Zivilrecht
Sachenrecht
Vindikation & Eigentümer-Besitzer-Verhältnis
Zurückbehaltungsrecht gem. § 1000 S. 1 BGB
Zurückbehaltungsrecht gem. § 1000 S. 1 BGB
8. November 2025
22 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K kauft von V gutgläubig ein Mountainbike, ohne von dessen psychischer Erkrankung zu wissen. Nach einigen Tagen bricht eine der Speichen, die K reparieren lässt. Kurz darauf fordert der nun für V eingesetzte gesetzliche Betreuer B das Fahrrad heraus.
Diesen Fall lösen 0,0 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Zurückbehaltungsrecht gem. § 1000 S. 1 BGB
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. V steht ein Herausgabeanspruch gegen K zu.
Genau, so ist das!
2. K hat gegen V einen Verwendungsersatzanspruch aus § 994 Abs. 1 BGB.
Ja, in der Tat!
3. Ist der Verwendungsersatzanspruch der K fällig?
Nein!
4. K muss daher das Fahrrad herausgeben, bevor sie den Ersatz ihrer Verwendungen erlangen kann.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
RealOmnimodo 🇺🇦
12.8.2022, 13:16:38
Also, es ist eine Pattsituation: Eigentümer hat § 985 aber der „Verwender“ kann ihm das ZBR § 1000 S. 1 entgegenhalten und der „Verwender“ hat seinerseits § 994 I gegen den Eigentümer. Der
Verwendungsersatzanspruch ist aber gem. § 1001 S. 1 erst fällig, wenn der Eigentümer seine
Sachewiedererlangt hat. Ich verstehe jetzt nicht, wie diese
Fälligkeitseinrede überwunden wird und der Verwender seinen § 994 I durchsetzen kann ohne die
Sachezurückzugeben? 😰
Nora Mommsen
12.8.2022, 15:51:04
Hallo
omnimodo facturus, danke für die Frage. § 273 Abs. 1 BGB setzt nach dem Wortlaut einen fälligen Anspruch auf
Verwendungsersatzheraus. Dies liegt gem. §
1001 BGBerst vor, wenn der Eigentümer die
Sachezurückerhalten hat. Sinn und Zweck ist, dass der Eigentümer den Vorteil der
Verwendungenja auch erst nutzen kann, wenn er die
Sachewieder in Besitz hat. § 1000 S. 1 BGB soll diese Lücke füllen. Die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts hat die Wirkungen von § 274: Verurteilung des Besitzers zur Herausgabe Zug um Zug gegen
Verwendungsersatz, aber Vollstreckung des Herausgabeanspruchs ohne
Verwendungsersatzauch bei Annahmeverzug des Besitzers. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Carolin_
30.4.2023, 17:23:24
Nach Rechtsprechung besteht doch ein Anwendungsbereich für § 273 Abs. 2 BGB neben § 1000 S.1 BGB, oder nicht? Die Rechtsprechung sieht doch § 1000 S. 1 BGB als
Recht zum Besitzan (und nimmt trotzdem einen Zug-um-Zug-Verurteilung vor). Dann aber hat ja § 273 Abs.2 BGB streng genommen noch einen Anwendungsbereich, wenn man mit der Rechtsprechung geht? So oder so muss sich die Rechtsprechung jedenfalls eines Kunstgriffes bedienen…
Lukas_Mengestu
15.3.2024, 12:14:25
Hi Carolin, da hast Du Recht. Die Auffassung der Rechtsprechung einerseits ein
Recht zum Besitzzu bejahen, andererseits dann aber einen Herausgabeanspruch aus § 985 BGB mit Zug-um-Zug Verurteilung zuzulassen, begegnet erheblichen Wertungswidersprüchen, die man mit der hL vermeidet (mehr dazu bei: BeckOGK/Spohnheimer, 1.2.2024, BGB § 1000 Rn. 29). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
AngeD
28.3.2025, 11:45:43
Nach hM ist
§ 1000 BGBkein
Recht zum Besitz: ,,Es ist umstritten, ob ein Zurückbehaltungsrecht (ZBR) aus §§ 273,
1000 BGBauch ein
Recht zum BesitziSd § 986 BGB darstellt. BGH (+) zumindest hinsichtlich
§ 273 BGB, denn der § 986 BGB regelt die Verteidigung des Besitzes gegen den Herausgabeanspruch aus § 985 BGB abschließend, sodass er alle Einreden erfasst. Der
