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Zureichende Umsetzung bei überschießender Regelung

Zureichende Umsetzung bei überschießender Regelung

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie sieht vor, dass Verkäufer bei Vorliegen eines Verbrauchsgüterkaufs die Kosten zu tragen haben, die notwendig sind für Ein- und Ausbau eines als Ersatz gelieferten Verbrauchsguts. Der deutsche Gesetzgeber hat dies in § 439 Abs. 3 BGB umgesetzt.

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Einordnung des Falls

Zureichende Umsetzung bei überschießender Regelung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Ersatzpflicht gilt gemäß § 439 Abs. 3 BGB nur im Anwendungsbereich des Verbrauchsgüterkaufs.

Nein!

Der deutsche Gesetzgeber hat diese Vorgabe überschießend für alle Kaufverträge umgesetzt. § 439 Abs. 3 BGB befindet sich nicht im Untertitel über den Verbrauchsgüterkauf, sondern bei den allgemeinen Vorschriften zum Kaufvertrag. Die Ersatzpflicht besteht damit unabhängig davon, ob ein Verbrauchsgüterkauf vorliegt, also unabhängig davon, ob die Parteien des Kaufvertrags Verbraucher oder Unternehmer sind.
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2. Das deutsche Umsetzungsgesetz ist grundsätzlich dazu geeignet, das Ziel der Richtlinie zu erreichen.

Genau, so ist das!

Richtlinien sind gemäß Art. 288 Abs. 3 AEUV hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich. Das Ziel der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ist es, den Verbraucherschutzes im Binnenmarkt zu verbessern und eine unentgeltliche Nacherfüllung zu garantieren. Dieses Ziel wird auch dann erreicht, wenn der deutsche Gesetzgeber die Ersatzpflicht nicht nur im Rahmen des Verbrauchsgüterkaufs, sondern überschießend für alle Kaufverträge umsetzt.

3. Die Mitgliedstaaten sind im Rahmen ihrer Umsetzungsverpflichtung stets berechtigt, über die Regelungsziele der Richtlinie hinauszugehen, z.B. indem sie weitergehende Verbote vorsehen als die Richtlinie.

Nein, das trifft nicht zu!

Hinsichtlich der Befugnisse der Mitgliedstaaten, überschießende Regelungen zu treffen, ist zu unterscheiden: Die Mitgliedstaaten sind nur dann berechtigt, über die Regelungsziele der Richtlinie hinauszugehen, wenn die Richtlinie nur Mindestanforderungen aufstellt. Wenn die Richtlinie den Sachverhalt dagegen abschließend regelt (Vollharmonisierung), dann stellt die Richtlinie den Höchststandard dar. Eine überschießende Umsetzung durch den Gesetzgeber des jeweiligen Mitgliedstaats verbietet sich in diesen Fällen. Für die Ermittlung der Regelungsdichte ist eine genaue Auslegung der Richtlinie im Einzelfall erforderlich.

4. § 439 Abs. 3 BGB ist als deutsche Umsetzungsnorm EU-rechtswidrig, soweit sie über die Richtlinie hinausgeht. Denn die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie regelt den Sachverhalt abschließend.

Nein!

Bei mindestharmonisierenden Richtlinien dürfen die Mitgliedstaaten im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie Vorgaben schaffen, die über den Standard in der Richtlinie hinausgehen. Die Richtlinie stellt insoweit nur Mindestanforderungen auf. Die Mitgliedstaaten dürfen daher das Schutzniveau der Richtlinie nicht unter-, aber überschreiten. Die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie beinhaltet keine Vollharmonisierung, sondern einen Mindeststandard. Die Mitgliedstaaten können daher wirksam Regelungen treffen, welche über die Mindestanforderungen der Richtlinie hinausgehen. § 439 Abs. 3 BGB ist richtlinienkonform. Die neue Warenkaufrichtlinie, welche die Mitgliedstaaten bis zum 21. Juli 2021 in nationales Recht umsetzen mussten, sieht vollharmonisierende Regelungen vor. Da die Richtlinie aber nur im Hinblick auf Verbrauchsgüterkäufe vollharmonisierend ist, steht es dem deutschen Gesetzgeber ungeachtet dessen frei eine Ersatzpflicht auch außerhalb des Verbrauchsgüterkaufs einzuführen.
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