Öffentliches Recht

VwGO

Feststellungsklage

FK begründet (Nichtigkeit eines Verwaltungsakts)

FK begründet (Nichtigkeit eines Verwaltungsakts)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A betreibt in der bayrischen kreisfreien Stadt K eine Kneipe. Weil sie jedes Jahr ihre Steuererklärung nur unvollständig einreicht, widerruft der genervte Sachbearbeiter S des Finanzamtes schließlich As Gaststättenerlaubnis (§ 15 GastG). A hält den Widerruf für nichtig. Ihre erhobene Feststellungsklage ist zulässig.

Diesen Fall lösen 77,2 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

FK begründet (Nichtigkeit eines Verwaltungsakts)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Feststellungsklage ist begründet, wenn der Widerruf nichtig ist.

Genau, so ist das!

Die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts (§ 43 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) ist begründet, wenn der Verwaltungsakt nichtig ist. Soweit keine Spezialvorschriften vorhanden sind, richtet sich die Nichtigkeit eines Verwaltungsakts von Bundesbehörden nach § 44 VwVfG. Handelt es sich um einen Verwaltungsakt einer Landesbehörde, findet die jeweilige Vorschrift des LVwVfG Anwendung ( Art. 44 BayVwVfG, § 44 BVwVfG, Art. 44 VwVfG NRW ). Die Landesvorschriften sind in der Regel nahezu identisch zum VwVfG des Bundes. Der Widerruf von As Gaststättenerlaubnis müsste nichtig nach Art. 44 BayVwVfG sein.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Der Widerruf von As Gaststättenerlaubnis ist nichtig nach Art. 44 Abs. 2 BayVwVfG .

Nein, das trifft nicht zu!

Art. 44 Abs. 2 BayVwVfG (entspricht § 44 Abs. 2 VwVfG) werden absolute Nichtigkeitsgründe genannt. Liegt schon danach Nichtigkeit des Verwaltungsakt vor, kommt es auf den Abs. 1 der Vorschrift (relative Nichtigkeit) nicht mehr an. Es liegt kein absoluter Nichtigkeitsgrund aus Art. 44 Abs. 2 BayVwVfG vor. Die absoluten Nichtigkeitsgründe musst Du immer vor der relativen Nichtigkeit (§ 44 Abs. 1 VwVfG) prüfen. § 44 Abs. 2 VwVfG ist die speziellere Vorschrift.

3. Das Finanzamt ist sachlich unzuständig für den Widerruf der Gaststättenerlaubnis. Könnte sich daraus die Nichtigkeit des Widerrufs nach Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG ergeben?

Ja!

Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist (Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG; entspricht § 44 Abs. 1 VwVfG). Für den Widerruf der Gaststättenerlaubnis (§ 15 GastG) sind die bayrischen Kreisverwaltungsbehörden zuständig (§ 1 Abs. 1 S. 1 BayGastV). Die kreisfreie Stadt K ist zuständig für den Widerruf der Gaststättenerlaubnis. Der Widerruf durch das Finanzamt war fehlerhaft. Für die Zuständigkeit des Vollzugs des GastG musst Du in die jeweilige landesrechtliche Regelung schauen (§ 30 GastG).

4. Jeder (formelle) Fehler führt zur Nichtigkeit nach § Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG .

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Fehler führt nur zur Nichtigkeit des Verwaltungsakts, wenn er besonders schwerwiegend und bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Der Fehler ist besonders schwerwiegend, wenn er für die Rechtsordnung unerträglich ist. Er ist offensichtlich, wenn er für einen mit den Gesamtumständen vertrauten, verständigen Beobachter ohne weiteres ersichtlich ist, d.h. sich geradezu aufdrängt. Ein eigenes Tätigwerden einer Behörde außerhalb der sachlichen Zuständigkeit widerspricht den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung im besonders hohem Maße. Dass das Finanzamt für die Verwaltung von Steuern und gerade nicht für gaststättenrechtliche Sachverhalte zuständig ist, weiß jeder verständige Durchschnittsbürger.

5. Die Feststellungsklage gerichtet auf die Nichtigkeit des Widerrufs ist unbegründet.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts (§ 43 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) ist begründet, wenn der Verwaltungsakt nichtig ist. Der Widerruf von As Gaststättenerlaubnis durch das Finanzamt ist nichtig (§ Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG ). Die Feststellungsklage ist begründet.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

Jurafuchs kostenlos testen


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

SEMO

SeMosah

8.1.2023, 15:33:04

Die Landesnormen des letzten Falles sind nicht verlinkt.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

11.1.2023, 14:09:20

Hallo fLAWless, danke für die Rückmeldung. Wir arbeiten noch daran, alle Landesnormen zu verlinken. Für diese Aufgabe habe ich das jetzt schonmal gemacht :) Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

EVA

evanici

31.8.2023, 13:00:23

Was mir irgendwie gefehlt hat, ist ein komplettes "Schema" der Zulässigkeit/Begründetheit der FK, macht ihr das noch?

AG

agi

5.5.2024, 15:52:39

Wäre nach wie vor noch immer wünschenswert! :)

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

23.8.2024, 17:55:06

Hey, das Schema für die Zulässigkeit findet ihr hier: https://applink.jurafuchs.de/iZ8fbkZCiMb :) Da es in der Begründetheit nicht mehrere Prüfungspunkte gibt, sondern nur: „Bestehen oder Nichtbestehen des Rechtsverhältnisses“ bzw. „Nichtigkeit des

Verwaltungsakt

s“ geprüft wird (siehe: https://applink.jurafuchs.de/FdA7huaDiMb), haben wir hierzu bisher kein extra Schema. Am besten orientiert ihr euch für die Begründetheit am Wortlaut des § 43 Abs. 1 VwGO. Ich hoffe, ich konnte euch damit weiterhelfen. Viele Grüße - Linne, für das Jurafuchs-Team

JES

jess11O

19.8.2024, 16:05:02

Ich weiß nicht, ob ich mich jetzt irgendwie selbst verwirrt habe, aber wäre hier eigentlich nicht die Anfechtungsklage vorrangig anzuwenden? Oder ergibt sich das insofern aus der Aufgabe, dass spezifisch nach der Feststellung der Nichtigkeit gefragt ist?

Wendelin Neubert

Wendelin Neubert

20.8.2024, 16:26:30

Danke für Deine Frage @[jess11O](258425). Laut Sachverhalt hält A den Widerruf für nichtig und erhebt

Feststellungsklage

. Der Sachverhalt ist insoweit eindeutig. Hier solltest Du erkennen, dass die

Nichtigkeitsfeststellungsklage

(§ 43 Abs. 1 Var. 3 VwGO) statthaft ist, gerichtet auf die Feststellung, dass der Widerruf – ein

Verwaltungsakt

– nichtig ist. Die Anfechtungsklage ist nicht statthaft: Denn sie ist gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO gerichtet auf die Aufhebung eines

Verwaltungsakt

s i.S.d. § 35 (L)VwVfG. Ist der

Verwaltungsakt

aber nicht, fehlt es bereits an einem

Verwaltungsakt

, der mittels der Anfechtungsklage aufgehoben werden könnte. Genau diese Rechtsschutzlücke schließt die

Nichtigkeitsfeststellungsklage

. Hoffe das hilft. Beste Grüße - Wendelin für das Jurafuchs-Team


© Jurafuchs 2024