Referendariat

Die StA-Klausur im Assessorexamen

Das materielle Gutachten

Beschuldigter zunächst als Zeuge und ohne Belehrung vernommen, später schweigt er

Beschuldigter zunächst als Zeuge und ohne Belehrung vernommen, später schweigt er

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

O wird tot aufgefunden. Die Polizeibeamten trafen am Tatort auf B. Ein Tatmotiv des B ist zunächst nicht bekannt, sodass sich aus seiner Anwesenheit zwar ein gewisser, aber kein konkreter Tatverdacht besteht. B wird als Zeuge vernommen. Erst später verdichtete sich der Verdacht gegen B.

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Einordnung des Falls

Beschuldigter zunächst als Zeuge und ohne Belehrung vernommen, später schweigt er

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Angaben, die B als Zeuge gemacht hat, sind im weiteren Verfahren verwertbar, wenn die Vernehmung des B als Zeuge nicht zu beanstanden ist.

Ja!

Es ist problematisch, dass B vor der ersten polizeilichen Vernehmung zunächst nur als Zeuge nach § 55 StPO, nicht aber als Beschuldigter (§§ 163a Abs.4, 136 Abs.1 StPO) belehrt und vernommen worden ist. Der verdächtige B durfte aber jedenfalls dann erst einmal als Zeuge vernommen werden, wenn noch nicht von einer Zeugen- zu einer Beschuldigtenvernehmung übergegangen werden musste. Die Frage der Verwertbarkeit der Aussagen des B ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn B bei den späteren Beschuldigtenvernehmungen schweigt.
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2. Durfte B hier als möglicher Verdächtiger noch als Zeuge vernommen werden?

Genau, so ist das!

Nach pflichtgemäßer Beurteilung der Strafverfolgungsbehörde muss erst dann von der Zeugen- zur Beschuldigtenvernehmung übergegangen werden, wenn sich der Verdacht so verdichtet hat, dass die vernommene Person ernstlich als Täter der untersuchten Straftat in Betracht kommt. Die Grenzen des Beurteilungsspielraums sind -gerade bei Tötungsdelikten- erst dann überschritten, wenn trotz starken Tatverdachts nicht von der Zeugen- zur Beschuldigtenvernehmung übergegangen wird und auf diese Weise bewusst die Beschuldigtenrechte umgangen werden. Zum Zeitpunkt der Vernehmung des B als Zeugen bestand noch kein ernsthafter Tatverdacht. Die Polizei durfte B somit noch als Zeugen nach Belehrung gemäß § 55 StPO vernehmen. Eine willkürliche Überschreitung des Beurteilungsspielraums ist nicht ersichtlich. Der Übergang zur Beschuldigtenvernehmung ist damit zu Recht unterblieben.

3. B wurde unangemessen dadurch benachteiligt, dass er zunächst als Zeuge und nicht sofort als Beschuldigter vernommen und nach §§ 163a Abs.4, 136 Abs.1 StPO belehrt wurde.

Nein, das trifft nicht zu!

Dass ein Verdächtiger im Einzelfall noch als Zeuge vernommen werden darf, benachteiligt ihn nicht unangemessen. Vielmehr dient es auch seinem Schutz. Den Verdächtigen treffen dann nämlich mangels Beschuldigtenstellung noch nicht sofort alle nachteiligen Folgen, die ein Ermittlungsverfahren nach sich zieht. Zudem wird der Verdächtige ausreichend durch das Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO, das ihm als Zeuge im Rahmen seiner Befragung zusteht, geschützt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

KNU

Knuspierre

9.3.2024, 21:21:20

In der Fragestellung ist die Rede von einer erheblichen Benachteiligung, in der Antwort wird aber auf eine unangemessene Benachteiligung abgestellt? Dass die Benachteiligung nicht unangemessen war, erschließt sich leicht, aber ob sie "erheblich" war ist doch deutlich schwerer zu benamtworten, oder?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

19.3.2024, 13:24:34

Hallo Knuspierre, danke für deine Frage. Erheblich und unangemessen sind hier als Synonym verwendet. Wir haben die Fragestellung für das einfachere Verständnis nun angepasst. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team


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