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Haftung der OHG-Gesellschafter (Sozialverbindlichkeiten iSv § 126 S. 1 HGB, Subsidiarität)

Haftung der OHG-Gesellschafter (Sozialverbindlichkeiten iSv § 126 S. 1 HGB, Subsidiarität)

20. Mai 2025

10 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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inkl. MoPeG

Gesellschafterin G2 hat der Pleitefuchs-OHG ein Darlehen in Höhe von €10.000 gewährt, als die OHG in finanziellen Schwierigkeiten war. Bei Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs verlangt G2 von ihrer Mitgesellschafterin G1 persönlich die Rückzahlung des Kredits.

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Einordnung des Falls

Haftung der OHG-Gesellschafter (Sozialverbindlichkeiten iSv § 126 S. 1 HGB, Subsidiarität)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Grundsätzlich haften OHG-Gesellschafter akzessorisch für Verbindlichkeiten der Gesellschaft.

Ja!

Die Gesellschafter haften für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner unmittelbar, persönlich, primär und unbeschränkt (§ 126 S. 1 HGB). Dabei ist die Verpflichtung des Gesellschafters grundsätzlich inhaltlich identisch mit der Verpflichtung der Gesellschaft (Erfüllungstheorie), sofern es sich um eine vertretbare Handlung handelt.MoPeG-Änderung (ab 1.1.2024): § 128 S. 1 HGB a.F. = § 126 S. 1 HGB n.F.
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2. Sozialverbindlichkeiten von Gesellschaftern fallen nicht unter § 126 S. 1 HGB.

Genau, so ist das!

§ 126 HGB steht im dritten Titel zur OHG (§§ 123ff. HGB), der das „Rechtsverhältnis der Gesellschafter zu Dritten“ regelt. § 126 S. 1 HGB gilt deshalb nur in Drittverhältnissen, nicht aber für Sozialverpflichtungen. Sozialverpflichtungen sind Ansprüche von Gesellschaftern gegen die Gesellschaft, die aus ihrer Mitgliedschaft resultieren.

3. Die Forderung der G2 ist eine Sozialverbindlichkeit.

Nein, das trifft nicht zu!

Nicht alle Forderungen von Gesellschaftern gegen die Gesellschaft sind Sozialverbindlichkeiten. Es handelt sich nicht um Sozialverbindlichkeiten, wenn der Gläubiger zwar Gesellschafter ist, der Gesellschaft aber nicht in dieser Funktion, sondern wie ein außenstehender Gläubiger gegenübertritt. Das ist der Fall, wenn der Rechtsgrund nicht in der Mitgliedschaft liegt, sondern davon unabhängig ist. Der Darlehensrückzahlungsanspruch ist nicht aus dem Gesellschaftsverhältnis entstanden, sondern der Kredit wurde davon unabhängig gewährt. G2 wäre gegenüber gesellschaftsfremden Kreditgebern ungerechtfertigt schlechter gestellt, würde man ihr die Inanspruchnahme der anderen Gesellschafter nach § 126 HGB generell versagen. Grundsätzlich ist § 126 S. 1 HGB daher auf den Darlehensrückzahlungsanspruch anwendbar.

4. G2 muss grundsätzlich die Gesellschaft in Anspruch nehmen, bevor sie sich an G1 wendet.

Nein!

Nach früher h.M. war die Gesellschafterhaftung (§ 126 S. 1 HGB) subsidiär, wenn es um den Anspruch eines Gesellschafters ging, d.h. der Gesellschafter musste erst Zahlung von seiner Gesellschaft verlangen, bevor er sich an seine Mitgesellschafter richtet (Treuepflicht). Nach neuerer Rechtsprechung des BGH gibt es keine solche Subsidiarität: Ein Gesellschafter, der eine Drittgläubigerforderung besitzt, muss grundsätzlich nicht zuerst versuchen, die Gesellschaft in Anspruch zu nehmen. Denn der Gesellschafter habe regelmäßig einen Ersatzanspruch nach § 105 Abs. 3 HGB i.V.m. § 716 Abs. 1 BGB und könne wegen der drohenden Inanspruchnahme von der Gesellschaft die Freistellung verlangen. G2 kann direkt gegen G1 vorgehen.MoPeG-Änderung (ab 1.1.2024): § 110 HGB a.F. = § 105 Abs. 3 HGB i.V.m. § 716 S. 1 BGB n.F.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

DAV

David.

25.7.2023, 19:54:52

Bezüglich der Subsidiarität gilt dies aber nur in den Fällen, in denen der Gesellschafter eine Drittgläubigerforderung hat oder?

Lord Denning

Lord Denning

25.6.2024, 11:55:50

Wie kann der Gesellschafter von der Gesellschaft Freistellung verlangen? Gibt es da einen Freistellungsanspruch? Vielen Dank schonmal im Voraus ;)

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

15.4.2025, 14:31:35

Hallo @[Lord Denning](222886), in der unserem Urteil zugrunde liegenden Entscheidung bezieht sich der BGH (neben dem Aufwendungsersatz aus § 110 I HGB aF, jetzt §§ 105 III HGB iVm 716 I BGB) in der Tat auf einen ungeschriebenen gesellschaftsrechtlichen Freistellungsanspruch (BGH NZG 2013, 1334, 1337, Rn 34 mwN). Von Baumbach/Hopt, HGB, 35. Aufl 2012, § 1

28 HGB

Rn 26 wurde dieser Anspruch damals analog § 257 BGB hergeleitet, andere nannten § 257 BGB direkt oder gar keinen expliziten Normbezug. Inhaltlich dürfte sich an diesem Freistellungsanspruch auch durch das MoPeG kaum etwas geändert haben, ihn gibt es also grds auch heute noch. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

FUCH

Fuchsfrauchen

7.8.2024, 22:18:18

Kann G2 von G1 die ganze Summe verlangen?

G0d0fMischief

G0d0fMischief

8.1.2025, 16:56:10

@[Fuchsfrauchen](89264) ich würde sagen nein. Gem. § 12

6 HGB

haften die Gesellschafter untereinander als Gesamt

schuld

ner, sodass diese gem. § 426 I 1 BGB soweit nichts anderes vereinbart ist zu gleichen Teilen verpflichtet sind. Dies erscheint auch interessengerecht, da von dem Darlehen sowohl G1 als auch G2 profitieren und es daher unbillig wäre, wenn nur ein Gesellschafter letztverantwortlich haftet. Beide Gesellschafter können dann aber von der OHG die von ihnen geleistete Summe zurückverlangen, vgl. § 105 III HGB i.V.m. § 716 I HGB.

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

15.4.2025, 14:46:36

Hallo @[Fuchsfrauchen](89264), die Antwort von @[G0d0fMischief](217996) geht schon genau in die richtige Richtung. Der BGH schließt sich in der unserem Fall zugrunde liegenden Entscheidung (BGH NZG 2013, 1334) einer älteren Rspr des RG an. Danach ist der Anspruch des die Rückzahlung fordernden Gesellschafters um den Anteil seiner eigenen Mithaftung zu kürzen, denn "[a]nderenfalls erhalte der Gesellschafter-Gläubiger etwas, das er unter Umständen zurückgewähren müsse und was damit die

dolo agit

-Einrede begründe" (1337, Rn 33). Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team


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