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Aufwendungserstattung des OHG Gesellschafters bei "Verlusten"

Aufwendungserstattung des OHG Gesellschafters bei "Verlusten"

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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inkl. MoPeG

Gesellschafter G der Fuchsmechanik-OHG wird bei der Inspektion eines Kundenautos an der Hand verletzt. Für ihn entstehen Heilbehandlungskosten in Höhe von €1.000 sowie schlimme Schmerzen.

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Einordnung des Falls

Aufwendungserstattung des OHG Gesellschafters bei "Verlusten"

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. G kann von der OHG die Heilbehandlungskosten ersetzt verlangen.

Ja!

Erleidet der Gesellschaft unmittelbar durch seine Geschäftsführung oder aus Gefahren, die mit ihr untrennbar verbunden sind, Verluste, so ist ihm die Gesellschaft zum Ersatz verpflichtet (§ 105 Abs. 3 HGB iVm § 716 Abs. 1 Fall 2 BGB). Verluste sind Vermögensschäden jeder Art. Der Verlust muss jedoch unmittelbar durch die Geschäftsführung oder aus den mit ihr untrennbar verbundenen Gefahren entstanden sein. Zusätzlich zur adäquaten Kausalität muss deshalb auch ein enger innerer Zusammenhang zwischen der Geschäftsführung und dem eingetretenen Verlust bestehen. G hat sich bei der typischen Tätigkeit der Gesellschaft verletzt, sodass der Verlust (Heilbehandlungskosten) unmittelbar auf der Geschäftsführung beruht.MoPeG-Änderung (ab 1.1.2024): § 110 Abs. 1 Fall 2 HGB a.F. = § 105 Abs. 3 HGB n.F. iVm § 716 Abs. 1 Fall 2 BGB n.F.
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2. G kann von der OHG auch Schmerzensgeld iSv § 253 Abs. 2 BGB verlangen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Verlustbegriff des § 105 Abs. 3 HGB iVm § 716 Abs. 1 Fall 2 BGB erfasst nur Vermögensschäden. Immaterielle Schäden wie Schmerzen sind davon nicht erfasst, sodass ein Schmerzensgeldanspruch nicht geltend gemacht werden kann.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Lavendelfee 🪽

Lavendelfee 🪽

11.4.2024, 08:50:19

wäre hier noch § 823 zu prüfen?

JEN

Jenny

18.6.2024, 22:29:15

Grundsätzlich würde ich mich dem anschließen. Da er sich selbst verletzt hat, dürfte es zumindest hier wohl an einem Verhalten fehlen, das zur Rechtsgutsverletzung geführt hat?

CR7

CR7

3.8.2024, 09:32:18

Ja, man könnte aber ggf. an eine Herausforderungsproblematik denken. Würde das aber eher verneinen, da es gerade dem Risiko der Geschäftsführung anhaftet

BRSA

BrSa

20.8.2024, 12:20:22

Warum werden nur Vermögensschäden und keine immateriellen Schäden erfasst?

LI

Linda

21.8.2024, 18:52:58

G ist Gesellschafter und bekommt die Heilbehandlungskosten in Form von Aufwerndungsersatz (Aufwendungen = freiwillige Vermögensopfer => Arztkosten; Schmerzens

geld

hat er nicht „aufgewendet“)

BRSA

BrSa

22.8.2024, 09:06:25

Ja genau, aber warum ist der Anspruch auf Aufwendungen begrenzt?

BRSA

BrSa

22.8.2024, 12:01:43

oh.. ja... weil die Norm ausdrücklich Aufwendungen sagt. Sorry... :D

AS

as.mzkw

22.8.2024, 18:27:26

Ich verstehe eure Erklärung nicht. Hier wird ja auf § 716 I Fall 2 BGB abgestellt (“Verlust erleidet”) und gerade nicht auf Fall 1, der den Aufwendungsersatz regelt. Insofern stellt sich mir weiterhin die Frage woraus sich ergibt, dass § 105 III HGB iVm § 716 I Fall 2 BGB nur Vermögensschäden ersetzt.

AS

as.mzkw

22.8.2024, 18:29:38

Wird mit dem Wortlaut argumentiert? Also dass ein Verlust bereits dem Begriff nach voraussetzt, dass im Vermögen des Gesellschafters tatsächlich ein “Minus” eingetreten ist, was bei Schmerzen gerade nicht der Fall ist?

BRSA

BrSa

24.8.2024, 10:53:01

Auszüge aus: MüKoBGB/Schäfer BGB § 716 Rn. 12-15: Abs. 1 Alt. 2 ordnet jetzt die Ersatzfähigkeit von Verlusten (→ Rn. 14), wie zuvor §

110 HGB aF

, ausdrücklich an. Verluste iSd Abs. 1 Alt. 2 sind die einem Gesellschafter aus der Tätigkeit für die Gesellschaft erwachsenen unfreiwilligen (und deshalb nicht als Aufwendungen zu qualifizierenden, vgl. → Rn. 8) Vermögensnachteile, unabhängig davon, ob sie aus einer unmittelbaren Schädigung des Vermögens oder aus der Verletzung der Person des Gesellschafters resultieren... Auch mit dem Ziel eines Verlustausgleichs ist Abs. 1 seiner Rechtsnatur nach kein Schadensersatz-, sondern ein (verschuldensunabhängiger)

Verwendungsersatzanspruch

(→ Rn. 4). Der Ersatz erlittener Verluste ist allerdings von höheren sachlichen Anforderungen abhängig als derjenige der Aufwendungen: es muss eine untrennbare Verbindung der Verluste mit der Tätigkeit für die Gesellschaft bestehen. Immaterielle Schäden, die nicht zu messbaren Vermögensnachteilen führen, stellen demgemäß keine ersatzfähigen Verluste dar. Zur Zahlung von Schmerzens

geld

an ihre Gesellschafter ist die Gesellschaft demgemäßß nicht auf der Grundlage des Abs. 1 Alt. 2, sondern nur im Rahmen von § 253 verpflichtet. Hilft das? :)


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