+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die X-GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) betreibt einen Nachtclub ohne die dafür erforderliche Genehmigung. Die zuständige Behörde erlässt gegenüber der X-GbR eine Stilllegungsverfügung (§ 15 Abs. 2 GewO). Die X-GbR klagt dagegen. Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet.
Einordnung des Falls
Klagebefugnis der GbR
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Personengesellschaften können klagebefugt sein, wenn sie rechtsfähig sind.
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Genau, so ist das!
Die Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) beurteilt sich danach, ob der Kläger durch den angegriffenen Verwaltungsakt möglicherweise in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt ist. Um klagebefugt sein zu können, müssen somit auch Personengesellschaften - also insb. OHG, KG, GbR - in eigenen Rechten verletzt sein können. Dies setzt voraus, dass sie rechtsfähig sind. Anders als juristische Personen, die kraft Gesetzes rechtsfähig sind, sind Personengesellschaften grundsätzlich nichtrechtsfähige Vereinigungen von Personen. Klagt eine Personengesellschaft, muss besonders begründet werden, dass sie rechtsfähig ist und damit überhaupt klagebefugt sein kann.
2. Rechtsfähige Personengesellschaften können sich uneingeschränkt auf Grundrechte berufen.
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Nein, das trifft nicht zu!
Grundrechte gelten für inländische juristische Personen nur, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind (Art. 19 Abs. 3 GG). Über den Wortlaut hinaus gilt Art. 19 Abs. 3 GG auch für (teil-)rechtsfähige Personengesellschaften. Die Grundrechte sind auf sie anwendbar, wenn die grundrechtlich geschützte Tätigkeit auch von Personengesellschaften ausgeübt werden kann, also wenn sich Personengesellschaften in einer mit einer natürlichen Person vergleichbaren grundrechtstypischen Gefährdungslage befinden.
Beispiele: Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) oder Eigentumsfreiheit (14 Abs. 1 GG), nicht jedoch die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) oder das Recht auf Leben (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG), wo das Grundrecht an menschliche Eigenschaften anknüpft.
3. Die X-GbR kann geltend machen, durch die Stilllegungsverfügung in einem ihrer subjektiv-öffentlichen Rechte verletzt zu sein.
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Ja!
Die X-GbR ist als Außen-GbR rechtsfähig. Sie kann eigene Rechte erwerben, Verpflichtungen eingehen und hat bislang - wenn auch ohne Genehmigung - einen Nachtclub betrieben. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die X-GbR durch die Stilllegungsverfügung in ihrer Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 i.V.m Art. 19 Abs. 3 GG) verletzt ist. Die X-GbR kann sich auch auf Art. 12 Abs. 1 GG berufen, weil sie als Personengesellschaft vergleichbar mit natürlichen Personen in der Lage ist, einen Beruf auszuüben, und sich in einer mit natürlichen Personen vergleichbaren grundrechtstypischen Gefährdungslage befindet. Die X-GbR ist klagebefugt.Die seit der Weißes-Ross-Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2001 allgemein anerkannte Rechtsfähigkeit der Außen-GbR ist ab dem 1.1.2024 in § 705 Abs. 2 BGB n.F. auch explizit gesetzlich geregelt.
4. Die X-GbR ist rechtsfähig.
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Genau, so ist das!
Der Gesetzgeber geht in einigen Normen ausdrücklich von der (Teil-)Rechtsfähigkeit der GbR aus (z.B. § 899a BGB, § 191 Abs. 2 UmwG, § 162 Abs. 1 S. 2 HGB). Deshalb ist es anerkannt, dass einer GbR analog § 124 HGB zumindest Teilrechtsfähigkeit zukommt.
Die X-GbR ist teilrechtsfähig (analog § 124 HGB).
5. Das Klagebegehren der X-GbR richtet sich auf Beseitigung der Stilllegungsverfügung. Die Anfechtungsklage ist statthaft.
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Ja, in der Tat!
Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren (§§ 88, 86 Abs. 3 VwGO).
Die X-GbR begehrt die Beseitigung der Stilllegungsverfügung. Die Stilllegungsverfügung ist ein Verwaltungsakt (§ 35 S. 1 VwVfG), der die X-GbR belastet. Das Begehren der X-GbR richtet sich damit auf die Aufhebung eines sie belastenden Verwaltungsakts. Die Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) ist statthaft.