Zivilrecht
Sachenrecht
Vindikation & Eigentümer-Besitzer-Verhältnis
Zurückbehaltungsrecht gem. § 1000 S. 1 BGB
Zurückbehaltungsrecht gem. § 1000 S. 1 BGB
19. Mai 2025
15 Kommentare
4,7 ★ (17.540 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K kauft von V gutgläubig ein Mountainbike, ohne von dessen psychischer Erkrankung zu wissen. Nach einigen Tagen bricht eine der Speichen, die K reparieren lässt. Kurz darauf fordert der nun für V eingesetzte gesetzliche Betreuer B das Fahrrad heraus.
Diesen Fall lösen 73,6 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Zurückbehaltungsrecht gem. § 1000 S. 1 BGB
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. V steht ein Herausgabeanspruch gegen K zu.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. K hat gegen V einen Verwendungsersatzanspruch aus § 994 Abs. 1 BGB.
Ja, in der Tat!
3. Ist der Verwendungsersatzanspruch der K fällig?
Nein!
4. K muss daher das Fahrrad herausgeben, bevor sie den Ersatz ihrer Verwendungen erlangen kann.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
RealOmnimodo 🇺🇦
12.8.2022, 13:16:38
Also, es ist eine Pattsituation: Eigentümer hat § 985 aber der „Verwender“ kann ihm das ZBR § 1000 S. 1 entgegenhalten und der „Verwender“ hat seinerseits § 994 I gegen den Eigentümer. Der
Verwendungsersatzanspruchist aber gem. § 1001 S. 1 erst fällig, wenn der Eigentümer seine Sache wiedererlangt hat. Ich verstehe jetzt nicht, wie diese Fälligkeitseinrede überwunden wird und der Verwender seinen § 994 I durchsetzen kann ohne die Sache zurückzugeben? 😰

Nora Mommsen
12.8.2022, 15:51:04
Hallo
omnimodo facturus, danke für die Frage. § 273 Abs. 1 BGB setzt nach dem Wortlaut einen fälligen Anspruch auf
Verwendungsersatz heraus. Dies liegt gem.
§ 1001 BGBerst vor, wenn der Eigentümer die Sache zurückerhalten hat. Sinn und Zweck ist, dass der Eigentümer den Vorteil der
Verwendungen ja auch erst nutzen kann, wenn er die Sache wieder in Besitz hat. § 1000 S. 1 BGB soll diese Lücke füllen. Die Geltendmachung des
Zurückbehaltungsrechts hat die Wirkungen von § 274: Verurteilung des Besitzers zur Herausgabe Zug um Zug gegen
Verwendungsersatz, aber Vollstreckung des Herausgabeanspruchs ohne
Verwendungsersatz auch bei
Annahmeverzugdes Besitzers. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Carolin_
30.4.2023, 17:23:24
Nach Rechtsprechung besteht doch ein Anwendungsbereich für § 273 Abs. 2 BGB neben § 1000 S.1 BGB, oder nicht? Die Rechtsprechung sieht doch § 1000 S. 1 BGB als Recht zum Besitz an (und nimmt trotzdem einen Zug-um-Zug-Verurteilung vor). Dann aber hat ja § 273 Abs.2 BGB streng genommen noch einen Anwendungsbereich, wenn man mit der Rechtsprechung geht? So oder so muss sich die Rechtsprechung jedenfalls eines Kunstgriffes bedienen…

