Öffentliches Recht

VwGO

Allgemeine Leistungsklage

LK teilweise unbegründet: Nicht erfüllter ÖR-Vertrag

LK teilweise unbegründet: Nicht erfüllter ÖR-Vertrag

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Unternehmerin U braucht in der Gemeinde G mehr Baugrund. G und U schließen einen wirksamen öffentlich-rechtlichen Vertrag, wonach U günstig ein Grundstück der G pachten kann, sobald sie fünf Auszubildende in ihrem Betrieb eingestellt hat. Nachdem U 3 Azubis eingestellt hat, erhebt sie Leistungsklage gerichtet auf die Nutzung des Grundstücks. Die Klage ist zulässig.

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Einordnung des Falls

LK teilweise unbegründet: Nicht erfüllter ÖR-Vertrag

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die allgemeine Leistungsklage ist begründet, wenn der Kläger einen Rechtsanspruch auf Erlass eines Verwaltungsakts hat.

Nein, das trifft nicht zu!

Die allgemeine Leistungsklage ist begründet, wenn ein Rechtsanspruch auf die begehrte Leistung besteht. In Abgrenzung zur spezielleren Verpflichtungsklage muss die Leistung in einem Realhandeln der Verwaltung bestehen. Der Rechtsanspruch auf das Realhandeln kann sich unter anderem aus einem bestehenden öffentlich-rechtlichen Vertrag ergeben. Neben der gerichtlichen Durchsetzung von Folgenbeseitigungs- und Unterlassungsansprüchen, ist die allgemeine Leistungsklage gerichtet auf die Erfüllung eines öffentlich-rechtlichen Vertrags i.S.v. §§ 54ff. VwVfG sehr relevant.
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2. Us Anspruch auf Nutzung des Grundstücks ergibt sich aus einem wirksamen Verwaltungsakt.

Nein!

Hat die Behörde dem Kläger eine bestimmte Leistung durch einen wirksamen Verwaltungsakt zugesagt, so kann er die Leistung aufgrund des Verwaltungsakts einklagen. Hat die Behörde einen öffentlich-rechtlichen Vertrag mit dem Kläger geschlossen, ergibt sich der Leistungsanspruch aus diesem Vertrag, welcher gerade kein Verwaltungsakt i.S.v. § 35 VwVfG ist. Während sich ein Verwaltungsakt dadurch auszeichnet, dass die Behörde mit seiner Hilfe einseitig eine Regelung gegenüber dem Bürger trifft („hoheitliche Maßnahme“), besteht das Wesensmerkmal des öffentlich-rechtlichen Vertrags gerade darin, dass Bürger und Behörde einvernehmlich (konsensual) handeln. G hat keinen Verwaltungsakt nach § 35 VwVfG erlassen. Vielmehr könnten G und U einen öffentlich-rechtlichen Vertrag i.S.v. §§ 54ff. VwVfG geschlossen haben, aus dem sich Us Leistungsanspruch gegen G ergeben könnte.

3. Der öffentlich-rechtliche Vertrag zwischen G und U ist wirksam zustande gekommen und nicht nichtig.

Genau, so ist das!

Kommt ein Vertrag als Anspruchsgrundlage für die begehrte Leistung in Betracht, muss (1) geprüft werden, ob es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag handelt (= Abgrenzung zum Privatrecht und zum Verwaltungsakt). Der öffentlich-rechtliche Vertrag muss (2) wirksam zustande gekommen sein (§§ 57f. VwVfG). Weiterhin darf er (3) nicht nichtig sein (§ 59 VwVfG). Auf die Rechtmäßigkeit des Vertrags kommt es dagegen nicht an. U und G haben wirksam einen öffentlich-rechtlichen Vertrag geschlossen. Dieser ist auch nicht nichtig. Lies Dir einmal die Vorschriften der §§ 54 ff. VwVfG in Ruhe durch. Die Voraussetzungen eines wirksamen öffentlich-rechtlichen Vertragsschluss sind dort ziemlich ausführlich geregelt.

4. Im nächsten Schritt kommt es darauf an, dass Us Leistungsanspruch aus dem Vertrag nicht erloschen und durchsetzbar ist.

Ja, in der Tat!

Stützt der Kläger ein Leistungsbegehren auf einen öffentlich-rechtlichen Vertrag, muss der Anspruch zunächst entstanden sein (= wirksamer Vertragsschluss und keine Nichtigkeit, §§ 54-59 VwVfG). Weiterhin darf der Leistungsanspruch nicht untergegangen sein (Erlöschenstatbestände: § 60 VwVfG, § 62 S. 2 VwVfG i.V.m. §§ 275, 323 ff., 362 BGB). Der Anspruch muss außerdem durchsetzbar sein (Einredetatbestände: § 62 S. 2 VwVfG i.V.m. §§ 214, 242, 273, 320 BGB). Auch hier gilt: Lies Dir die Normen in Ruhe durch.

5. Us Anspruch auf Nutzung des Grundstücks besteht und ist durchsetzbar. Us allgemeine Leistungsklage ist vollumfänglich begründet.

Nein!

Der Anspruch aus dem öffentlich-rechtlichen Vertrag muss entstanden, nicht erloschen und durchsetzbar sein (§§ 54 ff. VwVfG). Us Nutzungsanspruch ist zwar entstanden (§§ 54-59 VwVfG) und nicht erloschen (§ 60 VwVfG, § 62 S. 2 VwVfG i.V.m. §§ 275, 323 ff., 362 BGB). Allerdings hat sich U durch den Vertrag verpflichtet, zunächst fünf Azubis einzustellen. U hat aber erst drei eingestellt. Somit steht Us Anspruch die Einrede des Nicht erfüllten Vertrags entgegen (§ 62 S. 2 VwVfG i.V.m. 320 BGB). Die Klage auf sofortige Nutzung des Grundstücks ist nicht begründet. Das Gericht wird nur eine Verurteilung zur Leistung Zug-um-Zug aussprechen. G muss daher erst leisten, wenn U die restlichen Azubis eingestellt hat.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

STE

StellaChiara

4.9.2023, 13:19:19

ich habe hier eine zwischenfrage bzgl des öffentlich rechtliochen Vertrag. Ist für die Einordnung ins öffentliche Recht die sog. Hauptleistungspflicht relevant, hier also das Erhalten des Baugrunds? und würde die Pflicht der U bzgl der Azubis als

nebenleistungspflicht

betrachtet werden? Diese würde ja eher ins zivilrechtliche Gebiet fallen oder?

Nils

Nils

24.4.2024, 00:12:56

Die Einstellung der Azubis ist die im Mittelpunkt stehende vertraglich übernommene Hauptleistungspflicht von U, keine

Nebenleistungspflicht

.

Nebenleistungspflicht

en sind solche Vertragspflichten, die erfüllt werden müssen, damit die Hauptleistungspflicht erbracht werden kann, z.B. die Abnahme der Kaufsache bei § 433 II BGB oder Erteilung einer Quittung nach § 368 BGB.


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