese Auffahrweise kann ihn zu ungewollten Reaktionen, wie zu einem gefährlichen und gefährdenden Ausweichen nach rechts unter erheblichem Abbremsen zwingen. Der auffahrende T habe die O fahrunsicher werden lassen und zu einem abrupten Ausweichen veranlasst. T habe auf die O nach Ansicht des BGH so körperlich wirkenden Zwang ausgeübt.Das BVerfG hat diese Rspr. grundsätzlich bestätigt (BVerfG NJW 2007, 1669). Demnach könne Bedrängen mit dem Auto auch im innerörtlichen Verkehr Gewalt darstellen. Voraussetzung ist aber, dass das Verhalten des Täters körperlich empfunden werden muss, etwa in Form einer physisch merkbaren Angstreaktion.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JO

jomolino

25.10.2021, 15:03:53

Ich meine das würde heute unter dem eingeschränkt vergeistigten

Gewaltbegriff

nicht mehr unter Gewalt subsumiert werden. Stimmt das?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

25.10.2021, 17:57:09

Hallo nomamo, das zu dichte Auffahren wurde von dem BVerfG in einem Nichtannahmebeschluss (BVerfG, 29.3.2007 - 2 BvvR 932/06) auch nach den Sitzblockadeentscheidungen noch als Gewalt iSd § 240 StGB akzeptiert. Einen guten Überblick zur Nötigung im Straßenverkehr geben auch Maatz, Nötigung imStraßenverkehr, NZV 2006, 337 bzw.

Rebler

, Nötigung im Straßenverkehr, DAR 2011, 372. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

DO

Dominic

27.7.2023, 08:36:56

Aber das BVerfG verlangt doch im Sitzblockadefall eine ! unmittelbare ! Einwirkung auf den Körper des Opfers. Das hier wäre doch allenfalls eine mittelbare Einwirkung. Also eigentlich hält sich das BVerfG hier nicht an seine selbst aufgestellten Anforderungen.


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