Lukas_Mengestu
15.3.2024, 12:14:25
Hi Carolin, da hast Du Recht. Die Auffassung der Rechtsprechung einerseits ein Recht zum Besitz zu bejahen, andererseits dann aber einen Herausgabeanspruch aus § 985 BGB mit Zug-um-Zug Verurteilung zuzulassen, begegnet erheblichen Wertungswidersprüchen, die man mit der hL vermeidet (mehr dazu bei: BeckOGK/Spohnheimer, 1.2.2024, BGB § 1000 Rn. 29). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
AngeD
28.3.2025, 11:45:43
Nach hM ist
§ 1000 BGBkein Recht zum Besitz: ,,Es ist umstritten, ob ein
Zurückbehaltungsrecht(ZBR) aus §§ 273,
1000 BGBauch ein Recht zum Besitz iSd § 986 BGB darstellt. BGH (+) zumindest hinsichtlich §
273 BGB, denn der § 986 BGB regelt die Verteidigung des Besitzes gegen den Herausgabeanspruch aus § 985 BGB abschließend, sodass er alle Einreden erfasst. Der §
273 BGBmüsse jedoch dementsprechend einredeweise geltend gemacht werden und der § 274 BGB sei heranzuziehen, nach dem eine Verurteilung nur Zug-um-Zug erfolge. a.A. (-), denn die ZBR gewähren selbstständige Gegenrechte, die dem Anspruch aus § 985 BGB unmittelbar entgegenstehen. Sie bezwecken den Schutz einer gleichzeitigen
Erfüllungvon sich gegenüberstehenden Ansprüchen. Ihre ratio liegt gerade in der Aufrechterhaltung des Gegenanspruches, nicht aber einer Regelung von Besitzverhältnissen. Darüber hinaus würde ein ZBR als Recht zum Besitz den Anspruch aus § 985 BGB aufheben. Folglich würde es demnach an der Gegenseitigkeit fehlen. Die Ansicht des BGHs ist daher in sich widersprüchlich. Im Ergebnis bedarf es keiner Entscheidung. Sie kommen beide im Grundsatz zum gleichen Ergebnis. Nach der letztgenannten Ansicht sind die §§ 987 ff. BGB unproblematisch anwendbar (der Besitzer bleibt unrechtmäßiger Besitzer). Nach Ansicht des BGH sind die Ansprüche aus §§ 987 ff. BGB eigentlich nicht anwendbar, da der Besitzer durch das ZBR zu einem rechtmäßigen Besitzer wird. Der BGH wendet die §§ 987 ff. BGB dennoch an, und zwar, weil der Besitzer die Herausgabe nicht vollständig, sondern nur vorübergehend verweigern dürfe. Ein
Zurückbehaltungsrechtaus
§ 1000 BGBstellt dagegen unstreitig kein
BesitzrechtiSd § 986 BGB dar, da hierbei durch die erstmalige
Verwendungnach §
994 BGBdas gesetzliche
Schuldverhältnis nach den §§ 987 ff. BGB entfallen würde. D. h. würde man in dem
§ 1000 BGBein
Besitzrechtannehmen, würde ihre Voraussetzung der
Vindikationslageentfallen.'' Quelle: https://www.iurastudent.de/lernen/skripte/sachenrecht/3-teil-
vindikationslage/2-problematische-einzelf-lle-recht-zum-besitz-aus Ebenso: Hemmer SachenR I Die Fälle S. 38 ff.

ajboby90
19.6.2024, 14:29:06
Fettes Lob für die - relativ - simple Darstellung dieser etwas misratenen Normen. Man lese sich mal das Wirrwarr auf zb. Juraacademy dazu durch - da raucht der Kopf und man versteht es danach trotzdem nicht! Auch sonst habe ich im Netz dazu nirgends gute Darstellungen gefunden, außer hier. Danke dafür!

Foxxy
19.7.2024, 15:05:09
Hallo, vielen Dank für dein Lob! Deine positive Rückmeldung motiviert uns, weiterhin unser Bestes zu geben. Beste Grüße, Foxxy, für das Jurafuchs-Team

CR7
21.8.2024, 18:06:08
@[ajboby90](222400) auf diesen Seiten steht nur so viel, wie du es sagst, damit sie bei Google ganz oben stehen - verstanden hat man trd. nichts :D
Magnum
30.1.2025, 12:27:54
Verstehe ich es richtig, dass für das
Zurückbehaltungsrechtgem. § 1000 S.1 der Anspruch auf
Verwendungsersatz nicht fällig sein muss gem. § 1001 1?
okalinkk
9.5.2025, 10:27:58
Genau
Honey-bee
3.4.2025, 11:46:15
Wahrscheinlich stehe ich komplett auf dem Schlauch, aber ich checke hier einfach nicht was ich jetzt, sich ausschließend oder doch nebeneinander, anwenden soll - § 273 II - § 1000 S. 1? Die Ausführungen verschiedener Ansichten verwirren mich und sich nicht klar zuortbar. Wenn ich entgegen dem Wortlaut (hM) § 273 II auch anwende, wenn der
Verwendungsersatzanspruchnoch nicht fällig ist und ich dann ein ZBR daraus und aus § 1000 S. 1 habe, fällt der Anwendungsbereich von letzterem weg. Wozu gibt es dann überhaupt den § 1000 S. 1? Lasse ich den dann einfach weg? Und wende dann einfach Zug-um-Zug § 274 an? Vielleicht geht es auch anderen so und man könnte nochmal die Meinungen, mit Hilfe einer zusätzlichen "Meinungen zuordnen"-Aufgabe, klar trennen :)