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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Der schwer bewaffnete Terrorist T verschanzt sich mit mehreren Geiseln in einem Restaurant und droht mit deren Erschießung. Verhandlungen mit T scheitern. Polizeischarfschütze P schießt und trifft T tödlich.

Einordnung des Falls

Recht auf Leben: finaler Rettungsschuss

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der sachliche Schutzbereich des Rechts auf Leben (Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 GG) ist eröffnet.

Genau, so ist das!

Das Recht auf Leben (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 GG) schützt das Recht zu leben. Leben ist dabei körperliches Dasein, d.h. die biologisch-physische Existenz. Der tödliche Schuss auf T betrifft seine biologisch-physische Existenz. Der sachliche Schutzbereich des Rechts auf Leben (Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 GG) ist eröffnet. Der persönliche Schutzbereich des Rechts auf Leben (Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 GG) ist bei lebenden Personen stets eröffnet, sodass du diesen Punkt sehr kurz halten kannst.

2. Bereits nach dem klassischen Eingriffsbegriff liegt ein Eingriff in das Recht auf Leben des T vor.

Nein, das trifft nicht zu!

Nach dem klassischen Eingriffsbegriff liegt ein Eingriff vor, wenn das staatliche Handeln final, unmittelbar und durch Rechtsakt geschehen sowie mit Zwang durchsetzbar ist. Der Eingriff ist final, wenn er zielgerichtet ist, und unmittelbar, wenn das staatliche Handeln selbst den Eingriff darstellt. Ein Rechtsakt liegt vor, wenn sich das staatliche Handeln auf Setzung einer Rechtswirkung richtet. Hier ist das Ziel des Eingriffs das Befreien der Geisel durch einen tödlichen Schuss auf T. Der Schuss beeinträchtigt T zwar unmittelbar, stellt aber keinen Rechtsakt dar (er soll keine Rechtswirkung setzen), sondern ist ein Realakt. Nach dem klassischen Eingriffsbegriff liegt kein Eingriff in das Recht auf Leben des T vor. Als Merkhilfe kann man sich "FURZ" merken: F - final U - unmittelbar R - durch Rechtsakt Z - mit Zwang durchsetzbar

3. Die Ausweitung des klassischen zum modernen Eingriffsbegriff lässt die staatliche Verantwortlichkeit ausufern.

Nein!

Der klassische Eingriffsbegriff schränkt die dem Staat zurechenbaren Grundrechtsbeeinträchtigungen zu stark ein. Auch tatsächliches staatliches Verhalten kann in die Grundrechte der Bürger eingreifen. Deshalb sind die Voraussetzungen des modernen Eingriffsbegriffs zu Recht weiter gefasst als die des klassischen.

4. Nach dem modernen Eingriffsbegriff liegt ein Eingriff in das Recht auf Leben des T vor.

Genau, so ist das!

Nach dem modernen Eingriffsbegriff liegt ein Eingriff vor, wenn das staatliche Handeln dem Einzelnen ein Verhalten oder den Genuss eines grundrechtlich geschützten Rechtsguts ganz oder teilweise unmöglich macht. Dabei ist es gleichgültig, ob diese Wirkung final oder unbeabsichtigt, unmittelbar oder mittelbar, rechtlich oder tatsächlich, mit oder ohne Zwang eintritt. Für das Recht auf Leben (Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 GG) bedeutet dies, dass jede rechtliche oder faktische staatliche Maßnahme in das Recht auf Leben eines Grundrechtsträgers eingreift, die die Aufhebung der biologisch-physischen Existenz, also den Tod eines Menschen bewirkt. Der tödliche Schuss des P auf T stellt nach dem modernen Eingriffsbegriff einen Eingriff in das Recht auf Leben des T dar.

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HACKBA

Hackbart

5.3.2020, 12:11:50

Müsste die Frage hierzu nicht konsequenterweise bejaht werden? Erweitert wird die Verantwortung auf jeden Fall. Das wird ja auch in der Erläuterung eingestanden. Ausuferung hört sich zwar negativer an, aber bedeutet doch im Kern nichts anderes als Ausweitung.

KI

killinit

4.7.2021, 11:25:04

Das Wort "ausufern" impliziert, dass die Ausweitung unkontrollierbar stattfindet und damit uU eine unzulässige Ausweitung. Ich vermute, dass das ein typischer Kritikpunkt am modernen Eingriffsbegriff ist. Insofern sind die Begriffe nicht die gleichen und ich würde ein Ausufern mit obiger Argumentation ablehnen

DeliktusMaximus

DeliktusMaximus

7.8.2022, 13:49:34

Die letzte Frage finde ich dennoch etwas unglücklich formuliert.

Vincent

Vincent

27.8.2021, 13:47:06

Wäre in der Klausur noch anzusprechen, dass T sich auch auf Seine Grundrecht berufen kann, obwohl er tot ist (postmortales Persönlichkeitsrecht)? Vielen Dank!

Wendelin Neubert

Wendelin Neubert

3.1.2022, 18:10:32

Hallo Vincent, danke für deine Frage. In der Klausur würde es um die Frage gehen, ob der Eingriff in Ts Recht auf Leben gerechtfertigt war. In der Klausur würde es nicht um die Frage gehen, ob T sich auf seine Grundrechte berufen kann, denn T ist tot. Er kann sich auf gar kein Grundrecht mehr berufen. Ihm steht zwar unter Umständen der postmortale Persönlichkeitsschutz zu, aber auch auf den kann er sich nicht berufen, da er tot ist; allenfalls seine Rechtsnachfolger könnten diesen geltend machen. Eine alternative Klausurkonstellation wäre ein Fall, in dem T noch lebt, aber fürchtet, erschossen zu werden. In diesem Fall könnte er sich gegenüber der Polizei noch auf sein möglicherweise bedrohtes Recht auf Leben berufen. Denkbar ist auch eine Klausurkonstellation, deren Gegenstand ein Gesetzgebungsverfahren zur Schaffung einer Ermächtigungsgrundlage für eine gezielte Tötung ist. Hier wäre abstrakt das betroffene Rechtsgut Leben zu diskutieren, um die - extrem hohen - Anforderungen an eine solche Ermächtigungsgrundlage zu bestimmen. Hoffe das hilft! Beste Grüße - Wendelin für das Jurafuchs-Team

AN

Anja

5.12.2022, 18:00:49

Kann in dem Schuss auch die Vollstreckung einer auf die polizeirechtliche Generalklausel gestützte Maßnahme gesehen werden? Das wäre ja ein VA und damit rechtsförmig, also auch ein Eingriff nach dem klassischen Begriff, oder?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

8.12.2022, 19:33:05

Hallo Anja, die Vollstreckung stellt mangels eigener Regelungswirkung keinen VA dar. Vielmehr handelt es sich um einen

Realakt

. Daher ist der klassische Eingriffsbegriff nicht erfüllt. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team


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