§ 273 BGBmüsse jedoch dementsprechend einredeweise geltend gemacht werden und der § 274 BGB sei heranzuziehen, nach dem eine Verurteilung nur Zug-um-Zug erfolge. a.A. (-), denn die ZBR gewähren selbstständige Gegenrechte, die dem Anspruch aus § 985 BGB unmittelbar entgegenstehen. Sie bezwecken den Schutz einer gleichzeitigen
Erfüllungvon sich gegenüberstehenden Ansprüchen. Ihre ratio liegt gerade in der Aufrechterhaltung des Gegenanspruches, nicht aber einer Regelung von Besitzverhältnissen. Darüber hinaus würde ein ZBR als
Recht zum Besitzden Anspruch aus § 985 BGB aufheben. Folglich würde es demnach an der Gegenseitigkeit fehlen. Die Ansicht des BGHs ist daher in sich widersprüchlich. Im Ergebnis bedarf es keiner Entscheidung. Sie kommen beide im Grundsatz zum gleichen Ergebnis. Nach der letztgenannten Ansicht sind die §§ 987 ff. BGB unproblematisch anwendbar (der Besitzer bleibt unrechtmäßiger Besitzer). Nach Ansicht des BGH sind die Ansprüche aus §§ 987 ff. BGB eigentlich nicht anwendbar, da der Besitzer durch das ZBR zu einem rechtmäßigen Besitzer wird. Der BGH wendet die §§ 987 ff. BGB dennoch an, und zwar, weil der Besitzer die Herausgabe nicht vollständig, sondern nur
vorübergehendverweigern dürfe. Ein Zurückbehaltungsrecht aus
§ 1000 BGBstellt dagegen unstreitig kein Besitzrecht iSd § 986 BGB dar, da hierbei durch die erstmalige
Verwendungnach § 9
94 BGBdas gesetzliche Schuldverhältnis nach den §§ 987 ff. BGB entfallen würde. D. h. würde man in dem
§ 1000 BGBein Besitzrecht annehmen, würde ihre Voraussetzung der
Vindikationslageentfallen.'' Quelle: https://www.iurastudent.de/lernen/skripte/
sachenrecht/3-teil-
vindikationslage/2-problematische-einzelf-lle-recht-zum-besitz-aus Ebenso: Hemmer
SachenR I Die Fälle S. 38 ff.
ajboby90
19.6.2024, 14:29:06
Fettes Lob für die - relativ - simple Darstellung dieser etwas misratenen Normen. Man lese sich mal das Wirrwarr auf zb. Juraacademy dazu durch - da raucht der Kopf und man versteht es danach trotzdem nicht! Auch sonst habe ich im Netz dazu nirgends gute Darstellungen gefunden, außer hier. Danke dafür!
Foxxy
19.7.2024, 15:05:09
Hallo, vielen Dank für dein Lob! Deine positive Rückmeldung motiviert uns, weiterhin unser Bestes zu geben. Beste Grüße, Foxxy, für das Jurafuchs-Team
CR7
21.8.2024, 18:06:08
@[ajboby90](222400) auf diesen Seiten steht nur so viel, wie du es sagst, damit sie bei Google ganz oben stehen - verstanden hat man trd. nichts :D
Jessica
5.6.2025, 11:52:28
@[ajboby90](222400) @[CR7](145419) Hello, könntet ihr es vielleicht nochmal in euren Worten erklären. Ich werde daraus immer noch nicht schlau
Magnum
30.1.2025, 12:27:54
Verstehe ich es richtig, dass für das Zurückbehaltungsrecht gem. § 1000 S.1 der Anspruch auf
Verwendungsersatznicht fällig sein muss gem. § 1001 1?
okalinkk
9.5.2025, 10:27:58
Genau
Honey-bee
3.4.2025, 11:46:15
Wahrscheinlich stehe ich komplett auf dem Schlauch, aber ich checke hier einfach nicht was ich jetzt, sich ausschließend oder doch nebeneinander, anwenden soll - § 273 II - § 1000 S. 1? Die Ausführungen verschiedener Ansichten verwirren mich und sich nicht klar zuortbar. Wenn ich entgegen dem Wortlaut (hM) § 273 II auch anwende, wenn der
Verwendungsersatzanspruch noch nicht fällig ist und ich dann ein ZBR daraus und aus § 1000 S. 1 habe, fällt der Anwendungsbereich von letzterem weg. Wozu gibt es dann überhaupt den § 1000 S. 1? Lasse ich den dann einfach weg? Und wende dann einfach Zug-um-Zug § 274 an? Vielleicht geht es auch anderen so und man könnte nochmal die Meinungen, mit Hilfe einer zusätzlichen "Meinungen zuordnen"-Aufgabe, klar trennen :)
till.
