Zivilrecht
Sachenrecht
Vindikation & Eigentümer-Besitzer-Verhältnis
Zurückbehaltungsrecht gem. § 1000 S. 1 BGB
Zurückbehaltungsrecht gem. § 1000 S. 1 BGB
24. Dezember 2025
23 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K kauft von V gutgläubig ein Mountainbike, ohne von dessen psychischer Erkrankung zu wissen. Nach einigen Tagen bricht eine der Speichen, die K reparieren lässt. Kurz darauf fordert der nun für V eingesetzte gesetzliche Betreuer B das Fahrrad heraus.
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Einordnung des Falls
Zurückbehaltungsrecht gem. § 1000 S. 1 BGB
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. V steht ein Herausgabeanspruch gegen K zu.
Genau, so ist das!
2. K hat gegen V einen Verwendungsersatzanspruch aus § 994 Abs. 1 BGB.
Ja, in der Tat!
3. Ist der Verwendungsersatzanspruch der K fällig?
Nein!
4. K muss daher das Fahrrad herausgeben, bevor sie den Ersatz ihrer Verwendungen erlangen kann.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
RealOmnimodo 🇺🇦
12.8.2022, 13:16:38
Also, es ist eine Pattsituation: Eigentümer hat § 985 aber der „Verwender“ kann ihm das ZBR § 1000 S. 1 entgegenhalten und der „Verwender“ hat seinerseits § 994 I gegen den Eigentümer. Der
Verwendungsersatzanspruchist aber gem. § 1001 S. 1 erst fällig, wenn der Eigentümer seine Sache wiedererlangt hat. Ich verstehe jetzt nicht, wie diese
Fälligkeitseinrede überwunden wird und der Verwender seinen § 994 I durchsetzen kann ohne die Sache zurückzugeben? 😰
Nora Mommsen
12.8.2022, 15:51:04
Hallo
omnimodo facturus, danke für die Frage. § 273 Abs. 1
BGBsetzt nach dem Wortlaut einen fälligen Anspruch auf Verwendungsersatz heraus. Dies liegt gem.
§ 1001 BGBerst vor, wenn der Eigentümer die Sache zurückerhalten hat. Sinn und Zweck ist, dass der Eigentümer den Vorteil der Verwendungen ja auch erst nutzen kann, wenn er die Sache wieder in Besitz hat. § 1000 S. 1
BGBsoll diese Lücke füllen. Die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts hat die Wirkungen von § 274: Verurteilung des Besitzers zur Herausgabe Zug um Zug gegen Verwendungsersatz, aber Vollstreckung des Herausgabeanspruchs ohne Verwendungsersatz auch bei Annahme
verzugdes Besitzers. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Carolin_
30.4.2023, 17:23:24
Nach Rechtsprechung besteht doch ein Anwendungsbereich für § 273 Abs. 2
BGBneben § 1000 S.1
BGB, oder nicht? Die Rechtsprechung sieht doch § 1000 S. 1
BGBals
Recht zum Besitzan (und nimmt trotzdem einen Zug-um-Zug-Verurteilung vor). Dann aber hat ja § 273 Abs.2
BGBstreng genommen noch einen Anwendungsbereich, wenn man mit der Rechtsprechung geht? So oder so muss sich die Rechtsprechung jedenfalls eines Kunstgriffes bedienen…
Lukas_Mengestu
15.3.2024, 12:14:25
Hi Carolin, da hast Du Recht. Die Auffassung der Rechtsprechung einerseits ein
Recht zum Besitzzu bejahen, andererseits dann aber einen Herausgabeanspruch aus § 985
BGBmit Zug-um-Zug Verurteilung zuzulassen, begegnet erheblichen Wertungswidersprüchen, die man mit der hL vermeidet (mehr dazu bei: BeckOGK/Spohnheimer, 1.2.2024,
BGB§ 1000 Rn. 29). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
AngeD
28.3.2025, 11:45:43
Nach hM ist
§ 1000 BGBkein
Recht zum Besitz: ,,Es ist umstritten, ob ein Zurückbehaltungsrecht (ZBR) aus §§ 273,
1000 BGBauch ein
Recht zum BesitziSd § 986
BGBdarstellt. BGH (+) zumindest hinsichtlich §
273 BGB, denn der § 986
BGBregelt die Verteidigung des Besitzes gegen den Herausgabeanspruch aus § 985
BGBabschließend, sodass er alle Einreden erfasst. Der §
273 BGBmüsse jedoch dementsprechend einredeweise geltend gemacht werden und der § 274
BGBsei heranzuziehen, nach dem eine Verurteilung nur Zug-um-Zug erfolge. a.A. (-), denn die ZBR gewähren selbstständige Gegenrechte, die dem Anspruch aus § 985
BGBunmittelbar entgegenstehen. Sie bezwecken den Schutz einer gleichzeitigen
Erfüllungvon sich gegenüberstehenden Ansprüchen. Ihre ratio liegt gerade in der Aufrechterhaltung des Gegenanspruches, nicht aber einer Regelung von Besitzverhältnissen. Darüber hinaus würde ein ZBR als
Recht zum Besitzden Anspruch aus § 985
BGBaufheben. Folglich würde es demnach an der Gegenseitigkeit fehlen. Die Ansicht des BGHs ist daher in sich widersprüchlich. Im Ergebnis bedarf es keiner Entscheidung. Sie kommen beide im Grundsatz zum gleichen Ergebnis. Nach der letztgenannten Ansicht sind die §§ 987 ff.
