Versicherungsfall (+)

24. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Die bei U beschäftigte Bauarbeiterin B fällt vom Gerüst, da die vorgeschriebenen Schutzeinrichtungen durch U bewusst nicht angebracht worden sind. B erleidet mehrfache Knochenbrüche und fordert nun Schadensersatz.

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Einordnung des Falls

Versicherungsfall (+)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. B könnte gegen Arbeitgeber U einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB haben.

Genau, so ist das!

Zwischen U und B besteht ein Arbeitsverhältnis nach § 611a Abs. 1 BGB. Indem U es unterließ, die Sicherungseinrichtungen am Gerüst anzubringen, kam er seinen Verkehrssicherungspflichten nicht nach und hat daher eine Schutzpflicht aus § 241 Abs. 2 BGB verletzt. Dies hat U aufgrund des bewussten und damit vorsätzlichen Handelns auch zu vertreten (§ 276 Abs. 1 BGB). Zudem ist B durch mehrfache Knochenbrüche ein Schaden entstanden. Folglich liegen alle Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB vor.
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2. Die Haftung des U wegen des Personenschadens der B könnte jedoch nach § 104 SGB VII ausgeschlossen sein.

Ja, in der Tat!

Der Haftungsausschluss nach § 104 SGB VII greift ein, wenn (1) der Arbeitgeber einen Versicherungsfall verursacht hat (§§ 7, 8 SGB VII), (2) ein Versicherter betroffen ist, der im Rahmen einer versicherungspflichtigen Tätigkeit für den Arbeitgeber gehandelt hat und (3) der Arbeitgeber weder vorsätzlich handelte noch sich der Versicherungsfall auf einem versicherten Weg (§ 8 Abs. 2 Nr.1-4 SGB VII) ereignet hat. Zweck dieser Haftungsfreistellung bei Personenschäden nach §§ 104ff. SGB VII ist, dass der Unternehmer, der alleine die gesetzliche Unfallversicherung finanziert, nicht doppelt belastet werden soll (Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz). Außerdem dient es dem Schutz des Betriebsfriedens.

3. Es liegt hier ein Versicherungsfall vor.

Ja!

Der Haftungsausschluss setzt voraus, dass ein Versicherungsfall vorliegt. Wichtigster Versicherungsfall ist der Arbeitsunfall (§ 7 SGB VII). Dies meint ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper wirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod eines Menschen führt (§ 8 SGB VII). Dabei muss das schädigende Ereignis in einem rechtlich wesentlichen Ursachenzusammenhang zu der versicherten Tätigkeit stehen. Dies ist im Rahmen einer wertende Gesamtbetrachtung zu ermitteln. B ist während ihrer Tätigkeit als Bauarbeiterin vom Gerüst gefallen und hat dadurch einen Gesundheitsschaden erlitten. Das schädigende Ereignis steht daher in wesentlichem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit.

4. Kann sich U auf den Haftungsausschluss nach § 104 SGB VII berufen, obwohl er die vorgeschriebenen Schutzeinrichtungen bewusst nicht angebracht hat?

Genau, so ist das!

Der Haftungsausschluss gilt nicht, wenn der Arbeitgeber den Versicherungsfall vorsätzlich verursacht hat. Der Vorsatz muss sich dabei auch auf den Schaden und nicht nur auf die Verletzungshandlung beziehen (doppelter Vorsatz). Hier hat U allein die Unfallverhütungsvorschriften vorsätzlich nicht beachtet, jedoch hat er den Verletzungserfolg nicht billigend in Kauf genommen. Folglich ist die Berufung auf den Haftungsausschluss nicht deswegen ausgeschlossen. Da U den Versicherungsfall auch nicht auf dem Weg von oder zur Arbeit herbeigeführt hat, kann er sich auf den Haftungsausschluss nach § 104 SGB VII berufen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Dogu

Dogu

16.2.2024, 09:40:05

Ich habe in meinen Gesetzessammlungen nur §§ 104 ff. SGB VII als Fußnote gefunden. Wird § 8 dann bei solchen Fragestellungen im Examen abgedruckt?

JES

Jessica

8.4.2024, 15:38:34

Zu den zulässigen Gesetzen zählt in Rheinland Pfalz und ich denke in allen anderen Bundesländern auch die „Arbeitsgesetze“ vom Beck Verlag. Ab Seite 459 ist bei mir das SGB VII zu finden mit allen notwendigen Paragraphen.

Dogu

Dogu

8.4.2024, 18:35:44

Kann ich für das größte Bundesland nicht bestätigen. In NRW sind nur der Schönfelder samt Ergänzungsband, Sartorius I und Landesgesetze zulässig.

in persona

in persona

9.9.2024, 17:23:54

in Berlin ebenfalls☺️

in persona

in persona

9.9.2024, 17:24:23

insofern müssten sie die Norm auf jeden Fall abdrucken:)

JES

jess11O

30.8.2024, 16:00:19

Könnte man hier nicht annehmen, dass ein Arbeitgeber, welcher notwendige Sicherungsvorkehrungen vorsätzlich nicht trifft dabei auch billigend in Kauf nimmt, dass sich ein Arbeitnehmer verletzt?

BE

Bioshock Energy

10.9.2024, 14:11:24

Doch, ich denke das könnte man auf alle Fälle so argumentieren. Allerdings sind im Sachverhalt keine Angaben, die ein billiges in Kauf nehmen positiv begründen. Ich weiß jedoch nicht wen im Falle des § 104 SGB VII die Beweislast trifft. Weiß das zufällig jemand? Ansonsten würde man auf die allgemeinen Beweislastregeln zurückfallen.


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