Art der Kundgabe: Reichweite der Meinungsäußerungsfreiheit: nur mit friedlichen Mitteln 1


leicht

Diesen Fall lösen 85,2 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Schüler S verteilt am Eingang der Schule Flyer mit folgender Aufschrift: "Ich will schulfrei!" Um der Aktion Nachdruck zu verleihen, verteilt er schallende Ohrfeigen an Mitschüler, die keinen Flyer nehmen. Rektorin R wird es angst und bange. Sie ruft prompt die Polizei.

Einordnung des Falls

Art der Kundgabe: Reichweite der Meinungsäußerungsfreiheit: nur mit friedlichen Mitteln 1

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Flyer mit der Aufschrift "Ich will schulfrei!" stellen eine Meinungskundgabe dar.

Genau, so ist das!

Eine Meinung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG umfasst das Werturteil. Unter einem Werturteil versteht man jede Äußerung, die durch ein subjektives Element der Stellungnahme oder des Dafürhaltens gekennzeichnet ist, ohne dass es auf die Qualität oder Richtigkeit der Äußerung ankommt. Die Aussage "Ich will schulfrei" drückt einen Wunsch des S aus und lässt dessen subjektive Einstellung zu seiner Schulpflicht erkennen. Diese Äußerung ist daher durch ein subjektives Element der Stellungnahme gekennzeichnet.

2. Auch die unfriedliche Meinungsäußerung ist vom sachlichen Schutzbereich der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) erfasst.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) schützt nach dem BVerfG nur den geistigen Kampf der Meinungen. Äußerungsformen, die sich wirtschaftlichen Drucks oder gar Gewalt bedienen, sind nicht geschützt. Das Aufzwingen von Meinungen gegen oder ohne den Willen des Adressaten fällt daher aus dem sachlichen Schutzbereich der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG).

3. S äußert seine Meinung mit friedlichen Mitteln.

Nein!

Eine Meinungsäußerung ist unfriedlich, wenn statt der geistigen Auseinandersetzung ein Druckmittel zur Meinungsbildung eingesetzt wird. S verteilt Ohrfeigen. Dadurch übt S gegenüber Mitschülern körperlichen Zwang aus, um seiner Meinung Gehör zu verschaffen. Er verlässt somit das Feld geistiger Auseinandersetzung und zwingt den übrigen Schülern - und indirekt auch den Lehrkräften - seine Meinung auf.

Jurafuchs kostenlos testen


MAT

Matschegenga

11.12.2021, 16:30:26

Wäre es kleingeistig hier in der Falllösung zu differenzieren zwischen Äußerung und Verbreitung der Meinung? Und wenn nicht, dürfte es sich bei der Flyer-Verteilung nicht um eine unfriedliche Verbreitung einer bereits geäußerten Meinung handeln?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

13.12.2021, 10:30:26

Hallo Matschegenga, Art. 5 Abs. 1 GG stellt einen umfassenden Schutz der Informations-/Meinungsweitergabe dar (vgl. Schemmer, in: BeckOK-GG, 49.Ed. 15.11.2021, Art. 5 GG, RdNr. 9). Die in Art. 5 Abs. 1 GG genannten Formen sind insofern nur beispielhaft zu verstehen. Insbesondere sind die Modalitäten "Verbreiten" und "Äußern" nicht als feste Tatbestandsmerkmale zu verstehen, die streng voneinander abgegrenzt werden können (vgl. Kingreen/Poscher, Grundrechte - Staatsrecht II, 36.A. 2020, RdNr. 656). Schon rein begrifflich ist es schwer vorstellbar, wie genau man hier eine Unterscheidung treffen will. Denn in der Äußerung einer Meinung steckt zugleich ja das Verbreiten eben jener Meinung. Insofern musst Du hier aufpassen, Dich nicht zu sehr zu verzetteln. Beste Grüße Lukas - für das Jurafuchs-Team

WEJU

Werdet gerechte Juristen

26.10.2023, 11:00:45

Ich liebe eure Fälle. Bei diesem musste ich sogar leicht schmunzeln haha

Nora Mommsen

Nora Mommsen

27.10.2023, 11:13:12

Hallo Dr. Kurde, danke für das tolle Lob! Dann haben wir mit diesem Fall unser Ziel erreicht. So lernt es sich doch deutlich besser. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team


© Jurafuchs 2024