BGBunproblematisch anwendbar (der Besitzer bleibt unrechtmäßiger Besitzer). Nach Ansicht des BGH sind die Ansprüche aus §§ 987 ff.
BGBeigentlich nicht anwendbar, da der Besitzer durch das ZBR zu einem rechtmäßigen Besitzer wird. Der BGH wendet die §§ 987 ff.
BGBdennoch an, und zwar, weil der Besitzer die Herausgabe nicht vollständig, sondern nur vorübergehend verweigern dürfe. Ein Zurückbehaltungsrecht aus
§ 1000 BGBstellt dagegen unstreitig kein Besitzrecht iSd § 986
BGBdar, da hierbei durch die erstmalige Verwendung nach
§ 994 BGBdas gesetzliche
Schuldverhältnis nach den §§ 987 ff.
BGBentfallen würde. D. h. würde man in dem
§ 1000 BGBein Besitzrecht annehmen, würde ihre Voraussetzung der
Vindikationslageentfallen.'' Quelle: https://www.iurastudent.de/lernen/skripte/sachenrecht/3-teil-
vindikationslage/2-problematische-einzelf-lle-recht-zum-besitz-aus Ebenso: Hemmer SachenR I Die Fälle S. 38 ff.
ajboby90
19.6.2024, 14:29:06
Fettes Lob für die - relativ - simple Darstellung dieser etwas misratenen Normen. Man lese sich mal das Wirrwarr auf zb. Juraacademy dazu durch - da raucht der Kopf und man versteht es danach trotzdem nicht! Auch sonst habe ich im Netz dazu nirgends gute Darstellungen gefunden, außer hier. Danke dafür!
Foxxy
19.7.2024, 15:05:09
Hallo, vielen Dank für dein Lob! Deine positive Rückmeldung motiviert uns, weiterhin unser Bestes zu geben. Beste Grüße, Foxxy, für das Jurafuchs-Team
CR7
21.8.2024, 18:06:08
@[ajboby90](222400) auf diesen Seiten steht nur so viel, wie du es sagst, damit sie bei Google ganz oben stehen - verstanden hat man trd. nichts :D
Jessica
5.6.2025, 11:52:28
@[ajboby90](222400) @[CR7](145419) Hello, könntet ihr es vielleicht nochmal in euren Worten erklären. Ich werde daraus immer noch nicht schlau
Albert Hofmann
2.12.2025, 09:51:43
Nach dem Wortlaut des § 273 II
BGBhätte derjenige ein Zurückbehaltungsrecht wenn er zur Herausgabe verpflichtet ist UND einen **fälligen** Anspruch auf Verwendungsersatz hätte. Aufgrund von § 1001 I
BGBwird der
Verwendungsersatzanspruchaber erst NACH der Herausgabe fällig. In diesem Zeitpunkt würde dann zwar ein
Verwendungsersatzanspruchbestehen, jedoch fehlt es dem Besitzer nun an einem Herausgabeanspruch. Die Voraussetzungen für § 273 II
BGBwären damit wieder nicht gegeben. Aus diesem Grunde wendet man § 273 II
BGBauch an, wenn der
Verwendungsersatzanspruchnoch nicht fällig ist, da ansonsten die Anwendung auf die
Verwendungsersatzansprücheaus dem EBV nie möglich wäre... Gebt mir gerne Rückmeldung, ob ich mit meinem Verständnis hier richtig liege :)
Magnum
30.1.2025, 12:27:54
Verstehe ich es richtig, dass für das Zurückbehaltungsrecht gem. § 1000 S.1 der Anspruch auf Verwendungsersatz nicht fällig sein muss gem. § 1001 1?
