Zivilrechtliche Nebengebiete

Gesellschaftsrecht

Offene Handelsgesellschaft

Übergang von Sicherheiten bei Zahlung durch den Gesellschafter

Übergang von Sicherheiten bei Zahlung durch den Gesellschafter

21. November 2024

4,7(13.217 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
Tags
inkl. MoPeG

Die Fuchs-OHG schuldet der B-Bank €20.000; diese Forderung der Bank ist mit einer Hypothek besichert. Als die Gesellschafterin G1 persönlich in Anspruch genommen wird, zahlt sie die €20.000 an die B-Bank.

Diesen Fall lösen 66,4 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Übergang von Sicherheiten bei Zahlung durch den Gesellschafter

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die B-Bank konnte von G1 die Zahlung der €20.000 persönlich verlangen.

Ja!

Die Gesellschafter haften für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner unmittelbar, persönlich, primär und unbeschränkt (§ 126 S. 1 HGB). Dabei ist die Verpflichtung des Gesellschafters grundsätzlich inhaltlich identisch mit der Verpflichtung der Gesellschaft (Erfüllungstheorie), sofern es sich um eine vertretbare Handlung handelt. Die B-Bank hatte eine Forderung gegen die OHG, sodass G1 akzessorisch für diese Forderung persönlich haftet (§ 126 S. 1 HGB). MoPeG-Änderung (ab 1.1.2024): § 128 S. 1 HGB a.F. = § 126 S. 1 HGB n.F.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Bei Forderungen Dritter sind Gesellschaft und Gesellschafter Gesamtschuldner.

Nein, das ist nicht der Fall!

Grundvoraussetzung für eine Gesamtschuld ist, dass die verschiedenen Verbindlichkeiten in ihrem rechtlichen Bestand voneinander unabhängig sind (vgl. § 425 BGB). Diese Unabhängigkeit weist die Schuld des Gesellschafters gegenüber der Schuld der OHG nicht auf. Aus den parallelen Verteidigungsmöglichkeiten (§ 128 Abs. 1 HGB) folgt vielmehr, dass die Schuld des Gesellschafters und Schuld der OHG inhaltlich nicht unabhängig, sondern akzessorisch sind. MoPeG-Änderung (ab 1.1.2024): § 129 Abs. 1 HGB a.F. = § 128 Abs. 1 HGB n.F.

3. G1 kann nach Zahlung von der Fuchs-OHG Regress verlangen (§ 426 BGB); über § 426 Abs. 2 BGB ist die Hypothek auch zur Sicherheit auf G1 übergegangen.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Gesamtschuldner sind im Verhältnis zueinander im Zweifel zu gleichen Anteilen verpflichtet (§ 426 Abs. 1 S. 1 BGB), sodass der zahlende Gesamtschuldner bei den übrigen Regress nehmen kann. Soweit ein Gesamtschuldner zahlt, geht auch die ursprüngliche Forderung auf ihn über (§ 426 Abs. 2 S. 1 BGB). Bei einem solchen gesetzlichen Forderungsübergang gehen akzessorische Sicherheiten wie die Hypothek mit über (§§ 401, 412 BGB). Mangels Gesamtschuld zwischen Gesellschaft und Gesellschafter ist § 426 BGB nicht anwendbar, sodass sich daraus kein Regressanspruch der G1 ergibt und die Hypothek nicht im Wege der §§ 426 Abs. 2 S. 1, 401, 412 BGB übergegangen ist.

4. G1 kann von der OHG keinen Regress verlangen.

Nein!

Macht der Gesellschafter in den Gesellschaftsangelegenheiten Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, so ist ihm die Gesellschaft zum Ersatze verpflichtet (§ 105 Abs. 3 HGB iVm § 716 Abs. 1 BGB). Aufwendungen sind freiwillige Vermögensopfer. Da § 105 Abs. 3 HGB iVm § 716 Abs. 1 BGB ein Anspruch gegen die Gesellschaft ist, kommt es auf die Freiwilligkeit ihr gegenüber – im Innenverhältnis – an. Für die Freiwilligkeit ist deshalb maßgeblich, ob G1 im Verhältnis zur Gesellschaft zu dieser Zahlung verpflichtet war; nur dann, hat sie nicht freiwillig gezahlt.Im Verhältnis Fuchs-OHG zu G1 gab es keine Pflicht des G1, die Schuld der OHG persönlich zu begleichen, so dass G1 eine Aufwendungen vorgenommen hat, deren Ersatz er verlangen kann. MoPeG-Änderung (ab 1.1.2024): § 110 Abs. 1 HGB a.F. = § 105 Abs. 3 HGB n.F. iVm § 716 Abs. 1 BGB n.F.

5. Im Rahmen des § 105 Abs. 3 HGB iVm § 716 Abs. 1 HGB geht die Hypothek nach hM mit über.

Nein, das ist nicht der Fall!

