Zurückbehaltungsrecht gem. § 1000 S. 1 BGB
Diesen Fall lösen 74,3 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Jurastudium und Referendariat.
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K kauft von dem unerkannt geisteskranken V gutgläubig ein Mountainbike. Nach einigen Tagen bricht eine der Speichen, die K reparieren lässt. Kurz darauf fordert der nun für V eingesetzte gesetzliche Betreuer B das Fahrrad heraus.
Einordnung des Falls
Zurückbehaltungsrecht gem. § 1000 S. 1 BGB
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. V steht ein Herausgabeanspruch gegen K zu.
Genau, so ist das!
2. K hat gegen V einen Verwendungsersatzanspruch aus § 994 Abs. 1 BGB.
Ja, in der Tat!
3. Ist der Verwendungsersatzanspruch der K fällig?
Nein!
4. K muss daher das Fahrrad herausgeben, bevor sie den Ersatz ihrer Verwendungen erlangen kann.
Nein, das ist nicht der Fall!
Jurafuchs kostenlos testen
RealOmnimodo 🇺🇦
12.8.2022, 13:16:38
Also, es ist eine Pattsituation: Eigentümer hat § 985 aber der „Verwender“ kann ihm das ZBR § 1000 S. 1 entgegenhalten und der „Verwender“ hat seinerseits § 994 I gegen den Eigentümer. Der
Verwendungsersatzanspruchist aber gem. § 1001 S. 1 erst fällig, wenn der Eigentümer seine Sache wiedererlangt hat. Ich verstehe jetzt nicht, wie diese Fälligkeitseinrede überwunden wird und der Verwender seinen § 994 I durchsetzen kann ohne die Sache zurückzugeben? 😰
Nora Mommsen
12.8.2022, 15:51:04
Hallo
omnimodo facturus, danke für die Frage. § 273 Abs. 1 BGB setzt nach dem Wortlaut einen fälligen Anspruch auf Verwendungsersatz heraus. Dies liegt gem.
§ 1001 BGBerst vor, wenn der Eigentümer die Sache zurückerhalten hat. Sinn und Zweck ist, dass der Eigentümer den Vorteil der Verwendungen ja auch erst nutzen kann, wenn er die Sache wieder in Besitz hat. § 1000 S. 1 BGB soll diese Lücke füllen. Die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts hat die Wirkungen von § 274: Verurteilung des Besitzers zur Herausgabe Zug um Zug gegen Verwendungsersatz, aber Vollstreckung des Herausgabeanspruchs ohne Verwendungsersatz auch bei Annahmeverzug des Besitzers. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Carolin_
30.4.2023, 17:23:24
Nach Rechtsprechung besteht doch ein Anwendungsbereich für § 273 Abs. 2 BGB neben § 1000 S.1 BGB, oder nicht? Die Rechtsprechung sieht doch § 1000 S. 1 BGB als Recht zum Besitz an (und nimmt trotzdem einen Zug-um-Zug-Verurteilung vor). Dann aber hat ja § 273 Abs.2 BGB streng genommen noch einen Anwendungsbereich, wenn man mit der Rechtsprechung geht? So oder so muss sich die Rechtsprechung jedenfalls eines Kunstgriffes bedienen…
Lukas_Mengestu
15.3.2024, 12:14:25
Hi Carolin, da hast Du Recht. Die Auffassung der Rechtsprechung einerseits ein Recht zum Besitz zu bejahen, andererseits dann aber einen Herausgabeanspruch aus § 985 BGB mit Zug-um-Zug Verurteilung zuzulassen, begegnet erheblichen Wertungswidersprüchen, die man mit der hL vermeidet (mehr dazu bei: BeckOGK/Spohnheimer, 1.2.2024, BGB § 1000 Rn. 29). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
ajboby90
19.6.2024, 14:29:06
Fettes Lob für die - relativ - simple Darstellung dieser etwas misratenen Normen. Man lese sich mal das Wirrwarr auf zb. Juraacademy dazu durch - da raucht der Kopf und man versteht es danach trotzdem nicht! Auch sonst habe ich im Netz dazu nirgends gute Darstellungen gefunden, außer hier. Danke dafür!
Foxxy
19.7.2024, 15:05:09
Hallo, vielen Dank für dein Lob! Deine positive Rückmeldung motiviert uns, weiterhin unser Bestes zu geben. Beste Grüße, Foxxy, für das Jurafuchs-Team