31.10.2025, 15:43:48
@[Foxxy](180364)
Foxxy
31.10.2025, 15:45:09
Kurzantwort: Im EBV stützt du das Zurückbehaltungsrecht primär auf § 1000 S. 1 BGB; § 273 kannst du nur hilfsweise nennen; die Verurteilung erfolgt Zug um Zug nach § 274 BGB. Begründung und Meinungsstand: - Strenger Wortlaut: § 273 verlangt einen fälligen Gegenanspruch. Wegen § 1001 S. 1 ist der
Verwendungsersatzvor Wiedererlangung nicht fällig; ohne § 1000 gäbe es dann kein ZBR. Deshalb ist § 1000 S. 1 als lex specialis zwingend nötig. - h.M.: § 273 wird über den Wortlaut hinaus auch dann angewendet, wenn der Gegenanspruch mit der Leistung fällig wird. Dann besteht das ZBR zusätzlich aus § 273; § 1000 bleibt aber die speziellere Norm im EBV und dogmatische Hauptgrundlage. - Examenspraxis: Erst § 1000 S. 1 sauber prüfen; hilfsweise anmerken, dass nach h.M. auch § 273 trägt. Ergebnis wird prozessual über § 274 als Zug-um-Zug ausgestaltet. Anwendung auf den Fall: - B kann aus § 985 herausverlangen. - K hat
Verwendungsersatzaus § 994 Abs. 1 (notwendige
Verwendung, gutgläubig, unverklagt); Anspruch ist nach § 1001 S. 1 noch nicht fällig. - K darf die Herausgabe bis zur Befriedigung verweigern, § 1000 S. 1. Im Urteil: Herausgabe des Fahrrads Zug um Zug gegen Zahlung der Reparaturkosten, § 274. Wozu gibt es § 1000 S. 1, wenn § 273 (h.M.) auch hilft? Er sichert das ZBR im EBV unabhängig von der
Fälligkeit(Gegenansicht!) und bestimmt dessen Reichweite passgenau zu den EBV-
Verwendungsersatzansprüchen. In der Klausur lässt du ihn nicht weg, sondern nimmst ihn als Hauptnorm; § 273 nur ergänzend.
Selina
20.5.2025, 15:35:33
Kann bitte jemand nochmal erklären, wann, wieso und weshalb ich den § 273 Abs. 2 BGB ansprechen und abgrenzen muss? Ich checke den Zusammenhang leider nicht, auch nicht, wo ich den in der Prüfung denn nun unterbringen muss…..
lexspecialia
13.8.2025, 15:16:44
A. 985 I. VDKL (+) II. RZB (-) -> Hier nur Einwendungen. Keine einreden. ZBR ist nicht RZB daher geben die ZBR aus 273 oder 1000 kein RZB III. Einreden ( also ZBR) 1. Einrede aus 273 I 2. Einrede aus 273 II -> man braucht fälligen anspruch 994 ff. BGB ivm. 1001 3. Einrede aus 1000 -> man braucht keinen fälligen anspruch daher nur VSS 994 ff. BGB prüfen -> Merke Mit rückgabe der
Sacheerlischt aber der Anspruch auf
Verwendungsersatzweil das ein obligatorisches Leistungsverweigerungsrecht des 985 ist. ABer wenn der Eigentümer schon die
Sachezurückbekommen hat, kann auch kein ANspruch aus 985 mehr bestehen Hoffe das hilft dir etwas weiter
K.Attalla
10.6.2025, 22:34:42
Wie ist die Anwendung des § 273 II in dogmatischer Hinsicht auf den nicht fälligen
Verwendungsersatzanspruch zu begründen? Für eine Analogie bräuchte es eine planwidrige Regelungslücke, aber die liegt doch wegen § 1000 s.1 sicher nicht vor? Danke vorab.
nmew
10.8.2025, 16:22:04
Ich denke, man wendet § 273 II nicht analog an, sondern legt nur den Wortlaut etwas extensiv aus..