okalinkk
9.5.2025, 10:27:58
Genau
Honey-bee
3.4.2025, 11:46:15
Wahrscheinlich stehe ich komplett auf dem Schlauch, aber ich checke hier einfach nicht was ich jetzt, sich ausschließend oder doch nebeneinander, anwenden soll - § 273 II - § 1000 S. 1? Die Ausführungen verschiedener Ansichten verwirren mich und sich nicht klar zuortbar. Wenn ich entgegen dem Wortlaut (hM) § 273 II auch anwende, wenn der
Verwendungsersatzanspruchnoch nicht fällig ist und ich dann ein ZBR daraus und aus § 1000 S. 1 habe, fällt der Anwendungsbereich von letzterem weg. Wozu gibt es dann überhaupt den § 1000 S. 1? Lasse ich den dann einfach weg? Und wende dann einfach Zug-um-Zug § 274 an? Vielleicht geht es auch anderen so und man könnte nochmal die
Meinungen, mit Hilfe einer zusätzlichen "
Meinungen zuordnen"-Aufgabe, klar trennen :)
till.
31.10.2025, 15:43:48
@[Foxxy](180364)
Foxxy
31.10.2025, 15:45:09
Kurzantwort: Im EBV stützt du das Zurückbehaltungsrecht primär auf § 1000 S. 1
BGB; § 273 kannst du nur hilfsweise nennen; die Verurteilung erfolgt Zug um Zug nach § 274
BGB. Begründung und
Meinungsstand: - Strenger Wortlaut: § 273 verlangt einen fälligen Gegenanspruch. Wegen § 1001 S. 1 ist der Verwendungsersatz vor Wiedererlangung nicht fällig; ohne § 1000 gäbe es dann kein ZBR. Deshalb ist § 1000 S. 1 als lex specialis zwingend nötig. - h.M.: § 273 wird über den Wortlaut hinaus auch dann angewendet, wenn der Gegenanspruch mit der Leistung fällig wird. Dann besteht das ZBR zusätzlich aus § 273; § 1000 bleibt aber die speziellere Norm im EBV und dogmatische Hauptgrundlage. - Examenspraxis: Erst § 1000 S. 1 sauber prüfen; hilfsweise anmerken, dass nach h.M. auch § 273 trägt. Ergebnis wird prozessual über § 274 als Zug-um-Zug ausgestaltet. Anwendung auf den Fall: - B kann aus § 985 herausverlangen. - K hat Verwendungsersatz aus § 994 Abs. 1 (
notwendige Verwendung, gutgläubig, unverklagt); Anspruch ist nach § 1001 S. 1 noch nicht fällig. - K darf die Herausgabe bis zur Befriedigung verweigern, § 1000 S. 1. Im Urteil: Herausgabe des Fahrrads Zug um Zug gegen Zahlung der Reparaturkosten, § 274. Wozu gibt es § 1000 S. 1, wenn § 273 (h.M.) auch hilft? Er sichert das ZBR im EBV unabhängig von der
Fälligkeit(Gegenansicht!) und bestimmt dessen Reichweite passgenau zu den EBV-
Verwendungsersatzansprüchen. In der Klausur lässt du ihn nicht weg, sondern nimmst ihn als Hauptnorm; § 273 nur ergänzend.
Selina
20.5.2025, 15:35:33
Kann bitte jemand nochmal erklären, wann, wieso und weshalb ich den § 273 Abs. 2
BGBansprechen und abgrenzen muss? Ich checke den Zusammenhang leider nicht, auch nicht, wo ich den in der Prüfung denn nun unterbringen muss…..
lexspecialia
13.8.2025, 15:16:44
A. 985 I. VDKL (+) II. RZB (-) -> Hier nur Einwendungen. Keine einreden. ZBR ist nicht RZB daher geben die ZBR aus 273 oder 1000 kein RZB III. Einreden ( also ZBR) 1. Einrede aus 273 I 2. Einrede aus 273 II -> man braucht fälligen anspruch 994 ff.
BGBivm. 1001 3. Einrede aus 1000 -> man braucht keinen fälligen anspruch daher nur VSS 994 ff.
BGBprüfen -> Merke Mit rückgabe der Sache erlischt aber der Anspruch auf Verwendungsersatz weil das ein obligatorisches Leistungsverweigerungsrecht des 985 ist. ABer wenn der Eigentümer schon die Sache zurückbekommen hat, kann auch kein ANspruch aus 985 mehr bestehen Hoffe das hilft dir etwas weiter
K.Attalla
10.6.2025, 22:34:42
Wie ist die Anwendung des § 273 II in dogmatischer Hinsicht auf den nicht fälligen
Verwendungsersatzanspruchzu begründen? Für eine Analogie bräuchte es eine planwidrige Regelungslücke, aber die liegt doch wegen § 1000 s.1 sicher nicht vor? Danke vorab.
nmew
10.8.2025, 16:22:04
Ich denke, man wendet § 273 II nicht analog an, sondern legt nur den Wortlaut etwas extensiv aus..

