Öffentliches Recht

Europarecht

Niederlassungsfreiheit, Art. 49 AEUV

Niederlassungsfreiheit, Art. 49 AEUV – Kohärenzprüfung („Hartlauer")

Niederlassungsfreiheit, Art. 49 AEUV – Kohärenzprüfung („Hartlauer")

12. November 2024

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Jurafuchs

Nach österreichischem Recht wird die Errichtung von neuen Krankenanstalten nur bewilligt, wenn Bedarf besteht. Vor diesem Hintergrund wird der Antrag der deutschen H-GmbH in Bezug auf ein Zahnambulatoriums abgelehnt. Die Eröffnung von Gruppenpraxen setzt keine Bewilligung voraus.

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Einordnung des Falls

Niederlassungsfreiheit, Art. 49 AEUV – Kohärenzprüfung („Hartlauer")

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Ablehnung des Antrags stellt eine unterschiedslose Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar.

Genau, so ist das!

Jede unterschiedslose Maßnahme, welche die Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit behindert oder weniger attraktiv macht, stellt eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar. Das Bewilligungserfordernis hindert die H-GmbH daran, in Österreich eine Niederlassung zu eröffnen, und damit daran, von den Freizügigkeitsrechten Gebrauch zu machen. Die Maßnahme knüpft aber weder offen noch versteckt an die Rechtsordnungszugehörigkeit der H an. Deshalb handelt es sich vorliegend nicht um eine Diskriminierung, sondern um eine unterschiedslose Beschränkung, die für österreichische Gesellschaften genauso gilt.
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2. Der Schutz der öffentlichen Gesundheit gemäß Art. 51 Abs. 1 AEUV ist als geschriebener Rechtfertigungsgrund vorliegend einschlägig. Bestehen darüber hinaus weitere Voraussetzungen für die Rechtfertigung der Regelung?

Ja, in der Tat!

Das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes stellt die erste Ebene der Prüfung dar. Auf zweiter Ebene muss allerdings geprüft werden, ob der Rechtfertigungsgrund im Einzelfall auch verhältnismäßig angewandt wurde, also geeignet und erforderlich zum Erreichen des Ziels ist. Erst wenn dies bejaht werden kann, ist die beschränkende Maßnahme gerechtfertigt und stellt keine Verletzung der Niederlassungsfreiheit dar. Als Hilfe kannst Du an dieser Stelle gedanklich die deutsche Grundrechtsdogmatik heranziehen. Das Vorliegen des Rechtfertigungsgrundes entspricht der Schrankenprüfung, die verhältnismäßige Anwendung des Rechtfertigungsgrundes entspricht der Prüfung der Schranken-Schranken. Achte aber darauf, dass der EuGH diese Begrifflichkeit nicht verwendet und sich die Grundfreiheiten auch nicht im gleichen Maße dogmatisieren lassen (schon gar nicht nach Maßgabe der deutschen Grundrechtsdogmatik!).

3. Die Ablehnung ist vorliegend geeignet, das mit ihr verfolgte Ziel zu erreichen.

Nein!

Die Maßnahme ist als geeignet anzusehen, wenn sie in der Lage ist, in kohärenter und systematischer Weise das mit ihr verfolgte Ziel zu erreichen. Das Zahnambulatorium unterliegt vorliegend einer Genehmigungspflicht, während Gruppenpraxen dies nicht tun. Beide dieser Kategorien weisen vergleichbare Merkmale und eine vergleichbare Zahl von Ärzten auf und können Leistungen im gleichwertigen Umfang erbringen. Daher können auch Gruppenpraxen das finanzielle Gleichgewicht des Systems und die Absicherung der allgemeinen Gesundheitsversorgung gefährden. Die Regelung stellt sich daher insoweit als inkohärent dar und verstößt gegen das Köharenzgebot, welches sich aus Art. 7 AEUV ergibt. Die Maßnahme ist daher nicht zur Erreichung des Ziels geeignet und damit insgesamt nicht verhältnismäßig. Der EuGH prüft die Angemessenheit – anders als wir es vom BVerfG kennen – nicht als eigenen Punkt. Die Abwägung im engeren Sinne nimmt der EuGH in der Regel im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung vor.
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