Haftungssentsperrung

24. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Arbeitnehmer A und K sind auf gemeinsamer Dienstreise. Beide sind bei der W-GmbH angestellt. Als A kurz unaufmerksam ist, kommt er mit dem Auto von der Straße ab und stößt gegen einen Baum. K erleidet einen Beinbruch und verlangt von A Schadensersatz aus § 823 Abs. 1 BGB.

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Einordnung des Falls

Haftungssentsperrung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Eine Haftungsfreistellung bei Arbeitsunfällen kommt nur bei Schäden in Betracht, die der Arbeitgeber verursacht hat.

Nein!

Zweck der Haftungsfreistellung bei Personenschäden nach §§ 104ff. SGB VII ist, dass der Unternehmer, der alleine die gesetzliche Unfallversicherung finanziert, nicht doppelt belastet werden soll. Dies würde allerdings unterlaufen, wenn nicht auch ein Haftungsausschluss für Personenschäden bestehen würde, die die Mitarbeiter verursachen. Andernfalls könnte der Schädiger hinsichtlich der gegen ihn gerichteten Schadensersatzforderungen nach Maßgabe des innerbetrieblichen Schadensausgleichs vom Arbeitgeber Freistellung bzw. Ersatz verlangen könnte. Außerdem dient es dem Schutz des Betriebsfriedens.
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2. A hat einen Versicherungsfall durch eine betriebliche Tätigkeit verursacht.

Genau, so ist das!

Der Versicherungsfall muss durch eine betriebliche Tätigkeit verursacht worden sein. Dies resultiert aus dem Normzweck, da der innerbetriebliche Schadensausgleich ebenfalls nur bei betrieblichen Tätigkeiten Anwendung findet. Eine betriebliche Tätigkeit ist eine solche, die dem Arbeitnehmer entweder ausdrücklich von dem Betrieb und für den Betrieb übertragen ist oder die er im Interesse des Betriebes ausführt, die in nahem Zusammenhang mit dem Betrieb und seinem betrieblichen Wirkungskreis steht. Die Fahrt, bei der der Unfall geschah, war eine Dienstfahrt, sodass diese unmittelbar zur Arbeitstätigkeit (betriebliche Tätigkeit) gehörte. Auch hat A dadurch einen Personenschaden seines Kollegen K verursacht, der nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII Versicherter ist. Mithin liegt ein Arbeitsunfall (§ 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII) und damit ein Versicherungsfall (§ 7 Abs. 1 SGB VII) vor.

3. K gehört demselben Betrieb an.

Ja, in der Tat!

Der Unfallverursacher und der Geschädigte müssen im Unfallzeitpunkt demselben Betrieb angehören (§ 2 Abs. 1, 2 SGB VII). A und K sind Beschäftigte der W-GmbH und damit kraft Gesetzes gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII Versicherte desselben Betriebes. Beachte: § 106 Abs. 3 SGB VII erweitert den Haftungsausschluss auf Versicherungsfälle, die sich bei bloß vorübergehender Tätigkeit auf einer gemeinsamen Betriebsstätte ereignen, auch wenn Unfallverursacher und Geschädigter nicht zum selben Betrieb gehören.

4. Der Haftungsausschluss scheidet aus, weil A vorsätzlich gehandelt hat.

Nein!

Der Haftungsausschluss des § 105 SGB VII greift dann nicht ein, wenn der Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt worden ist. Der Vorsatz muss sich dabei auch auf den Schaden und nicht nur auf die Verletzungshandlung beziehen (doppelter Vorsatz). Hier war A lediglich kurz unaufmerksam, sodass er fahrlässig, aber nicht vorsätzlich den Unfall verursacht hat. Der Ausschluss der Haftung scheidet hier demnach nicht wegen vorsätzlichem Arbeitnehmerhandeln aus.

5. Allerdings scheidet der Haftungsausschluss aus, weil sich der Arbeitsunfall während der Dienstreise und damit auf einem nach § 8 Abs. 2 SGB VII versicherten Weg ereignet hat.

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Haftungsausschluss des § 105 SGB VII scheidet aus, wenn der Versicherungsfall auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1-4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt wurde. Die Arbeitsunfälle nach § 8 Abs. 2 SGB VII stellen zwar Versicherungsfälle dar, allerdings ist die Haftung gemäß § 105 SGB VII hier ausdrücklich nicht ausgeschlossen. § 8 Abs. 2 Nr. 1-4 SGB VII regelt verschiedene Fälle der Fahrt nach und vom Ort der Tätigkeit. Darunter fallen nicht Betriebs- oder Arbeitswege, also solche, die in Ausführung der versicherten Tätigkeit zurückgelegt werden (Lieferfahrten, Dienstfahrten). Der Unfall geschah hier auf einer Dienstfahrt. Dies ist ein nach § 8 Abs. 1 SGB VII versicherter Weg, sodass die Haftungsentsperrung nicht eingreift. A kann sich auf den Haftungsausschluss nach § 105 SGB VII berufen .
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