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Unzureichende Umsetzung wegen überschießender Zielerreichung

Unzureichende Umsetzung wegen überschießender Zielerreichung

22. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Zur Vermeidung irreführender und missbräuchlicher Werbung regelt die Richtlinie über Arzneimittelwerbung abschließend, was im Rahmen von Arzneimittelwerbung unzulässig ist. Das deutsche Umsetzungsgesetz regelt Werbung strenger als die Richtlinie und enthält weitergehende Verbote.

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Einordnung des Falls

Unzureichende Umsetzung wegen überschießender Zielerreichung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die wörtliche Übernahme der Vorschriften der Richtlinie in das nationales Gesetz ist zwingend, um dem Gebot der praktischen Wirksamkeit gerecht zu werden.

Nein!

Eine wörtliche Übernahme ist nach der Rechtsprechung des EuGH nicht erforderlich. Formulierungsunterschiede, welche keine Auswirkungen auf die inhaltliche Durchführung der Richtlinie haben, sind daher zulässig. Bei Richtlinien, die inhaltlich detaillierte Vorgaben enthalten, beschränkt sich der Umsetzungsspielraum der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Formulierungen aber regelmäßig auf reine Formalia ohne inhaltliche Bedeutung.
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2. Das deutsche Umsetzungsgesetz ist grundsätzlich geeignet das Ziel der Richtlinie, nämlich die Vermeidung irreführender und missbräuchlicher Werbung, zu vermeiden.

Genau, so ist das!

Richtlinien sind gemäß Art. 288 Abs. 3 AEUV hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich. Das Ziel der Richtlinie über die Werbung von Arzneimitteln ist die Vermeidung irreführender und missbräuchlicher Werbung. Dieses Ziel wird dadurch erreicht, dass die deutschen Vorschriften weitergehende Verbote vorsehen als die Richtlinie.

3. Die Mitgliedstaaten sind im Rahmen ihrer Umsetzungsverpflichtung stets berechtigt, über die Regelungsziele der Richtlinie hinauszugehen, z.B. indem sie weitergehende Verbote vorsehen als die Richtlinie.

Nein, das trifft nicht zu!

Hinsichtlich der Befugnisse der Mitgliedstaaten, überschießende Regelungen zu treffen, ist zu unterscheiden: Die Mitgliedstaaten sind nur dann berechtigt, über die Regelungsziele der Richtlinie hinauszugehen, wenn die Richtlinie nur Mindestanforderungen aufstellt. Wenn die Richtlinie den Sachverhalt dagegen abschließend regelt (Vollharmonisierung), dann stellt die Richtlinie den Höchststandard dar. Eine überschießende Umsetzung durch den Gesetzgeber des jeweiligen Mitgliedstaats verbietet sich in diesen Fällen. Für die Ermittlung der Regelungsdichte ist eine genaue Auslegung der Richtlinie im Einzelfall erforderlich.

4. Die Richtlinie über Arzneimittelwerbung regelt den Sachverhalt abschließend. Die deutschen Umsetzungsnormen sind daher EU-rechtswidrig, soweit sie über die Richtlinie hinausgehen.

Ja!

Bei Vollharmonisierung durch eine Richtlinie dürfen die Mitgliedstaaten im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie keine Vorgaben schaffen, die über den Standard der Regel in der Richtlinie hinausgehen. Die deutschen Umsetzungsvorschriften stehen daher, soweit sie über die Richtlinie hinausgehen, im Widerspruch zur Richtlinie. Aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts muss das nationale Recht (innerhalb des Wortlauts) daher unionrechtskonform ausgelegt werden. Wenn eine unionsrechtskonforme Auslegung angesichts des Wortlauts nicht möglich ist, dann tritt die fragliche nationale Regelung hinter die Unionsrechtsordnung zurück und bleibt unangewendet.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Fiona

Fiona

4.1.2023, 16:53:17

Ein Mitgliedsstaat besitzt nicht die Freiheit strengere Regelungen als die EU zu fassen?

MAN

many

20.4.2023, 22:05:25

Nur soweit es sich nicht um einen vollharmonisierten Bereich handelt.

der unerkannt geisteskranke E

der unerkannt geisteskranke E

25.11.2023, 16:41:09

Vielleicht noch einmal zum Verständnis durch methodische Begründung: Richtlinien sind gem. Art. 288 Abs. 3 AEUV hinsichtlich ihrer Ziele verbindlich. Die Mitgliedsstaaten sind also zur Umsetzung dieser Ziele im nationalen Recht verpflichtet. Das entscheidende Kriterium in der Frage, ob ein Mitgliedsstaat diese Verpflichtung erfüllt hat, ist also, welche Ziele die einzelne Richtlinie genau verfolgt. Ziel kann die Setzung von Mindeststandards, aber auch die Vollharmonisierung sein. Daher sind Mitgliedsstaaten unter Umständen gem. Art. 288 Abs. 3 AEUV dazu verpflichtet, keine weitergehenden Regelungen zu treffen.

Lord Denning

Lord Denning

3.1.2024, 14:10:42

Was ist der Unterschied zwischen den beiden genannten Auslegung? Ist lediglich der Bezug ein anderer (richtlinienkonform bei Richtlinie etc.)?


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