Umsetzung durch Verwaltungsvorschriften


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Mehrere Richtlinien sehen Grenzwerte für Schadstoffe in der Luft zum Schutz der menschlichen Gesundheit vor. Deutschland meint, dass die Ziele der Richtlinien bereits durch bestehende Verwaltungsvorschriften erreicht werden und erlässt daher keine weiteren Umsetzungsakte.

Einordnung des Falls

Umsetzung durch Verwaltungsvorschriften

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Deutschland ist gemäß Art. 288 Abs. 3 AEUV verpflichtet, die Richtlinie in das nationale Recht umzusetzen.

Genau, so ist das!

Der Richtlinie liegt ein zweistufiges Regelungskonzept zugrunde. Auf der ersten Stufe wird die Richtlinie erlassen und richtet sich gem. Art. 288 Abs. 3 AEUV an die Mitgliedstaaten. Auf der zweiten Stufe müssen die Mitgliedstaaten die Richtlinie in ihr nationales Recht umsetzen. Die Verpflichtung zur Umsetzung der Richtlinie ergibt primärrechtlich aus Art. 288 Abs. 3 AEUV i.V.m. Art. 4 Abs. 3 EUV. Deutschland ist als Adressatin der Richtlinie verpflichtet, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.

2. Hinsichtlich der Form und des Mittels der Umsetzung der Richtlinie ist Deutschland grundsätzlich frei.

Ja, in der Tat!

Richtlinien sind für jeden Mitgliedstaat hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich (Art. 288 Abs. 3 AEUV). Hinsichtlich der Form und der Mittel zur Umsetzung haben die innerstaatlichen Stellen jedoch ein Wahlrecht. Die Mitgliedstaaten können beispielsweise wählen, ob sie die Richtlinie durch ein Parlamentsgesetz oder materielles Gesetz umsetzen. Dabei sind sie jedoch an das Gebot der praktischen Wirksamkeit (Effektivitätsgrundsatz) gebunden. Die Mitgliedstaaten müssen die Umsetzung so ausgestalten, dass die praktische Wirksamkeit der Richtlinie gewährleistet wird.

3. Die Mitgliedstaaten sind zur Umsetzung durch Erlass eines Umsetzungsaktes auch dann verpflichtet, wenn die Ziele der Richtlinie bereits hinreichend durch geltende Vorschriften im nationalen Recht verwirklicht sind.

Nein!

Die Umsetzung einer Richtlinie in nationales Recht verlangt nicht, dass die Bestimmungen der Richtlinie in einer bestimmter Handlungsform wiedergegeben werden. Art. 288 Abs. 3 AEUV überlässt den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und Mittel der Umsetzung. Die Mitgliedstaaten sind zur Umsetzung durch Erlass eines Umsetzungsaktes daher nicht verpflichtet, wenn die Ziele der Richtlinie bereits hinreichend im nationalen Recht verwirklicht sind. Eine Umsetzung, die sich nur auf bereits bestehende nationale Bestimmungen stützt, ist jedoch nur in engen Grenzen zulässig.

4. Enthält die Richtlinie bestimmte Vorgaben, die die Unionsbürger schützen oder ihnen Rechte verleihen, so sind höhere Anforderung an die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht zu stellen.

Genau, so ist das!

Der Umsetzungsakt muss den Grundsätzen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit entsprechen. Soweit Richtlinien Ansprüche des Einzelnen begründen und den Schutz von Unionsbürgern zum Ziel haben, gelten insoweit besondere Anforderungen. Es muss insbesondere gewährleistet sein, dass die Bürger die Möglichkeit haben, von dem Richtlinieninhalt Kenntnis zu erlangen und von ihren Rechten Gebrauch zu machen. Vorliegend müssen die Betroffenen sich daher in allen Fällen, in denen die Überschreitung der Grenzwerte die menschliche Gesundheit gefährden könnte, auf zwingende Vorschriften berufen können, um ihre Rechte geltend zu machen.

5. Die Umsetzung der Grenzwertregelung in nationales Recht durch Verwaltungsvorschriften genügt dem Gebot der praktischen Wirksamkeit.

Nein, das trifft nicht zu!

Dem Gebot der praktischen Wirksamkeit ist genügt, wenn die Richtlinie durch zwingende Rechtsvorschriften umgesetzt wurde oder die Ziele durch einen allgemeinen Rechtsrahmen erreicht werden. Erforderlich ist stets das Bestehen einer bestimmten, klaren und durchschaubaren Rechtslage. Verwaltungsvorschriften sind Binnenrecht der Verwaltung. Sie haben grundsätzlich keine Rechtswirkung für den Einzelnen. Der Einzelne kann aus ihnen grundsätzlich keine Ansprüche oder Rechte herleiten. Durch Verwaltungsvorschriften ist nicht ausreichend gewährleistet, dass die Rechte, die sich aus der Richtlinie ergeben, von den Bürgern zur Kenntnis genommen und geltend gemacht werden können.

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YO

yolojura

20.6.2024, 13:32:57

Hallo zusammen :) Wie erklärt es sich, dass mit der TA-Luft und TA-Lärm normenkonkretisierende Verwaltungsvorschriften, die bestimmte Grenzwerte für u.a. Luftverschmutzung festsetzen, trotzdem existieren? Ist der EuGH später von seiner im Fall beschriebenen Rechtsprechung abgerückt?


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