Öffentliches Recht

VwGO

Anfechtungsklage

Anfechtung eines Verwaltungsakts - Schwerpunktklagebefugnis, Adressatentheorie

Anfechtung eines Verwaltungsakts - Schwerpunktklagebefugnis, Adressatentheorie

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Gastwirt A ist Inhaber der Kneipe "Faulpelz". Seine Gaststättenkonzession wird wegen Unzuverlässigkeit widerrufen (§§ 15 Abs. 2, 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GastG), jedoch von der unzuständigen Behörde. A ist das egal - er will auf Weltreise gehen. Sein Freund B aber ist empört und klagt.

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Einordnung des Falls

Anfechtung eines Verwaltungsakts - Schwerpunktklagebefugnis, Adressatentheorie

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. B kann als Adressat des Widerrufs geltend machen, durch diesen in einem seiner subjektiv-öffentlichen Rechte verletzt zu sein.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) beurteilt sich danach, ob der Kläger durch den angegriffenen Verwaltungsakt möglicherweise in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt ist (sog. Möglichkeitstheorie). Ist der Kläger Adressat eines belastenden Verwaltungsakts, ergibt sich die Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) auch ohne Sachvortrag aus dem Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) (sog. Adressatentheorie). Da B nicht Adressat des Verwaltungsakts ist, greift die Adressatentheorie hier nicht.
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2. Das Klagebegehren des B ist auf die Beseitigung des Widerrufs der Gaststättenkonzession gerichtet. Die Anfechtungsklage ist statthaft.

Ja, in der Tat!

Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren (§§ 88, 86 Abs. 3 VwGO). B begehrt, dass A seine Gaststättenkonzession behalten kann. Aus rechtlicher Sicht möchte er damit die Aufhebung des Widerrufs erreichen. Der Widerruf ist ein Verwaltungsakt (§ 35 S. 1 VwVfG). Mithin begehrt B die Aufhebung eines Verwaltungsakts. Die Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) ist statthaft.

3. B ist klagebefugt, weil er geltend machen kann, durch den von der unzuständigen Behörde erlassenen Widerruf in einem geschützten Recht verletzt zu sein.

Nein!

Der Kläger ist klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO), wenn er durch einen Verstoß gegen drittschützende Vorschriften möglicherweise in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt worden ist. Eine Norm ist drittschützend, wenn sie nicht nur Interessen der Allgemeinheit schützen soll, sondern zumindest auch den Interessen des Klägers zu dienen bestimmt ist (Schutznormtheorie). Es sind Zuständigkeitsvorschriften verletzt. Sie dienen der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) und dem Schutz desjenigen, demgegenüber die Verwaltung handelt. Da B nicht von den verletzten Zuständigkeitsvorschriften geschützt wird, kann er nicht geltend machen, in eigenen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt zu sein.

4. B könnte durch den Widerruf in einem seiner subjektiv-öffentlichen Rechte verletzt sein, wenn der Widerruf eine drittschützende Norm verletzt und diese ihn schützt.

Genau, so ist das!

Verwaltungsakte können Doppel- und Drittwirkung (§§ 80 Abs. 1 S. 2, 80a VwGO) haben. Auch hier ist die Klagebefugnis danach zu ermitteln, ob der Kläger möglicherweise in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt ist (Möglichkeitstheorie). Dies setzt voraus, dass der Kläger die Verletzung eines geschützten Rechts geltend macht, das auch ihn schützt (Drittschutz).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Alexandra

Alexandra

2.6.2020, 17:25:13

Hier wird die Unzuständigkeit zwar nicht spezifiziert, aber nehmen wir einmal an es handele sich um eine sachliche Unzuständigkeit, dann wäre der VA doch noch gar nicht bekanntgegeben. Kann man gegen einen noch nicht bekanntgegebenen VA mit einer Anfechtungsklage vorgehen? Wird der VA irgendwo geheilt? Übersehe ich etwas?

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

2.6.2020, 20:26:34

Fehler bei der örtlichen Zuständigkeit führen gem. §§ 44 Abs. 3 Nr. 1, 46 VwVfG nicht zur Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes. Als Umkehrschluss hieraus wird allerdings deutlich, dass bei einer sachlichen Unzuständigkeit der erlassenden Behörde eine wirksame Bekanntgabe nicht vorliegt und der Verwaltungsakt somit nichtig ist. Statthafte Klageart ist mithin die

Feststellungsklage

, gerichtet auf Feststellung der Nichtigkeit des VA nach § 43 I Alt. 2 VwGO.

IUS

iustus

9.11.2020, 14:14:36

Naja jain. Der VA ist aus den genannten Gründen nichtig. Aber da dieser dennoch einen Rechtsschein entfaltet, wäre eigl 42 I Alt 1 VwGO ANALOG, also die AK statthaft. Eben wegen der Rechtsscheinwirkung. Aber eine FK ist auch denkbar.

Dave K. 🦊

Dave K. 🦊

6.11.2021, 00:19:34

Für die Ansicht von iustus hätte ich gerne mal eine Quelle. Ich habe noch nie etwas von 42 I analog gelesen. Zur „Vernichtung/Zerstörung“ des Rechtsscheins ist doch in diesem Fall gerade die

Feststellungsklage

gedacht, oder?

BBE

bibu knows best

25.6.2022, 07:38:30

Würde dem B -unterstellt er wäre klagebefugt - nicht auch das RSB fehlen ? Der A ist ja ohnehin durch die Tür, dass heißt B konnte nicht mehr bewirtet werden :D?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

7.7.2022, 11:26:16

Hallo bibu knows best, genau zusätzlich zur

Klagebefugnis

fehlt es auch am allgemeinen

Rechtsschutzbedürfnis

, weil B durch die Klage keine tatsächlichen Vorteile mehr hätte erreichen können die seine Rechtsstellung verbessert hätten. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team


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