Anders als beim Gesamtschuldregress sieht das Gesetz in § 105 Abs. 3 HGB iVm § 716 Abs. 1 BGB nicht vor, dass der Gesellschafter auch die Sicherheiten erwirbt, die für die Forderung des Gläubigers bestellt waren. Nach hM erwirbt der Gesellschafter, der nach § 126 S. 1 HGB in Anspruch genommen wird, deshalb keine Sicherheiten. Eine Ansicht in der Literatur wendet hingegen § 774 Abs. 1 BGB analog an. Denn der Gesellschafter haftet wie der Bürge akzessorisch. Es erscheine deshalb nicht sachgerecht, die für die Gesellschaftsschuld bestellten akzessorischen Sicherheiten und Vorzugsrechte ersatzlos untergehen zu lassen, wenn die Forderung von einem Gesellschafter beglichen wird, bei einem Bürgen jedoch nicht.
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

INDUB

InDubioProsecco

26.5.2023, 16:13:48

An welchem Tatbestandsmerkmal fehlt es hier für eine Entstehung einer Gesamtschuld, § 421 Satz 1 BGB? 1) "Schulden m

ehre

re" (+) - Sowohl die oHG als Personengesellschaft als auch G1 aus § 128 Satz 1 HGB 2) "eine Leistung" (+) - 20.000 € - gleiches Leistungsinteresse 3) "nur ein mal zu fordern berechtigt ist" (+) - durch die Leistung tritt Erfüllung ein, § 362 Abs. 1 BGB 4) Sog. Gleichstufigkeit (+) - Weder aus Sicht der oHG, der G1 oder der Bank gibt es einen Primärverpflichteten Woran fehlt es also? Was ist der normative Anknüpfungspunkt?

Jonas91

Jonas91

23.8.2023, 13:31:13

Hapert es hier aber nicht gerade deshalb an der Gleichstufigkeit zwischen Gesellschaftsschuld und Gesellschafterschuld, weil die Gesellschafterschuld akzessorisch zur Gesellschaftsschuld ist, was ja in § 129 HGB zum Ausdruck kommt? Wo eine akzessorische Haftung besteht, die Haftung des Gesellschafters also nicht gleichrangig, sondern in dem Sinne "nachrangig" ist, als sie immer nur in Abhängigkeit zum Bestand und zum Umfang der Gesellschaftsschuld besteht, kommt m.W.n. eigentlich keine Gleichstufigkeit mehr in Betracht- zumal sich ja auch aus der in § 425 BGB normierten Einzelwirkung ergibt, dass Ansprüche gegen Gesamtschuldner (anders als akzessorische Ansprüche) grundsätzlich selbstständig sind bzw. sich unterschiedlich entwickeln können. Wenn das in der Begründung/im Ergebnis falsch ist, gerne korrigieren:)

DIAA

Diaa

28.9.2023, 23:28:13

Unklar ist, wieso sie hier nicht als Gesamtschuldner haften also Geselschaft und Gesellschafter? Was ist das Hauptkriterium? Dankeschön im Voraus!

lw1

lw1

27.11.2023, 15:50:05

Im Innenverhältnis kann G1 wie gezeigt über 110 I HGB vollständig Regress bei der Gesellschaft verlangen. Gesamtschuldner im Sinne des 421, können zwar über 426 I, 426 II Regress verlangen, aber nie den gesamten Betrag, auf einem Teil der Summe bleiben sie sitzen. Daher sind Gesellschaft und Gesellschafter keine Gesamtschuldner, die Gesellschafter untereinander hingegen schon.

lw1

lw1

27.11.2023, 15:51:43

Aufgrund der vollständigen Regressmöglichkeit fehlt eine Gleichstufigkeit, sodass die oHG aus der Sicht der Gesellschaft und der Gesellschafter primär verpflichtet ist.

CR7

CR7

2.8.2024, 11:36:26

Nicht mehr § 110 I HGB!

Max

Max

1.7.2024, 09:56:13

Auf einer der letzten Folien steht fälschlicherweise § 105 HGB i.V.m. 71

6 HGB

für den Regressanspruch des Gesellschafters gegen die Gesellschaft. Hier müsste eine Änderung hin zu

§ 716 BGB

vorgenommen werden. LG

Lord Denning

Lord Denning

16.7.2024, 09:58:54

Liebes Jurafuchs-Team, woher habt ihr das Unabhängigkeitskriterium für die Gesamtschuld? Ist das aus dem Umkehrschluss von § 425? Bisher bei groben Überfliegen von Lehrbüchern habe ich dazu nichts gefunden :/.

Dua

Dua

31.8.2024, 17:24:59

Gesamtschuldner können nach Entstehung des Gesamtschuldverhältnisses für sich nachteilig handeln, ohne dass es für den anderen einen Nachteil darstellt. Das ergibt sich direkt aus 425 I BGB, beispielhaft mit der VJ in Abs. 2. Z. B. kann einer gegenüber dem Gläubiger erklären, dass er auf die Einrede der Verjährung verzichtet, ohne dass es dem anderen das Recht nimmt, sich auf die Verjährung zu berufen. Das zeigt, dass es eine gewisse Unabhängigkeit der Schuldner voneinander gibt. Anders beim Verhältnis der oHG Schuld zur Gesellschafterhaftung. Wird bei einer oHG Schuld erklärt, dass auf die Einrede der VJ verzichtet wird, können sich die Gesellschafter nicht mehr auf die VJ berufen. Sie können sich nur auf die Berufen, die der oHG zustehen,

128 HGB

. Das spiegelt die Akzessorietät wieder. Vllt ist das ja so verständlich :'D

Rechthaber

Rechthaber

29.7.2024, 12:44:52

Wieso kann man nicht die Wertungen des Hypothekenrechts heranziehen aus 1164 BGB, wo der persönliche Schuldner bei Regressanspruch die zu sichernde Forderung erwirbt. Dieser Paragraph spiegelt doch die Wertung wieder, dass die Forderung dann nicht untergehen soll und die damit verbundenen Sicherungsrechte, wenn der Sicherungsgeber letztverantwortlich ist für die Forderung ( Hier die OHG wegen 716 ) ? Durch die akzessorische Haftung des Gesellschafters besteht zumindest eine vergleichbare Interessenlage wie ein persönlicher Schuldner, wie es der 1164 BGB erfordert.


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen