Zivilrecht

Sachenrecht

Vindikation & Eigentümer-Besitzer-Verhältnis

Errichtung eines Hauses als nützliche Verwendung?

Errichtung eines Hauses als nützliche Verwendung?

22. Mai 2025

25 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

K erwirbt von E gutgläubig ein Grundstück und lässt nach der Auflassung ein Haus auf dem Grundstück errichten. Später stellt sich heraus, dass Kaufvertrag und Auflassung nichtig sind.

Diesen Fall lösen 78,3 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Errichtung eines Hauses als nützliche Verwendung?

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K kann von E Ersatz der Kosten für den Hausbau verlangen, wenn die Voraussetzungen des § 996 BGB vorliegen.

Genau, so ist das!

Die Voraussetzungen für einen Verwendungsersatzanspruch aus § 996 BGB sind (1) eine Vindikationslage, (2) Vornahme einer nützlichen Verwendung durch den Besitzer, (3) Gutgläubigkeit und Unverklagtheit des Besitzers und (4) die Werterhöhung der Sache durch die Verwendung zum Zeitpunkt der Wiedererlangung.In einer Klausur würdest Du zunächst noch § 994 BGB prüfen, dort aber die Notwendigkeit des Hausbaus ablehnen.
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2. Bestand eine Vindikationslage als K das Haus baute?

Ja, in der Tat!

Dazu musste ein Vindikationsanspruch vorliegen. Dieser setzt voraus, dass (1) der Anspruchsteller Eigentümer und (2) der Anspruchsgegner Besitzer (3) ohne Recht zum Besitz (§ 986 BGB) ist. E war ursprünglich Eigentümer. Da die Auflassung nichtig war, hat er dieses auch nicht an K verloren. K war im Besitz des Grundstücks. Ein Besitzrecht ist nicht ersichtlich.

3. Es ist umstritten, ob bestandsverändernde Vermögensaufwendungen auch unter den Verwendungsbegriff der §§ 994 ff. BGB fallen.

Ja!

Die Rspr. verwendet einen engen Verwendungsbegriff, nach dem Verwendungen nur solche Vermögensaufwendungen sind, die die Sache wiederherstellen, erhalten oder verbessern. Der in der Literatur vertretene weite Verwendungsbegriff umfasst darüber hinaus auch bestandsverändernde Vermögensaufwendungen, die die Sache grundlegend verändern.

4. Für den weiten Verwendungsbegriff spricht der Eigentümerschutz.

Nein, das ist nicht der Fall!

Bestandverändernde Vermögensaufwendungen können besonders hohe Beträge erreichen, die der Eigentümer dann ausgleichen müsste. Durch den engen Verwendungsbegriff soll der Eigentümer hiervor geschützt werden. Die Aufwendungen seien auf solche zu beschränken, für die ein wirtschaftliches Bedürfnis bestehe.

5. Für den weiten Verwendungsbegriff spricht der Schutz des Besitzers.

Ja, in der Tat!

Der Besitzer stünde weitestgehend schutzlos dar, während der Eigentümer von den Aufwendungen profitiere, ohne Ersatz leisten zu müssen. Außerdem sei unklar, ab welcher Schwelle eine Aufwendung zur Zustandsänderung führt, weshalb beim engen Verwendungsbegriff Abgrenzungsschwierigkeiten bestünden.

6. Nach beiden Ansichten handelt es sich bei Ks Hausbau um eine (nützliche) Verwendung.

Nein!

Nach dem in der Literatur vertretenen weiten Verwendungsbegriff stellt auch der Bau des Hauses eine Verwendung dar und fällt daher unter § 996 BGB. Nach der Rechtsprechung hingegen handelt es sich dabei um eine bestandsverändernde Aufwendung, weshalb die Voraussetzungen des § 996 BGB nicht erfüllt sind.Nur nach dem weiten Verwendungsbegriff hat K eine Verwendung getätigt. Diese Verwendung ist auch nützlich, weil sie den Wert des Grundstücks nachhaltig erhöht.

7. Da nach Auffassung der Rechtsprechung keine (nützliche) Verwendung vorliegt, billigt sie K zu zumindest nach §§ 951, 812 ff. BGB Wertersatz für das erbaute Haus verlangen.

Nein, das ist nicht der Fall!

>Die Rechtsprechung gewährt dem Besitzer in diesen Fällen überhaupt keinen Anspruch, sondern geht auch in diesem Fall davon aus, dass aufgrund der bestehenden Vindikationslage das EBV Sperrwirkung entfalte. Teile der Literatur folgen dem BGH zwar im Hinblick auf den engen Verwendungsbegriff. Sie stellen dann aber darauf ab, dass in Fällen, in denen keine Verwendung vorliegt auch keine Sperrwirkung eintritt. Insoweit seien die §§ 951, 812 ff. BGB anwendbar. Diese führt dazu, dass zumindest eine etwaige Bereicherung des Eigentümers an den Besitzer herauszugeben ist. Hier ist aber gerade nicht der Aufwand des Besitzers maßgeblich. Vielmehr kommt es dabei auf die Bereicherung des Eigentümers an, weshalb die Höhe des Anspruchs in der Regel geringer ausfällt, als bei Anwendung der §§ 994 ff. BGB.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

STE

StellaChiara

20.7.2023, 16:07:17

wieso soll hier nach der Rspr die

Sperrwirkung des EBV

eintreten? es geht ja nicht um SE oder

Nutzungsersatz

, sondern um Wertersatz?

JO

JonasRehder

24.7.2023, 18:21:46

Moin, die Rspr. geht davon aus, dass auch

Verwendung

sersatz im EBV eine

Sperrwirkung

zukommt. Dies wird begründet damit, dass die §§ 994, 996 insofern ein ausdifferenziertes System darstellen. Darüber hinaus entstünde ein Wertungswiderspruch, da iRd. §

818 III BGB

eine uneingeschränkte Geltendmachung von

Verwendung

en möglich ist. Als letztes kann der Wortlaut des § 996 auch so verstanden werden („nur insoweit“)

BE

Bioshock Energy

25.6.2024, 13:54:45

Ich frage mich auch wie die Rspr. auf die

Sperrwirkung

kommt. Die

Sperrwirkung

ist doch in § 993 I Hs. 2 geregelt und Betrifft Nutzungs- und

Schaden

sersatzansprüche der Eigentümerin gegen die Besitzerin. Bei den §§ 994 ff. geht es um Ansprüche der Besitzerin gegenüber der Eigentümerin. Das die

Sperrwirkung

auch in den Fällen gilt kommt mir von der Rspr. sehr erfunden vor. Aber naja es ist ja nicht umsonst streitig, es lässt sich sicher beides Vertreten.

CAN

cann1311

15.8.2023, 17:38:39

Und welche Ansprüche hat der Erbauer des Hauses dann?

LO

Lorenz

3.9.2023, 12:27:07

Meines Wissens nach keine.

CR7

CR7

27.1.2024, 21:13:06

Der BGH billigt in solchen Fällen - aufgrund der Ergebnisungerechtigkeit - teilweise Ansprüche aus § 242 BGB zu (BGHZ 41, 157 (164 ff.), zitiert bei Becker/Haarer, Konkurrenzprobleme des EBV, JA 2020 (12), S. 1305)

VALA

Vanilla Latte

18.6.2024, 03:14:18

Also 243 also AGL oder wo?

VALA

Vanilla Latte

18.6.2024, 03:14:36

242 BGB

FW

FW

30.10.2024, 16:52:29

Und er hat ja auch zumindest ein

Wegnahme

recht nach § 9

97 BGB
Kind als Schaden

Kind als Schaden

9.3.2025, 13:40:31

Ich finde, die Aufgabe sollte noch um die Wertungen des § 242 ergänzt werden. Kenne den Fall aus der Vorlesung auch nur so, dass dieses unbillige Ergebnis eigentlich immer noch korrigiert werden muss und nicht wie hier kommentarlos stehen bleibt.

CitiesOfJudah

CitiesOfJudah

13.10.2023, 10:17:59

In der Frage nach der

Vindikationslage

ist ein Fehler: Dort wird gefragt, ob eine

Vindikationslage

bestand, als E das Haus baute, es müsste aber K sein, die das Haus gebaut hat.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

13.10.2023, 11:03:50

Danke dir CitiesOfJudah, das haben wir geändert. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

HAAS

Haas_Karl305

1.2.2025, 12:54:48

Der BGH hat angedeutet (Januar 2025), dass er diese Auffassung aufgeben wird.

NI

Niro95

3.3.2025, 08:39:27

Wie ist denn die Fundstelle?

OS

Oskar

9.3.2025, 12:32:26

https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/bgh-vzr15323-rangsdorfer-hausdrama-rechtsprechungsaenderung-ebv-entschaedigung

SCHA

Schatzfund

19.3.2025, 18:12:27

Mit dem Urteil vom 14.03.2025 hat der BGH unter V ZR 153/23 seine 50. jährige Rechtssprechung abgelehnt und sich dem weiten

Verwendungsbegriff

angeschlossen. Argumentation in kurz: - Der Weite entspricht mehr dem Zweck der § 994ff. einen angemessenen Interessenausgleich zu finden Gegen den Engen spricht: -Das

Wegnahme

recht nach § 997 ist in Form eines Abrisses wirtschaftlich Wertlos -Es resultieren massive Abgrenzungsschwierigkeiten -Eine Ungleichbehandlung von einem Abriss auf den ein Neubau folgt und einer Kernsanierung eines bestehenden Hauses ist nicht gerechtfertigt

AME

Amelie7

20.3.2025, 12:20:18

Danke @[

Schatzfund

](264997)!

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

24.3.2025, 10:57:16

Hallo @[Haas_Karl305](281049), vielen Dank für Deinen guten Hinweis und @[Niro95](239383), @Oskar, @[

Schatzfund

](264997) und @[Amelie7](262107) für die Ergänzungen. In der Tat scheint der V. Zivilsenat sich mit der von

Schatzfund

genannten Entscheidung nun endgültig vom engen

Verwendungsbegriff

verabschiedet zu haben. Wir werden unsere Aufgaben insoweit selbstverständlich anpassen, möchten das aber aus Gründen der Einheitlichkeit gerne "in einem Rutsch" erledigen und dabei sämtliche Aufgaben zum

Verwendungsbegriff

überprüfen. Intern haben wir diese Aufgabe hier schon einmal explizit auf die Liste gesetzt und bitten bis zur Überarbeitung noch um etwas Geduld. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

CLA

Clara.annie

15.3.2025, 16:22:07

Der BGH hat sich diese Woche von dem engen

Verwendungsbegriff

abgelöst und hat im Einzelfall doch Ersatz der H

ausbaukosten

gewährt.

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

24.3.2025, 10:51:44

Hallo @[Clara.annie](282611), vielen Dank für Deinen guten Hinweis. In der Tat scheint der V. Zivilsenat sich mit dieser Entscheidung nun endgültig vom engen

Verwendungsbegriff

verabschiedet zu haben. Wir werden unsere Aufgaben insoweit selbstverständlich anpassen, möchten das aber aus Gründen der Einheitlichkeit gerne "in einem Rutsch" erledigen und dabei sämtliche Aufgaben zum

Verwendungsbegriff

überprüfen. Intern haben wir diese Aufgabe hier schon einmal explizit auf die Liste gesetzt und bitten bis zur Überarbeitung noch um etwas Geduld. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

Susi<3

Susi<3

7.5.2025, 19:44:26

Bitte informieren sobald es überarbeitet wurde

ZUS

zuso

14.5.2025, 09:21:57

Ansonsten zum Nachlesen vielleicht nützlich: BGH, Urteil vom 14.03.2025; V ZR 153/23

Esther

Esther

5.4.2025, 15:19:04

Ich bin ganz verwirrt. Warum prüfen wir die

Sperrwirkung

des § 993 I BGB bei

§ 951 BGB

? Muss man das immer machen? Ist die Rechtsfolge von

§ 951 BGB

nicht Wertersatz nach §

818 II BGB

? Und falls ja, würde die

Sperrwirkung

doch gar keine Anwendung finden, weil diese nur für Nutzungs- und

Schaden

sersatzansprüche gilt...?


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